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Krise in der UkraineDecken oder Drohnen?

Deutsche Hilfsgüter haben die Ukraine erreicht. Gemeinsam mit Frankreich denkt die Bundesregierung auch über militärische Unterstützung nach.

Deutscher Hilfskonvoi an einer ukrainischen Kontrollstation. Bild: dpa

BERLIN/KIEW dpa | Ein Konvoi mit deutschen Hilfsgütern ist in der Ukraine eingetroffen. Die 112 Lastwagen überquerten am Dienstag die polnisch-ukrainische Grenze bei Jagodyn. Das bestätigte eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums vor Ort. Die Lastwagen sind unter anderem mit Heizgeräten, Generatoren, Decken, Wohncontainern und Winterkleidung beladen.

Die Hilfsgüter für die Vertriebenen werden zunächst unweit von Kiew zwischengelagert. In den nächsten Tagen sollen sie dann durch lokal gekaufte Produkte ergänzt werden. Anschließend wird die Hilfe mit rund 200 ukrainischen Lastwagen nach Charkow, Slawjansk, Mariupol, Saporoschje und Dnjepropetrowsk im Osten des Landes gebracht. Die ukrainische Regierung hatte der Bundesregierung zuvor sehr detailliert mitgeteilt, welche Baumaterialien und Hilfsgüter im Osten gebraucht werden.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will einen Teil der Lieferung am Dienstag kommender Woche in Charkow selbst übergeben. Er erklärte: „Wir wollen damit ein Zeichen der Solidarität setzen.“Deutschland leiste einen Beitrag dazu, eine winterfeste Infrastruktur für notleidende ukrainische Familien zu schaffen.

Die ausschließlich aus Bundesmitteln finanzierten Hilfsgüter haben insgesamt einen Wert von rund zehn Millionen Euro. An der Organisation der Hilfe waren auch das Auswärtige Amt und das Technische Hilfswerk (THW) beteiligt.

Friedensplan gefährdet

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht unterdessen seinen Friedensplan für die Ostukraine durch zunehmende Verstöße gegen die Waffenruhe im Konfliktgebiet gefährdet. In einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er den prorussischen Separatisten Angriffe auf Regierungstruppen vor, wie das Präsidialamt in Kiew am Montag mitteilte.

Im Norden der umkämpften Großstadt Donezk hörte ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend Artilleriefeuer. Dort liegt der Flughafen der Separatistenhochburg, den seit Wochen das ukrainische Militär verteidigt.

Seit Beginn der Waffenruhe am 5. September seien bei Gefechten zwischen Armee und Aufständischen 56 Soldaten und 32 Zivilisten getötet worden, teilte das ukrainische Außenministerium über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Mehr als 300 Soldaten seien verletzt worden. Möglicherweise sind die Opferzahlen aber höher, denn fast täglich berichteten örtliche Behörden, Militär und Separatisten in den vergangenen Wochen von Toten durch Artilleriebeschuss und Kämpfe.

Die ersten Drohnen zur Kontrolle der seit mehr als einem Monat brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine sind in Kiew eingetroffen. Österreich habe zwei unbemannte Fluggeräte geliefert, sagte Michael Bociurkiw von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) dpa am Montag. Zwei weitere Aufklärungsdrohnen seien bestellt, sagte er. Sie sollen von zivilen Experten bedient werden.

Drohnen in die Ukraine?

Deutschland und Frankreich erwägen die Entsendung von Drohnen in die Ukraine. Der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sagte dem Sender RTL, Paris und Berlin überlegten gemeinsam, wie die Überwachung der Feuerpause verstärkt werden könne. Die Ukraine verlangt, dass etwaiges Begleitpersonal der Bundeswehr zum Schutz des Einsatzes unbewaffnet sein muss.

Die moskautreuen Aufständischen in der Ostukraine kritisierten eine mögliche Bundeswehrmission. „In Wirklichkeit kommen die deutschen Soldaten vermutlich, um gegen uns zu kämpfen“, sagte einer der Separatistenführer in Donezk, Alexander Kofman, der russischen Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Die OSZE-Mission sei nur ein „Vorwand“, um ausländische Militärfachkräfte zu legitimieren.

Nach monatelangen Kämpfen im Konfliktgebiet fehlt es den Menschen in der Ostukraine Beobachtern zufolge am Nötigsten. Eine deutsche Hilfslieferung soll am Dienstag die polnisch-ukrainische Grenze bei Jagodyn überqueren. Die mehr als 100 Lastwagen haben unter anderem Heizgeräte, Generatoren, Decken und Winterkleidung geladen.

Die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warf der russischen Führung vor, gegenüber osteuropäischen Staaten Stimmung gegen Europa zu machen. „Ich denke, die Russen versuchen zu vermitteln, dass die Entscheidung für Europa schlecht für die Menschen in diesen Ländern ist“, sagte die Italienerin am Montagabend in einer Anhörung vor Europaabgeordneten. Als Beispiele nannte sie Moldau, Georgien und die Ukraine.

Russland-Beziehung nicht mehr partnerschaftlich

Um die russischen Bemühungen zu kontern, muss die EU nach Ansicht Mogherinis weiterhin aktive Unterstützung bei Übergangsprozessen leisten. „Wenn wir es schaffen zu zeigen, (...) dass die Entscheidung für Europa konkrete und gute Ergebnisse für die Menschen bringt, wäre das ein Attraktivitätsfaktor auch für diejenigen Teile der Bevölkerung, die heute vielleicht noch anders denken.“

Die Beziehung der EU zur Führung in Moskau beschrieb Mogherini vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise als nicht mehr partnerschaftlich. Strategisch gesehen bleibe Russland allerdings ein wichtiger Staat in der Welt. „Wir werden unsere Beziehungen zu Russland in den kommenden Jahren tiefgreifend überdenken müssen.“

Mogherini soll Anfang November die Nachfolge der Außenbeauftragten Catherine Ashton antreten.

