Kritik an Konzert von Conchita Wurst: Zu viel Vielfalt im Europaparlament?
Conchita Wurst soll ein Konzert vor dem Europaparlament geben, um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen. Die AfD findet das „überflüssig“.
OSCHERSLEBEN taz | In knapp drei Wochen soll Conchita Wurst vor dem Europäischen Parlament in Brüssel auftreten. Das Konzert der Gewinnerin des diesjährigen Eurovison-Songcontests soll ein „Zeichen für Offenheit und Nicht-Diskriminierung“ sein – so wollte es die Grüne/EAF-Fraktion im Europaparlament. „Dass die Menschen in Europa ihre Stimme Conchita Wurst gegeben haben, muss von der Politik in der EU und den Mitgliedsstaaten in gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für ein Leben und Lieben ohne Angst für alle umgesetzt werden“, sagt Ulrike Lunacek, Grünen-Abgeordnete und Vize-Präsidentin des Parlaments. Conchitas „Rise Like a Phoenix“ würde diesem Auftrag zu neuem Schwung verhelfen.
Ganz in Wallung ist bereits die Europaabgeordnete Beatrix von Storch von der Alternative für Deutschland (AfD). Den geplanten Auftritt der Travestiekünstlerin am 8. Oktober auf der Esplanade Solidarnosc vor dem EP hält die Ultrakonservative für „bestenfalls überflüssig“.
Die Debatten im Europarlament, so die 43-Jährige, sollten sich nicht „laufend um unsere vielfältige Sexualität (...) drehen“. Die Aufmerksamkeit müsse sich stattdessen auf die verfolgten und ermordeten Menschen im Irak und Syrien richten, forderte sie in der neu-rechten Wochenzeitung Junge Freiheit, die immer mehr zum Sprachrohr der AfD wird.
Weiter sagte die vehemente Gegnerin des Gendermainstreamings, deren homophobe Aussagen selbst in ihrer Partei anecken: „Die Mittel und die Energie des Parlamentes werden mit Auftritten wie denen dieser sich selbst ja so bezeichnenden Wurst verschwendet“. Der Bitte der taz um einen Stellungnahme kam von Storch nicht nach.
„Lobbyistin gegen Frauenrechte“
Mit ihrer Kritik ist von Storch nicht allein. Auch Herbert Reul, Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, sagt: „Ich begreife nicht ganz, wie damit der europäischen Sache gedient sein soll“. Die Abgeordneten hätten Wichtigeres zu tun. Um das Konzert will er aber keinen großen Wirbel machen. „Es gibt sicherlich Schlimmeres“, sagte er dem Handelsblatt.
„Die Kritik von konservativer und rechtsextremer Seite überrascht mich nicht", sagt Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament, die das Konzert mitträgt. Frau von Storch kenne sie als „Lobbyistin gegen Frauenrechte und Gleichstellungsbemühungen“.
Auch Jan Philipp Albrecht, innen- und justizpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, ist nicht überrascht: „Mit ihren Äußerungen schürt Beatrix von Storch erneut Ängste“, sagte er der taz. Damit zeige sich, wie tief eine menschenfeindliche Ideologie in der AfD verankert sei.
Wurst selbst freut sich über die Einladung: „Wenn man sich für mehr Liebe, Respekt und Toleranz einsetzt, kann man nur ein Teil einer viel größeren Bewegung sein“ – auch weil diese Bewegung „leider von manchen Kräften bekämpft wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt