Kritik an Brückenneubau ohne Tram: Für Autos ist mal wieder Geld da
Der Fahrgastverband IGEB kritisiert einen Brückenneubau ohne Platz für Straßenbahnen. Jarasch: An dieser Stelle wird die Tram wohl nicht mehr fahren.
Der Berliner Fahrgastverband IGEB ist sauer auf den Senat: Bei einem anstehenden Brückenneubau in Treptow-Köpenick habe es die Landesregierung mal wieder „versäumt, die Weichen für seine viel beschworene Verkehrswende rechtzeitig zu stellen“, teilte der Verein am Montag mit. Es ärgere ihn „maßlos“, so der stellvertretende Vorsitzende Jens Wieseke gegenüber der taz, dass die letzte Verkehrsverwaltung unter Regine Günther (Grüne) die Chance vergeben habe, über die Marggraffbrücke auf der B96a wieder Straßenbahnen fahren zu lassen.
Es geht um eine Stahlbetonbrücke von 1963, die mittlerweile wie viele andere solcher Bauwerke aus dieser Zeit marode ist und neu gebaut werden muss. Das soll laut dem Bauträger, dem bundeseigenen Wasserstraßen-Neubauamt (WNA), offenbar ab Herbst geschehen, die europaweite Ausschreibung startet im Februar. Wie bekannt wurde, wird der Neubau keinen Platz mehr für Tramgleise bieten. Bis in die 70er Jahre fuhr hier noch die Straßenbahn.
Was die IGEB auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass gemäß dem Nahverkehrsplan 2019–2023 ab 2035 eine Tram vom Potsdamer Platz in Mitte bis nach Schöneweide fahren soll – und diese Strecke, die im nördlichen Teil der heutigen Buslinie M41 über Urbanstraße und Sonnenallee entspräche, bedürfte weiter südlich eben der Marggraffbrücke. Aber Senatorin Günther habe es „anscheinend nicht für nötig“ gehalten, „alle Bauvorhaben auf den Straßenbahntrassen des ÖPNV-Bedarfsplanes auf den Prüfstand zu stellen und auf weitsichtige Vorratsbauten hinzuwirken“, heißt es in der Mitteilung.
Berlin zahlt mit
Hinzu komme, dass der Senat beim WNA einen besseren Anschluss von der B96a stadtauswärts über die Minna-Todenhagen-Brücke in Richtung Oberschöneweide und Karlshorst bestellt habe – dabei solle der Kfz-Verkehr doch eigentlich möglichst über die westlich verlaufende A113 rollen. Und aufgrund dieser Zusatzplanung müsse sich das Land an den Neubaukosten der Marggraffbrücke beteiligen. Fazit IGEB: „Für eine fragwürdige Maßnahme zugunsten des Autoverkehrs hat Berlin also Geld, für die Straßenbahn nicht.“
Der Fahrgastverband fordert die Verkehrsverwaltung unter Günthers Nachfolgerin Bettina Jarasch nun auf, Einfluss auf den Bund zu nehmen, damit der Brückenneubau am Ende doch noch Platz für die Tram frei hält. Jarasch teilt jedoch auf taz-Anfrage mit: „Die Möglichkeit einer Straßenbahnführung über die Marggraffbrücke hat sich mit dem bevorstehenden Ersatzneubau des Bundes voraussichtlich erledigt.“
Hintergrund ist die bereits vergangene Vorlaufzeit: Das Wasserstraßen-Neubauamt hatte bereits 2015 mit Planungen für einen Ersatz der Marggrafbrücke begonnen. „Die Straßenbahn vom Potsdamer Platz bis Schöneweide muss und wird dennoch kommen“, macht die Senatorin den Tramfans Mut: „Aufgabe für unsere Planungen ist es in den kommenden Jahren, die beste Trasse zu finden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste