Kritik am UN-Menschenrechtsrat: Pyromanen als Feuerwehrleute
Der UN-Menschenrechtsrat bekommt Zuwachs. Darunter fünf Staaten, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Ein Skandal, findet Hillel Neuer, der die Vereinten Nationen für die Nichtregierungsorganisation UN Watch kritisch beobachtet. Denn die genannten fünf Länder verletzten die Menschenrechte ihrer eigenen Bürger auf systematische Weise und behinderten immer wieder Bemühungen der UN, Menschenrechte dort und anderswo zu schützen. Dies werden sie in den kommenden drei Jahren auch im Menschenrechtsrat tun, befürchtet Neuer. „Katar, Kamerun oder Kasachstan über Menschenrechte wachen zu lassen, das ist so, als ob man einen Pyromanen zum Feuerwehrchef ernennen würde.“
In Kamerun etwa herrscht Präsident Paul Biya in seiner siebten Amtszeit. Kritiker lässt sein Regime einem Bericht des US State Departments zufolge verschwinden, andere werden umgebracht, gefoltert oder eingekerkert. Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, freie Wahlen gar oder eine unabhängige Justiz gibt es nicht.
Das wiedergewählte Eritrea weigert sich, einen vom Menschenrechtsrat benannten Sonderberichterstatter ins Land zu lassen, der den Vorwürfen massiver Menschenrechtsverletzungen im Land am Horn von Afrika nachgehen soll. Resolutionen gegen Menschenrechtsverletzungen in Syrien, Belarus, Venezuela oder dem Iran lehnte Eritrea ab.
Und in Kasachstan berichtet Amnesty International über systematische Folter, exzessive Gewalt und massive Einschränkungen der Pressefreiheit. Schwer vorstellbar, dass solche Staaten zur allgemeinen Achtung des Schutzes aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle beitragen, wie es in der Gründungsresolution von 2006 heißt.
Und die Zahl der Autokratien im Menschenrechtsrat steigt stetig an, wie Hillel Neuer beklagt. Nur fünf der 18 neugewählten Staaten im Menschenrechtsrat bezeichnet er als geeignet für ihren Posten. Von den 47 Staaten, die insgesamt im Menschenrechtsrat sitzen – je ein Drittel wird jährlich neu bestimmt – sei nicht einmal jeder dritte eine Demokratie. Zu ihnen zählen Deutschland und ab 2022 auch wieder die USA, die das Gremium 2018 verlassen hatten – mit dem Argument, dass zu viele Menschenrechtsverletzer im Rat säßen. Die Regierung Biden hat angekündigt, den Wahlmechanismus verändern zu wollen.
Doch das dürfte schwierig werden. Bisher bestimmen die fünf grob nach Kontinenten sortierten Regionalgruppen ihre Kandidaten selber. Dabei werde von mächtigeren Staaten oft erheblicher Druck ausgeübt, beobachtet Olaf Wientzek von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Genf. „Selbst mächtige Staaten wie China nehmen den Menschenrechtsrat nämlich sehr ernst.“
An eine schnelle Veränderung des Wahlsystems glaubt Wientzek nicht. Um der UN-Vollversammlung eine echte Wahl zu ermöglichen, müsse erst die Basis geschaffen werden. Demokratische Staaten in allen Regionen müssten motiviert langfristig aufgebaut und mit den nötigen Ressourcen für die Arbeit im Menschenrechtsrat ausgestattet werden, so Wientzek. Nur so könne es gelingen, Autokratien im Menschenrechtsrat zurückzudrängen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier