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Kritik an Hamburger KlimainitiativeGegner des Klimaentscheids wachen auf

Im kommenden Jahr werden Ham­bur­ge­r*in­nen wohl über ein schärferes Klimagesetz abstimmen. Nun warnt die Wohnungswirtschaft vor steigenden Mieten.

Die Klimakrise wird auch Hamburg bedrohen, nur: Sorgt strenge Klimapolitik für teure Mieten? Foto: Markus Matzel/dpa

Hamburg taz | Der Erfolg des Hamburger Zukunftsentscheids zum Klimaschutz hat Kri­ti­ke­r*in­nen auf den Plan gerufen. Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem vor allem Genossenschaften und öffentliche Unternehmen organisiert sind, warnte vor untragbaren Mehrkosten. Mit ihren Vorstellungen sei die Initiative auf dem Holzweg. Die SPD, Teil der rot-grünen Koalition im Stadtstaat, warf der Initiative vor, sie habe sich zu wenig Gedanken über die Umsetzung ihrer Forderungen gemacht.

Mit ihrem Volksbegehren für Klimaneutralität bis 2040 war die Initiative Zukunftsentscheid auf großen Zuspruch gestoßen. Binnen drei Wochen sammelten ihre Ak­ti­vis­t*in­nen 106.000 Unterstützer*innen-Unterschriften. Um einen Volksentscheid zu erzwingen, reichen schon rund 66.000.

Die Initiative fordert vom Senat und von der Bürgerschaft eine ehrgeizigere Klimapolitik: Statt 2045 solle Hamburg schon 2040 klimaneutral werden. Um das zu erreichen, sollen alle Ressorts auf Sektorziele verpflichtet werden, deren Einhaltung jährlich überprüft wird.

Vor allem der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) kritisiert die Initiative als idealistisch und unrealistisch. Schon das geltende Ziel, die Stadt bis 2045 klimaneutral zu machen, das heißt ihren Netto-Ausstoß an Treibhausgasen auf Null zu senken, sei schwer zu erreichen.

Die Frage der Ressourcen

Der VNW kritisierte, die Kosten würden erheblich steigen, sollten die gleichen Maßnahmen in einer kürzeren Zeitspanne umgesetzt werden müssen. Die konzentrierte Nachfrage werde die Preise für Material und Arbeit steigen lassen – ganz abgesehen von der Frage, ob es überhaupt genug Ressourcen dafür gäbe. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf äußerte die Befürchtung, dass die Mieten drastisch steigen könnten.

Der Mieterverein zu Hamburg, der den Zukunftsentscheid unterstützt, wies die Kritik entschieden zurück: Es stiegen ja nicht die Gesamtkosten, sondern sie würden lediglich auf einen kürzeren Zeitraum verteilt. „Der Geldbetrag, den wir für die Erreichung des Ziels 2040 aufbringen müssen, ist gleich hoch, wie wenn wir ihn bis 2045 ausgeben.“, sagt Rolf Bosse, der Vorsitzende des Mietervereins.

Um zu verhindern, dass die Kosten letztlich bei den Mie­te­r*in­nen hängen bleiben, schlägt Bosse vor, die Kosten durch eine Drittel-Teilung gleichmäßig auf die öffentliche Hand, Ver­mie­te­r*in­nen und Mie­te­r*in­nen aufzuteilen.

Er betonte jedoch, dass ein erheblicher Teil der Investitionskosten aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen Erhaltungs- und Instandsetzungskosten sind, die ohnehin von den Ver­mie­ter*in­nen getragen werden müssten und nicht umgelegt werden könnten. Außerdem würde die Steigerung der Mieten durch gesparte Heizkosten etwa infolge besserer Dämmung ausgeglichen.

Es wird dem Klimaschutz nicht gedient sein, wenn man das gleiche immer mehr macht

Petra Memmler, Geschäftsführerin VNW

Der VNW kritisiert, die Instrumente des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes würden bei einer Umsetzung des Klimaentscheids die gleichen bleiben. Der Maßnahmenkatalog würde nicht angepasst. „Es wird dem Klimaschutz nicht gedient sein, wenn man das gleiche, was man seit 20 Jahren macht, immer mehr und immer schneller macht“, sagt VNW-Geschäftsführerin Petra Memmler. Die Initiative laufe mit ihren Forderungen daher in die falsche Richtung.

Der VNW kritisiert, die Klimaschutzanstrengungen der vergangenen Jahre hätten ein schlechte Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Ausgaben für Energieeffizienzmaßnahmen seien von 2011 bis 2022 um 40 Prozent gestiegen, der Energieverbrauch sei dabei jedoch stagniert. Daran zeige sich, dass diese Maßnahmen für den Klimaschutz nichts gebracht hätten.

Der Mieterverein schlägt vor, die Wohnungen mit regenerativer Energie zu versorgen, statt immer weiter zu dämmen. Klimaschutz funktioniere „auch mit moderater Dämmung, aber regenerativer Energieversorgung“, sagt.

Der VNW kann da mitgehen, weist aber darauf hin, dass noch nicht genügend regenerative Energie zur Verfügung steht. Der Verband bezweifelt zudem, dass, wie vom Zukunftsentscheid gefordert, jährlich Emissionsbilanzen erstellt und mit Sofortmaßnahmen verbunden werden können. „Durch ein politisches Bekenntnis würde noch nichts umgesetzt“, sagt VNW-Geschäftsführerin Memmler. Die Ziele seien „Wunschdenken“.

Der Mieterverein setzt Optimismus dagegen. Zur Erreichung der Klimaziele müsse ein gemeinsamer Plan entwickelt werden, der von allen Akteuren unterstützt wird. Man müsse die Kosten gemeinsam übernehmen. „Es braucht Commitment“, sagt Bosse. Er erinnert daran, dass über das Volksbegehren verhandelt werden könne. „Der Ball liegt bei der Politik“, sagt der Vorsitzende des Mietervereins.

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2 Kommentare

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  • Warnung vor steigenden Mieten - na sowas.



    Wann wird endlich mal vor "Amen" hinter dem Gebet gewarnt?

  • "Um zu verhindern, dass die Kosten letztlich bei den Mie­te­r*in­nen hängen bleiben, schlägt Bosse vor, die Kosten durch eine Drittel-Teilung gleichmäßig auf die öffentliche Hand, Ver­mie­te­r*in­nen und Mie­te­r*in­nen aufzuteilen." Was ist denn das für ein Mieterverein? Die Forderung bedeutet, dass ein Drittel der Kosten direkt bei den Mietern hängen bleibt und ein weiteres Drittel indirekt, weil die Vermieter das auf sie entfallende Drittel natürlich bei Neuvermietungen in die Mieten einpreisen werden.

    Und die Annahme, dass Kosten gleich blieben, wenn man sie auf einen kürzeren Zeitraum verteilt, ist bei vielen Mietverhältnissen eine Milchmädchenrechnung; man zahlt erst einmal mehr für dieselbe Wohnung, und wenn man dann umziehen muss, kann man sich als Mieter "freuen", dass man die Mehrkosten, die für die Wohnung sonst erst in den Jahren nach dem Auszug angefallen wären, schon gezahlt hat.