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Kritik an Antisemitismusbeauftragtem„Er scheint uns feindlich gesinnt“

Soll Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel eine zweite Amtszeit bekommen? Nicht, wenn es nach der Liberalen Jüdischen Gemeinde geht.

April 2021: Hinter Stefan Hensel stehen Philipp Stricharz (Jüdische Gemeinde) und Galina Jarkova (Liberale Jüdische Gemeinde) Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Am Anfang herrschte Einigkeit. Es war unter dem Eindruck des antisemitischen Attentats auf die Synagoge im sachsen-anhaltinischen Halle, dass sich im Herbst 2019 in der Hamburgischen Bürgerschaft eine breite Mehrheit dafür fand, das jüdische Leben in der Stadt zu fördern, aber auch dem Antisemitismus „entschlossen“ entgegenzutreten: Einen entsprechenden Antrag stellten damals SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP.

Vorgesehen waren darin auch die Einrichtung eines runden Tisches zum Thema sowie die „zeitnahe“ Schaffung des Postens eines Antisemitismusbeauftragten. Zum Monatsende endet nun dessen erste Amtszeit – und Hamburgs liberale Jüdinnen und Juden nehmen das zum Anlass für Kritik: an der derzeitigen Besetzung des Postens, aber auch an dessen Zuschnitt.

Erst nach längerer Suche hatte man die neue Funktion seinerzeit auch besetzen können: Am 1. Juli 2021 trat Stefan Hensel das Ehrenamt an – präsentiert wurde der 1980 im mecklenburgischen Wismar geborene Päda­goge und Geschäftsführer eines Bildungsträgers damals von der Zweiten Bürgermeisterin sowie Wissenschaftssenatorin Katharina Fege­bank (Grüne). Aber auch vom Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Philipp ­Stricharz – und der Vorsitzenden der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Galina Jarkova. Diese wünschte Hensel „viel Erfolg und hofft auf ein stets offenes Ohr. Er hat unser Vertrauen, und wir freuen uns auf das gedeihliche Miteinander.“ Jüngsten Äußerungen liberaler Jüdinnen und Juden nach scheint davon nur wenig übrig zu sein.

„Es ist so, dass wir schon kurz nach der offiziellen Benennung von Stefan Hensel im Amt des Antisemitismusbeauftragten verwundert waren über seine Haltung“: Das sagte jetzt Eike Steinig der taz, Zweiter Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde. Hensel „fühlt sich der anderen Gemeinde zugehörig“, also der größeren, orthodox dominierten. Die Folge sei „eine Befangenheit zu unseren Ungunsten“, sagt Steinig, der gar mutmaßt, dass Hensel „uns feindlich gesinnt zu sein scheint“.

Bremen will nicht

Antisemitismusbeauftragte gibt es derzeit im Bund sowie in 15 Bundesländern.

Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben den Posten im November 2019 besetzt, hier wie dort handelt es sich um ein Ehrenamt.

In Schleswig-Holstein wurde die Stelle zum März 2020 eingerichtet. Zweiter Amtsinhaber ist seit Oktober 2022 der ehemalige Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich.

Einzig Bremen hat diesen Posten nicht eingerichtet. Das aber geschieht in Kenntnis und mit Zustimmung der dortigen Jüdischen Gemeinde

Mit Hensel als reinem Antisemitismusbeauftragten hätte man dabei nicht unbedingt ein Problem, sagt Steinig auch. Aber er sei halt zugleich Hamburgs Beauftragter für jüdisches Leben. Und der könne die Liberalen nicht einfach ignorieren. „Es gibt zwischen 7.000 und 10.000 jüdische Menschen in der Stadt“, sagt Steinig. „Die Jüdische Gemeinde vertritt einen Teil, wir vertreten den anderen.“ Zusammen kommen beide Hamburger Gemeinden auf derzeit nicht mal 3.000 Mitglieder: Knapp 2.400 hat derzeit die Jüdische Gemeinde, 340 die Liberale.

Dem Angebot, die Vorwürfe zu kommentieren, kam Hensel bis Redaktionsschluss dieser taz-Ausgabe nicht nach. Bei der Vorstellung einer Dunkelfeldstudie zu antisemitischen Vorfällen im Juni 2023 hatte er allerdings gesagt, dass die größere Jüdische Gemeinde „der größte Player in der Stadt“ sei und das gesamte Spektrum des Judentums abdecke. In der Tat sieht sich die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Jüdische Gemeinde als „Einheitsgemeinde“ mit Platz auch für Reformierte.

Bei Hensels Kür war die kleinere Liberale Gemeinde mit Vorschlagsrecht bedacht worden – hinter etwaigen theologischen oder schlicht verwaltungsrechtlichen Feinheiten hatte sich die Stadt also nicht verschanzt. Ungleichbehandlung beklagten die Liberalen danach aber durchaus. So lindert das andere 2019 groß angekündigte Projekt für sichtbares jüdisches Leben einzig eine Not der größeren Jüdischen Gemeinde: Nur sie wird ja die neue Synagoge auf dem ehemaligen Hamburger Bornplatz nutzen.

Auf die Frage, wie optimistisch er sei, reagiert Steinig verhalten. Die Stadt hat der Hamburger Morgenpost gegenüber aufs laufende Verfahren verwiesen und erklärt: Wenn nötig, mache Hensel halt erst mal weiter, kommissarisch. Dagegen – und ein wenig wohl auch als Provokation gedacht – hat sich nun Steinig selbst um den Beauftragten-Posten beworben.

Aber eigentlich werben die ­Liberalen für den Umbau des Postens: Steinig findet, der Kampf gegen Antisemitismus und die Stärkung jüdischen Lebens sollte von zwei verschiedenen Menschen betrieben werden. Und diese Funktionen klarer definiert werden in Aufgaben und Freiheiten. „Anfang Juni haben wir uns nochmals an die Bürgerschaft gewandt und sämtliche religionspolitischen Sprecher zur Nachbesserung des gesamten Verfahrens aufgefordert“, so Steinig.

Eigentlich sieht er aber Hamburgs Ersten Bürgermeister, Peter Tschen­tscher (SPD), in der Pflicht, „das Projekt zur Chefsache zu machen“, so Steinig: Der habe 2019 versprochen, das Judentum zu fördern – in seiner „Gesamtheit“ und „Vielfalt“.

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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ist Hensel nicht auch zum Judentum konvertiert und hat sich danach so geäußert, als trüge er nun auch das Trauma der europäischen Juden in sich?



    Unvergessen jedenfalls sein Beef mit dem südafrikanischen jüdischen Künstler Adam Broomberg, dem er (Überraschung) wegen seiner Unterstützung für Palästina Nähe zu Terror vorwarf.

    • @Fabian Lang:

      um vom Holocaust traumatisierten zu sein, muss man nicht zum Judentum konvertiert sein.