Kritik an Corona-Hilfsprogramm der EU: Too little, too late

Die EU-Kommission stellt bis zu 25 Milliarden Euro gegen Corona zur Verfügung. Viel zu wenig gegen das Virus, sagen Kritiker.

Das Kolosseum spiegeltsich in einer Pfütze, eine Atemschutzmaske liegt auf dem Kopfsteinpflaster

Eine verlorene Atemschutzmaske vor dem Kolosseum in Rom Foto: Alfredo Falcone/ap

BRÜSSEL taz | Es erinnert an die schlimmsten Zeiten der Eurokrise: In einer hektisch anberaumten Videokonferenz haben die 27 Staats- und Regierungschefs der EU das erste europaweite Hilfsprogramm gegen die Coronavirus-Krise zusammengezimmert. Der Panikmodus, auf den vor allem Frankreich und Italien gedrängt hatten, scheint geholfen zu haben.

Plötzlich ist nicht nur Geld da – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach bis zu 25 Milliarden Euro zur Stützung von strauchelnden Unternehmen. Nun soll auch endlich gemeinsam medizinische Schutzausrüstung beschafft werden – bisher scheiterte das an nationalen Beschränkungen, etwa in Deutschland und Frankreich.

Von der Leyen will auch die „Geisterflüge“ mit halbleeren Flugzeugen abstellen, die durch absurde EU-Regeln begünstigt wurden. Zudem soll es künftig tägliche Krisenrunden mit allen betroffenen Gesundheitsministern geben – per Telefon. Bisher hatten sie sich zweimal in Brüssel getroffen, ohne irgendetwas zu beschließen.

Für Brüsseler Verhältnisse legt die EU nun ein enormes Tempo vor. Doch aus Sicht vieler Politiker und Ökonomen ist das immer noch nicht genug. Die angekündigten 25 Milliarden Euro seien kein frisches Geld, sondern würden vom ohnehin knappen EU-Budget abgeknapst, kritisiert etwa der grüne EU-Haushaltsexperte Rasmus Andresen.

USA diskutieren über 700 Milliarden Dollar

Zudem sind 25 Milliarden wenig im Vergleich zu dem, was aktuell in den USA diskutiert wird. In Washington ist von Steuererleichterungen von bis zu 700 Milliarden Dollar die Rede, die US-Notenbank hat bereits die Zinsen gesenkt. Demgegenüber wartet die Europäische Zentralbank weiter ab; der Nullzins lässt ihr nicht viel Spielraum.

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Auch die EU-Finanzminister sind noch nicht aktiv geworden. Sie wollen sich erst in der kommenden Woche in Brüssel treffen, um über „fiskalische Maßnahmen“ – also Steuererleichterungen, Investitions- und Konjunkturprogramme – zu sprechen. Frankreich und Italien fordern ein Ende des Sparkurses, doch Deutschland steht auf der Bremse.

Kritik gibt es auch daran, dass die EU zwar erstmals koordiniert auf die Krise reagieren will, jedoch keine spezifischen Hilfsprogramme für das besonders betroffene Italien angekündigt hat. Italien brauche wahrscheinlich europäische Hilfen, etwa aus dem Euro-Rettungsfonds ESM, sagte der deutsche Ökonom Peter Bofinger.

Defizitregeln flexibler auslegen

Die Regierung in Rom habe wegen der hohen Verschuldung im Land nur begrenzte Möglichkeiten, so Bofinger. Europa könne sich keine währungspolitische Krise zusätzlich zur Corona-Epidemie erlauben. Bisher hat die EU nur angekündigt, die strikten Defizitregeln für den Euro flexibel auslegen zu wollen. Doch das dürfte kaum reichen.

Frustriert weist Italiens EU-Botschafter Maurizio Massar darauf hin, dass China seinem Land mit praktischer Hilfe beisteht, aus Brüssel jedoch nichts komme. So hat Peking zwei Millionen Schutzmasken und 100.000 Atemgeräte versprochen – kostenlos. Rom hatte auch die europäischen Partner um Hilfe gerufen, doch keine Antwort erhalten.

Tatsächlich wurden größere Entscheidungen – etwa über ein Konjunkturprogramm – auf den nächsten EU-Gipfel Ende März verschoben. Frankreich wollte sofort handeln, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel blockierte. Norbert Röttgen, Bewerber auf den CDU-Vorsitz, hält das für einen Fehler: „Für die Menschen und die Wirtschaft ist das zu spät.“

Man kann es auch mit einem Slogan aus der Eurokrise zusammenfassen: „Too little, too late.“ Die EU unternehme zu wenig, und sie handele zu spät, so die Kritiker. Merkel muss sich warm anziehen, wenn sie zum EU-Gipfel nach Brüssel kommt. Oder wird es wieder eine Videokonferenz – aus Angst vor dem Coronavirus?

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