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Kritik an Varoufakis’ BewegungsideeEin Manifest soll Massen mobilisieren

Die zentrale Botschaft von Varoufakis und Co.: Europa muss demokratisiert werden – oder es wird zerfallen. Manche halten das für populistisch.

Sven Giegold hält den Aufruf für populistisch (Archivbild 2009). Foto: ap

Berlin taz | Ein Gespenst sucht nun doch nicht Europa heim. Über etliche Entwürfe hinweg begann der Text des „Manifests für die Demokratisierung Europas“ mit dem „Gespenst der Demokratie“, vor dem sich die Mächtigen Europas zu fürchten hätten. In der Schlussfassung jedoch taucht die offenkundige Anlehnung an die legendäre Eröffnungssequenz des Kommunistischen Manifests nun nicht mehr auf – das war wohl doch zu pathetisch.

Seit Herbst vergangenen Jahres haben Gianis Varoufakis und seinen MitstreiterInnen an dem Manifest gearbeitet, das die Grundlage für die neue paneuropäische Bewegung „Democracy in Europe Movement 2025“ sein soll. Herausgekommen ist ein Text, der versucht, der trostlosen europäischen Gegenwart eine positive europäische Idee entgegenzusetzen. „Die EU muss demokratisiert werden. Oder sie wird zerfallen!“ – das ist die zentrale Botschaft des Textes.

„Eine Verschwörung kurzsichtiger Politiker, ökonomisch naiver Beamter und in Finanzdingen inkompetenter ‚Experten‘ unterwirft sich sklavisch den Beschlüssen der Finanz- und Industriekonzerne, entfremdet die Europäer einander und schürt eine gefährliche europafeindliche Stimmung“, heißt es in dem Manifest.

Dagegen versucht die neue Bewegung ein Zeichen zu setzen. Sie will einen demokratischen Aufbruch. Ziel ist, mittels einer verfassunggebenden Versammlung „aus Europa (bis 2025) eine voll entwickelte Demokratie mit einem souveränen Parlament zu machen, das die nationale Selbstbestimmung respektiert und die Macht mit den nationalen Parlamenten, mit Regionalversammlungen und Gemeindeparlamenten teilt“.

Der Vorstoß von Varoufakis sei „gut gedacht, aber populistisch gemacht“, kritisiert der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Er begrüße den Anspruch nach mehr Demokratie und Transparenz. Es sei jedoch „populistisches Brüssel-Bashing“, den bestehenden EU-Institutionen jedwede demokratische Legitimität abzusprechen. „Die Austeritätspolitik ist sozial desaströs und ökonomisch falsch, aber sie wurde von Mehrheiten in den nationalen Parlamenten und im Europaparlament gestützt“, so Giegold.

Der frühere Attac-Aktivist begrüßte den Vorschlag einer verfassunggebenden Versammlung. In der vorgelegten Form sei er jedoch ein Bruch der EU-Verträge. „Wir sollten Europa nicht durch Vertragsbruch, sondern mit den vielen Möglichkeiten im Rahmen der Verträge zum Besseren verändern“, sagte er.

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18 Kommentare

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  • "den bestehenden EU-Institutionen jedwede demokratische Legitimität abzusprechen" -

    well, das machen die Entscheidungsträger Schäuble, Hollande, EZB und Rompuy ja schon selbst so durch ad hoc-Krisenstäbe an diesen früheren EU-Strukturen vorbei.

  • Da die Grünen ja nicht auf eine Massenbasis bauen können, stellt sich schon die Frage, was ist populär, was ist Populismus?

    Ausgerechnet Sven Giegold als typischer Funktionär sollte da mal vergleichen, wie z.B. Christian Felber in Österreich vorgeht.

    Felber haidert nicht mit Populismus rum, es kommen dennoch über 200 Leute zu seinen Vorträgen - die Banken- und Börsenentwicklung steuert wieder auf einen Crash zu.

    Varoufakis und Blockupy wären gut beraten zu fokussieren auf:

    - immer nur Export aus Dt - Druck zu importieren in der "Peripherie", das kann nicht gut gehen. Man kann nicht immer nur bezahlen und keine Schulden machen.

    - Schäubles Ministerium als Ort der Öffentlichen Akkumulation von Kapital - es gibt keineswegs "stets knappe Staatskassen", wie Straubhaar neulich schrieb.

    => sozialisieren, egalisieren, kooperieren.

  • Mit seinem Linkspopulismus liegt voll auf der Linie der Parteivorsitzenden der Partei "Die Linke". Frau Kipling höchstpesönlich sah 2011 noch die Notwendigkeit einer linkspopulistischen Doppelstrategie für die Partei: "Wir brauchen eine Doppelstrategie: sozial-ökologischer Umbau plus Linkspopulismus." (tagesspiegel.de. 18. April 2011) Berlin als Ort für seinen Showdown passt da schon.

  • Kommentar sowie Kommentare zum Kommentar zeigen wieder mal eindeutig, was Linke am besten können und am liebsten machen: Über andere Linke schimpfen, ihnen nach Möglichkeit das Links-Sein absprechen und unter- bzw. gegeneinander die härtesten Worte in der Diskussion zu finden. Sven Giegolds Aussagen sind da noch vergleichsweise zurückhaltend, schlimmer sind die Reaktionen.

    Ja, Varoufakis hat immer schon was für populistische Phrasen übrig gehabt - einer der Punkte, an denen er gescheitert ist. Und das Manifest enthält populitische Formulierungen, die kritisch hinterfragt werden müssen. Aber das Anliegen dahinter ist richtig und unterstützenswert. Letzteres allein reicht aber nicht, dass ich einige der fraglichen Formulierungen unterschreiben würde - eine Allianz mit den Unterzeichnern ist für mich aber denkbar. Und so, wie ich Sven Giegold verstehe, auch für ihn.

  • Was eine bemühte insuffiziente Gespensterschlaumeierrei beie tazis!

    Reine Zeilenschinderei! - ok - ok -

    Immer noch bessee - Ja schonn! -

    Als vore Bahn laufen - auch wahr!;) but

    Alle in einen Sack - & - du

    Triffst immer - ´n Richtige/n;!()

     

    Nich tonn - Uthollen! &

    Rein tonn katosch warrn!

    Diese Klugscheißerbedenkenträgerei!

    Die sich - wie Großkotz - am offenen Kragen & booey - 40 Minuten -

    Verspätung - aufhält! - Jaffoll!

    Das wird man doch noch verlangen können. Wo komm wer denn da hin!!

    Na da - wo ihr seid - schonnmal nich!

    Gottseindankt getrommelt&gepfiffen!

    Geht´s noch? Alle Nadeln aufer Tanne?

    Dann is ja gut! - In echt!

    (Nie DB gefahren? - oder was!;()

     

    kurz - Nich lang - Snacken -

    Liggers ers mal sülms was kacken.

    Shut up - & play - that´s the way!

    Danke.

    Oder - Mit good ol´Rabbi Katz -

    Woher willst du das wissen? & bitte -

    Tante Nudel, Onkel Ruhe und

    Herr Schlau - by Helme Heine -

    Mal wieder lesen.

    Danke. Gerne - dannichfür;))

  • In diesem Falle kann ich den Vertreter der von mir nach wie vor am nächsten stehenden Partei nicht verstehen. Eine Gegenbewegung zu den überhandnehmenden Rechtspopulisten in Europa ist schon lange überfällig. Mit Leisetreterei dringt niemand durch, weshalb rasche Populismusvorwürfe nicht weiterführen. Die Diskussion um Details ist differenziert zu führen, aber der Weckruf war bitter nötig. Die Europäische Union, die mir am Herzen liegt, muss (nicht im Sinne Herrn Camerons) von Grund auf neu gedacht werden, wenn sie nicht auseinanderfallen soll. Herr Giegold sollte sich lieber konstruktiv einbringen. statt bereits am Ansatz und den Initiatoren herumzumäkeln.

  • Wenn man sich überlegt, wie heftig die Partei des Sven Giegold (zusammen mit den anderen etablierten Parteien, ausgenommen Die LINKE) über die Einführung, Wiedereinführung oder versuchte Einführung von %-Hürden (Europawahl, Kommunalwahlen) Ausgrenzungspolitik gegenüber demokratischen Mitbewerbern betreibt, rollen sich einem bei seinem Verweis auf die Mehrheiten in Parlamenten doch die Nägel hoch.

    Parlamentarische Mehrheiten bilden ja keineswegs Mehrheiten in der Bevölkerung ab, dafür fallen aufgrund des Wahlrechts einfach zu viele Stimmen unter den Tisch und ein viel zu großer Teil der Bevölkerung hat den Versuch sowieso schon aufgegeben, seinen Willen durch Wahlteilnahme auszudrücken. Und da haben wir noch nicht über Parteienfinanzierung und den Einfluss der politischen Eliten auf die Medien gesprochen.

    Das ist - wie @MOWGLI - unten schreibt, eine ziemlich korrupte Nummer und man kann sich wirklich fragen, warum Giegold überhaupt noch gefragt wird.

  • Sicher ist der Auftritt von Herrn Varoufakis nicht frei von populistischen Zügen. Und sicher ist vieles an den zugespitzten Manifest dikutierbar und zu hinterfragen. Aber: es ist gut, dass sich engagierter Widerstand gegen die eingefahrene Topdown-Politik, die sich in der EU etabliert hat und die den Bürger oft außen vor läßt, regt.

    Sicher ist die Idee eines europäischen Verfassungskonvents zur Zeit nicht vertragskonform. Aber es schadet sicher nicht, diese Idee über nationale Initiativen, Parteien und Parlamente auf die Tagesordnung zu setzen.Herrn Giegolds Haltung ist da leider zu defensiv. Selbst er, der ja durchaus kompetent ist, scheint sich im Brüsseler Bett immer bequemer einzurichten.

    Da tun engagierte Weckrufe Not. Es ist gut, dass versucht wird, das Thema breit anzuschieben.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Ist Herr Varoufakis eigentlich geeignet, um eine soziale demokratische Bewegung anzuführen bzw. zu initiieren? Hat Varoufakis denn versucht, als Finanzminister die Vermögenden Griechenlands in die Pflicht zu nehmen? Den Klientelismus durch ein gerechteres Steuersystem aufzubrechen versucht? Also für eine höhere Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Vermögensabgabe plädiert?

    Eine ungeeignetere Person hätte sich die europäische Linke wohl kaum aussuchen können.

    Europa blickt momentan mit Erstaunen in die USA und auf Bernie Sanders.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Bitte vergessen Sie nicht, dass Herr Varoufakis nur wenige Monate im Amt war und in diesen einem permanenten Sperrfeuer aus Brüssel ausgesetzt war.

      Unsere Bundeskanzlerin hat in zehn Jahren ohne Gegenwind und mit satten Mehrheiten auch nicht ein gerechteres Steuersystem oder andere Grundsatzfragen entschieden.

  • Für Sven Giegold scheint auf "Populismus" ja tatsächlich die Höchststrafe zu stehen. Und zwar auch ohne dass der Mann sich klar zu sein scheint über den Inhalt seines Vorwurfes.

