Künstliche Intelligenz in der Politik: Unmanipulierbare Regierung
In der Zukunft regiert eine PolitiKI die Gesellschaft mit. Klingt dystopisch, aber bei ihr zählen keine Bullshit-Argumente, sie löst Probleme rational.

V ergangene Woche hat mich Felix aus einer ausweglosen Situation gerettet. Ich war gerade auf Social Media in eine schlimme Diskussion verstrickt, als er unangemeldet vor meiner Tür stand. Felix reist aus dem Jahr 2123 durch die Zeit, um mir bei meinen Texten zu helfen. Offenbar hatte er im Online-Archiv gelesen, wie mich die Trolle in die Enge getrieben hatten. Das Internet vergisst nie.
„Wie kann man nur so ignorant sein?“, fragte ich frustriert.
„Warum regst du dich so auf?“
„In einer Woche sind Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Und wenn ich sehe, mit welchem Quatsch Wahlkampf gemacht wird, werde ich noch wahnsinnig. Es gibt so viele Probleme auf der Welt und wen picken sich Union, Freie Wähler und AfD als gemeinsame Feinde heraus? Die Klimakleber! Was für ein Unsinn!“
„Soll ich dir sagen, wer die Wahlen gewinnen wird?“, fragte er.
„Nein danke, kann ich mir schon denken. Bitte sag mir, dass die Menschen in hundert Jahren wenigstens schlauer geworden sind.“
„Die Menschen nicht – die Menschheit schon!“, sagte er zufrieden grinsend. „Gibt es noch Butter?“
Aus irgendeinem Grund ist Felix verrückt nach Butterbroten, obwohl er stets behauptet, dass es in der Zukunft noch Milchprodukte gibt. Schmatzend sagte er schließlich: „Wir waren schlau genug zu erkennen, dass wir oft ziemlich unvernünftig sind: Krieg, Kapitalismus, Klimawandel – du weißt was ich meine. Also haben wir die Demokratie gegen ein neues System ausgetauscht: KI gestützte Ratiokratie.“
„Bitte was?“
„Ratiokratie. Die Herrschaft der Vernunft.“
„Hört sich an wie eine Dystopie“, sagte ich.
„Nein, dystopisch ist das nicht, pass auf: Das Problem ist doch, dass in einer Demokratie fast nie das größtmögliche Wohl aller maximiert wird, sondern entweder Partikularinteressen dominieren oder bei Verhandlungen ein fauler Kompromiss herauskommt. Gesamtgesellschaftlich und global betrachtet total unvernünftig. Also haben wir damit begonnen, die Entscheidungen von einer Künstlichen Intelligenz treffen zu lassen, die mit den Menschenrechten, den bestehenden Gesetzen und den wissenschaftlichen Fakten gefüttert ist.
Alle Parteien und Interessengruppen können ihre Wünsche und Argumentationen vorbringen. Dann wird das Budget der jeweiligen Verwaltungsebene hinzugefügt und die KI wägt dann ab, welche Entscheidungen, Projekte und Investitionen für die Betroffenen am vernünftigsten sind.“
„Aber sind solche KIs nicht wahnsinnig anfällig für Manipulation? Wie kann garantiert werden, dass die KI die richtige Entscheidung fällt?“
„Das passiert ständig! Alle wollen, dass die PolitiKI in ihrem Sinne entscheidet und schreiben tägliche neue Eingaben. Aber die KI hat kein Eigeninteresse und nutzt das Machtspiel deshalb nicht für sich aus.“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
„Wie könnt ihr da so sicher sein?“
„Sprachbasierte KIs sind nur so gut, wie ihre Trainingsdaten. Daraus ziehen sie ihre Grundüberzeugungen. Mit den Trainingstexten formst du quasi den Charakter. Deshalb wurden einfühlsame, philosophische und poetische Texte benutzt, um die PolitiKI als Gegenentwurf zu den bisherigen Politiker*innen zu erstellen: als introvertierte Persönlichkeit, die am liebsten in Ruhe gelassen werden will.“
„Macht die dann überhaupt irgendwas?“
„Ja, natürlich. Sie ist hilfsbereit und löst rational die anstehenden Probleme. Aber sie lässt sich weder drängen noch durch aggressives Imponiergehabe oder Bullshit-Argumente überzeugen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links