piwik no script img

Kritik am Entlastungspaket des BundesViel zu wenig für zu viele

Das Entlastungspaket des Bundes sorgt für scharfe Kritik in Berlin. Die Inflation zehre das meiste wieder auf, warnt die Caritas.

Wird in der Inflation zum Luxusprodukt: Die Butter auf dem (auch nicht billigen) Brot Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa | Patrick Pleul

Berlin taz | Das dritte Entlastungspaket des Bundes stößt in der Berliner Landespolitik und bei Sozialverbänden auf geteiltes Echo. „Es geht gezielt an die ran, für die ein harter Winter an die Substanz geht. Das ist richtig. Gießkannenpolitik sieht anders aus“, twitterte Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel. Allerdings, sagte sie auf taz-Nachfrage, müsse man als rot-grün-rote Koalition in Berlin „jetzt gezielt schauen, wer trotzdem in die Armut rutscht“. Wo der Bund „Lücken“ gelassen habe, müsse das Land sie nun schließen: „Wir ackern daran, dass niemand im Gaskrisenwinter runterrutscht.“

Eine Aufstockung des bisher 380 Millionen Euro schweren Härtefallfonds des Landes, der vor allem Menschen mit geringem Einkommen, aber auch soziale Träger bei den steigenden Energiepreisen im Winter helfen soll, hatten die Spitzen von SPD, Grünen und Linke bereits Ende August beschlossen. Strittig innerhalb der Koalition ist aber noch, um wie viel nachgesteuert werden soll.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh drängt auf 1 Milliarde Euro; die Grünen – zuvorderst ihr Finanzsenator Daniel Wesener – sind da bisher deutlich zurückhaltender. Nicht zuletzt hatte man auch erstmal darauf gewartet, was der Bund am Wochenende noch beschließen würde.

Durchaus unzufrieden mit dem Ergebnis zeigte sich Linken-Sozialsenatorin Katja Kipping: „Schon vor der Explosion der Energiepreise hätten die Hartz-IV-Sätze um 200 Euro im Monat höher ausfallen müssen“, sagte Kipping. Nun komme lediglich eine Erhöhung um 50 Euro, wenn ab Januar das neue Bürgergeld die alten Hartz-IV-Regelsätze ersetzt. „Armutsfeste Sozialleistung geht anders. Das Entlastungspaket enttäuscht“, kritisierte Kipping.

„Die wesentlichen Eckpfeiler dieses Entlastungspakets sind unzureichend“, sagt auch Kai-Gerrit Venske, bei der Berliner Caritas unter anderem für Wohnungslosenhilfe und Existenzsicherung zuständig. „Der neue Regelsatz für Sozialhilfeempfänger ist immer noch zu viel zu knapp bemessen – das zehrt die Inflation sofort auf.“

Die Lebensmittelpreise sind im August laut Landesamt für Statistik im Vergleich zum Vormonat um 18 Prozent gestiegen, insbesondere Butter und Sonnenblumenöl sind teuer geworden. Die Abschläge für Heizöl und Gas stiegen im Durchschnitt um das Doppelte, so die Statistiker.

„Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel müsste abgesenkt werden“, fordert Venske von der Caritas. In die Suppenküche des Franziskaner-Klosters in Pankow zum Beispiel kämen nun zunehmend auch Menschen, die sich vorher noch selbst versorgen könnten. Diese Beobachtung machen auch andere Sozialverbände und die Berliner Tafel seit Wochen öffentlich.

Überlastete Sozialberatungen

Wichtig sei auch, sagt Venske, die zunehmend überlasteten Anlaufstellen in der Krise weiter auszubauen: In den unabhängigen Beratungsstellen der Caritas finanziere das Land rund 1,5 Stellen pro Bezirk, sagt Venske. Damit könne man kaum etwas bewirken.

Für Montagabend hat die Linke bundesweit zu einer Demo nach Leipzig mobilisiert; deren Motto: „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein!“ Dass es, trotz Entlastungspaket, ein heißer Herbst bleiben wird, glaubt auch die Berliner Linken-Landeschefin Katina Schubert: „Es gibt ein paar vernünftige Ansätze, etwa die Anhebung und Ausweitung beim Wohngeld – aber insgesamt reicht das nicht“, sagt sie der taz am Montag.

In zwei Wochen werde man nun in der rot-grün-roten Koalition sehr genau schauen müssen, „wo wir nachsteuern müssen“. Konkret nannte Schubert einen „Sozialstromrabatt“ als Möglichkeit – eine Art Strom-Sozialtarif für Menschen mit geringem Einkommen. Staatliche Beihilfe zu den Stromkosten gibt es bisher für Hartz-IV-Empfänger*innen, anders als bei den Heizkosten, nicht. Unklar ist auch noch, wie die geplante Strompreisbremse des Bundes finanziert werden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare