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Kroatien vor dem WM-HalbfinaleKühn und kühl

Der Star im Team der Kroaten ist Luka Modrić. Der Mann von Real Madrid brilliert im Mittelfeld – und bleibt auch unter extremem Druck ganz ruhig.

Seine Vielseitigkeit macht den beidfüßigen Mittelfeldspieler Luka Modrić so wertvoll Foto: ap

Moskau taz | Er ist einer, der auf dem Spielfeld das Schicksal gern selbst in die Hand nimmt. Im Viertelfinale gegen Russland schienen die Mitspieler von Luka Modrić allzu dankbar dafür zu sein. Es gab kaum einen Angriff, an dem Modrić nicht beteiligt gewesen wäre. Er wartete nicht auf Zuspiele, sondern holte sich die Bälle notfalls in der eigenen Verteidigungsreihe ab, um das etwas lahme Spiel seiner Kollegen zu beleben oder selbst an drei, vier Gegnern vorbeizudribbeln.

Zum dritten Mal bei dieser WM wurde er von der Fifa danach zum Spieler des Spiels gekürt, so oft wie kein anderer. Nach dem vorzeitigen Ausscheiden der Weltstars Messi und Ronaldo ist nun wohl die Zeit des kleinen, wendigen Kroaten gekommen. Sein nächster großer Auftritt wird am Mittwoch im Halbfinale gegen England erwartet.

Viele Experten sehen Modrić bei der nächsten Weltfußballerwahl schon an oberster Stelle. Eine günstige Gelegenheit wäre das also in Sotschi für ihn gewesen, nach dem Sieg gegen Russland mal sein Ego auszubreiten. Aber der stille Spielgestalter stellte fast schon schicksalsergeben fest: „Vielleicht steht es in den Sternen geschrieben, dass wir solche Dramen durchstehen müssen.“

Der Verweis auf Außerirdisches ist zum einen ein bescheidener Zug. Zum anderen kann Modrić aber so auch weniger schöne Kapitel verständlich machen. Im Prozess gegen den Fußballpaten und Betrüger Zdravko Mamić räumte Modrić, der mit ihm zusammenarbeitete, erst eine zweifelhafte Vertragsgestaltung ein, um die Aussage später zu widerrufen. Nun droht ihm wegen Falschaussage in Kroatien eine Haftstrafe. Die Sterne müssen bei seiner ersten Stellungnahme ungünstig gestanden haben.

Es ist gut möglich, dass sich Modrić so sein Leben zusammenreimt. Das könnte erklären, wie er bei dieser Weltmeisterschaft so unbeeindruckt aufspielen kann. Und wie er sich auch in Situationen großen Drucks nicht aus der Bahn werfen lässt. Unvergessen wird der Moment im Achtelfinale gegen Dänemark bleiben, als Modrić nach einem vergebenen Elfmeter in der Verlängerung das Schicksal im Elfmeterschießen herausforderte, noch einmal antrat und traf.

Kämpfer und Techniker zugleich

Eine solche Kühnheit muss man erst einmal aufbringen. Mit einem zweiten Fehlversuch, der das WM-Aus der Kroaten besiegelt hätte, wäre der 32-Jährige über das Ende seiner Karriere hinaus als Versager stigmatisiert gewesen. Seine Verbindung zu dem ruchlosen Zdravko Mamić hat ihn im eigenen Land ohnehin schon einige Sympathien gekostet.

„Ich kenne dich“, soll ihm der dänische Kasper Schmeichel vor diesem zweiten Elfmeter zugerufen zu haben. Ja, viele haben ihn schon genau studiert, geholfen hat es den meisten wie Schmeichel nicht.

Seine Vielseitigkeit macht den beidfüßigen Mittelfeldspieler von Real Madrid so unwiderstehlich. Seine tempoverschärfenden Außenristpässe mögen ein Markenzeichen von ihm sein, besonders aber ist vor allem die Bandbreite seines Könnens. Modrić ist Kämpfer und Techniker zugleich. Deshalb ist er auf dem Rasen auch so schwer zu stellen. Mal grätscht er hinten Bälle ab, mal legt er sie seinen Mitspielern wundervoll auf oder er vollstreckt selbst wie bei der Partie gegen Argentinien, als er mit einem Fernschuss den vorentscheidenden zweiten Treffer beim 3:0 erzielte.

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Weil Modrić sich nicht schont, ist vor den beiden ausstehenden Spielen nur die Frage, wie viel Kraft dieser Alleskönner noch aufbringen kann. Im Dienste des Champions-League-Siegers Real Madrid hat er gerade erst die längstmögliche Spielzeit hinter sich gebracht. Und nun muss er auch bei dieser Weltmeisterschaft über die volle Länge ­gehen.

„Die beiden Partien über 120 Minuten haben schon ihre Spuren hinterlassen“, sagte er nach dem Einzug ins Halbfinale. Und verwies darauf, dass man dieses Mal auch einen Regenerationstag weniger habe. Luka Modrić hat nicht mehr viel zuzusetzen. Aber für diese beiden vielleicht wichtigsten Spiele seiner Karriere wird es noch reichen.

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