     

    Populismus ist nicht nur "geprägt von der Ablehnung von Eliten und Institutionen", sondern auch von Anti-Intellektualismus, einem scheinbar unpolitischen Auftreten, Personalisierung und Moralisierung. So weit ich derzeit sehe (das „Manifest selbst zu verlinken, hat die taz leider für unnötig gehalten) hat Varoufakis also schlimmstenfalls ein Fünftel der ihm vorgeworfenen "Straftat" begangen. Vermutlich nicht mal das. Denn er hat seine Vorwürfe ja nicht gegen "die Eliten" als solche gerichtet, sondern nur gegen "kurzsichtige[] Politiker, ökonomisch naive[] Beamte[] und in Finanzdingen inkompetente[] ‚Experten‘", die sich "sklavisch den Beschlüssen der Finanz- und Industriekonzerne [unterwerfen], [...] die Europäer einander [entfremden] und […] eine gefährliche europafeindliche Stimmung [schüren)." Er greift also nur solche Leute an, die ihrer Führungs-Aufgabe erkennbar nicht gerecht werden im Sinne der europäischen Sache - und die sich trotzdem nicht freiwillig vom Acker machen.

     

    Sollte Sven Giegold glauben, damit wäre er selbst oder einer bzw. mehrere seiner Freunde betroffen und er somit "klageberechtigt", kann er mir eigentlich nur leid tun. Was hat der Mann für ein Selbstbild? Was hat er für Freunde?

     

    Klar wird eigentlich nur eins: Sven Giegold möchte lieber auf der Seite einer eitlen, gierigen, korrupten, unfähigen und vermutlich auch noch feigen aber immerhin gewählten Elite stehen, als auf der Seite des "einfachen Volkes", dem er erkennbar nur das Schlimmste zutraut. Schön, dass nun wenigstens das klar ist.

    • @mowgli:

      Zitat: "Klar wird eigentlich nur eins: Sven Giegold möchte lieber auf der Seite einer eitlen, gierigen, korrupten, unfähigen und vermutlich auch noch feigen aber immerhin gewählten Elite stehen, als auf der Seite des "einfachen Volkes", dem er erkennbar nur das Schlimmste zutraut. Schön, dass nun wenigstens das klar ist."

      Mein Erlebnis zum elitären & feigen Gehabe: Vor Jahren wurde ich per E-Mail von leider nun verstorbenen Herrmann SCHEER zur Gründungsversammlung des Institut Solidarische Moderne am 31.01.2010, in Berlin in einem Parlamentsgebäude unter den Linden eingeladen. Auf dem Flur vor dem Versammlungsraum hörte ich ihn direkt neben mir die Dame von der Einlastkontrolle sehr grob anherrschen, was sie den für komische Leute rein ließe. Ich drehte mich wortlos zu ihm und hielt ihm das E-mail von Herrmann Scheer einfach unter die Nase. Er lass und gab es mir wütend aber ohne Worte wider zurück, drehte sich auf den Hacken um und verschwand im Versammlungsraum... Die ISM wurde dennoch gegründet... ;-)

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Befragt doch mal Raul Zelik oder (die euch wohl genehmere) Katja Kipping, warum sie sich hier engagieren.

  • Der Giegold schon wieder, diese "kritische Stimme" wird leider durch sämtliche Medien gereicht... aber inhaltlich hat Giegold unrecht. Es hat nichts mit demokratischer Legitimation zu tun, wenn nationale oder europäische Parlamente aus Klubzwang oder im Auftrag der Lobbyisten irgendwelche Verträge durchwinken. Dafür wurden sie nämlich ganz bestimmt nicht gewählt.

  • "Doch die Blumenkinder, wer konnte das ahnen

    Gingen den Weg aller Bananen

    Heute grün und morgen gelb und übermorgen schwarz"

    Marc Uwe Kling

    weiß auch nicht warum mir das jetzt in den Kopf gekommen ist aber jetzt habe ich einen Ohrwurm ;)

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Alerta!:

      Meine Bananen werden nicht schwarz, die werden GELB VERSPEIST!

       

      Trotzdem, klar, netter Text.

  • Was ist nur aus den Grünen geworden? Staatstragend bis zur Selbstverleugnung.

    Populismus igitt.

    Also wenn es Populismus ist, gute Ideen in markige Forderungen zu verpacken, dann gute Nacht. So etwas nennt man Publicity, so erreicht man die Öffentlichkeit.

    Wenn es nur noch um Bedenken an den Bedenken geht, bleiben wir stehen.