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14 Kommentare

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  • Im übrigen ist am Dienstag auch Frau "Fuck EU"-Nuland in Kiew eingetroffen, und ich frage mich, was sie diesmal mitbringt. Sicherlich keine Kekse.

  • Was mir persönlich keine Ruhe lässt, ist die Frage nach der Triebfeder der Leitmedien, deren Berichterstattung dermaßen zu verzerren. Egal wie sehr man die Tatsachen verdreht und kaschiert die einseitige Berichterstattung trieft aus euren Zeilen. Könnt ihr als Redakteure, Journalisten & Co. tatsächlich Morgens und Abends noch ohne Reue in den Spiegel schauen? Ihr seid am Leid der Menschen mitverantwortlich und ich glaube keinem Einzigen, dass er da wirklich aus voller ethischer Überzeugung hinter seinem Artikel steht. Ist der Druck von Oben und die Angst um die eigene Karriere so groß geworden? Hat man euch über die Jahre, für bestimmte Themen, dermaßen die Zähne gezogen?

  • Russische Partisanen kämpfen gegen die deutschen Soldaten - ist es nicht irgendwie unvermeidlich? Und dann, falls "Europa" schief läuft, werden alle gegen die deutschen Kämpfen?

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Frühere Erfahrungen haben gezeigt: in diese Region niemals ohne warme Decken einmarschieren! Der Russe hat sicher welche dabei, wenn er in die Ukraine einmarschiert. Die Amis werden es vergessen. Wetten?

  • Der Kommentar vergisst zu erwähnen, dass die Hilfsgüter aus Deutschland gar nicht für die in Donezk bzw. im Donbass zusammengeschossenen Menschen gedacht sind, sondern nur für Regionen, in denen die ukrainischen Truppen die Oberhand haben. Also gezielte Hilfe für das Regime in Kiew!!! Dafür zahlen wir Steuerzahler 10 Millionen Euro. Ich möchte nicht für diese einseitige Unterstützung des Putschregimes in Kiew zur Kasse gebeten werden!!!

    • @Bernd H. Schoeps:

      Keine Sorge Herr Schoeps, in Russland werden Sie nicht für die deutschen Augaben zur Kasse gebeten, dafür aber für den offenen geheimen Krieg ihres Präsidenten Putin

    • @Bernd H. Schoeps:

      Das Rote Kreuz versucht zu beliefern, wegen Beschuss in der Region ist dies aber nicht möglich, nach ITAR-TASS über Fars. Die lassen vielleicht nur weiße Kamaz-Laster aus Russland in ihr Gebiet?

      http://english.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13930616000220

      • @Halusky:

        Ja, davon habe ich auch gehört. Wobei aus der verlinkten Meldung nicht hervorgeht, WER da geschossen hat:

        "It did not specify who was responsible for the shelling."

        • @Der_Peter:

          Ich vermute, dass aus beiden Richtungen geschossen wird. Wenn die eine Seite anfängt, dann schießt die andere zurück. Und da kann man dann wieder die Frage stellen, wer "wieder" angefangen hat.

          Es ist nicht auf jeden Fall nicht so, dass das Rote Kreuz dort nicht Hilfsmittel hinbringen westlicher Staaten bzw. auch aus anderen Teilen der Ukraine hinbringen wollte. Außerdem sind viele Flüchtlinge aus den umkäpften Gebieten in den von der ukrainischen Armee kontrollierten Gebiete der Oblaste Donetsk und Luhansk geflohen und benötigen Hilfe. Städte in denen gekämpft wurde benötigen Hilfe beim Wiederaufbau wie z. B. in Slaviansk:

          https://www.icrc.org/en/document/ukraine-icrc-steps-aid-amid-fragile-ceasefire#.VDUCiK3ixVY

    • @Bernd H. Schoeps:

      Ja, kurz nachdem ich mich darüber wunderte, daß die Hilfsgüter in Charkow übergeben werden sollen, verkündete Lyssenko, daß nichts davon in die Separatisten-Gebiete des Donbass gehen soll. Na fein, da soll mit unseren Steuergeldern wohl das Image des Kiewer Regimes aufpoliert werden. :-(

  • Was mich noch stutzig gemacht hat: Die Hilfsgüter sollen in Charkow übergeben werden. Nanu! Waren denn in Charkow überhaupt Kampfhandlungen? Ist dort die Infrastruktur zerstört?

     

    Eine Notiz am Rande: Der Extremkletterer Grigori, der neulich in Moskau auf einem Hochhaus einen Stern blau-gelb angemalt hatte, ist vom ukrainischen Innenminister Arsen Awakow empfangen worden und erhielt von ihm eine Pistole mit eingraviertem Namen. Verrückter geht's kaum...

    http://www.kyivpost.com/content/ukraine/climber-wanted-in-russia-receives-gun-from-ukraine-interior-minister-366881.html

  • „Wenn wir es schaffen zu zeigen, (...) dass die Entscheidung für Europa konkrete und gute Ergebnisse für die Menschen bringt, wäre das ein Attraktivitätsfaktor auch für diejenigen Teile der Bevölkerung, die heute vielleicht noch anders denken.“

     

    Das sollte wohl im Konjunktiv stehen: angesichts der Zustände in Spanien, Portugal, Griechenland, dem Baltikum, Bulgarien, Slowenien wird es schwer, der Bevölkerung zu vermitteln, warum der Anschluss an die EU gute Ergebnisse bringt (konkret sind sie allerdings).

  • Ähem, der Text macht irgendwie einen zusammengestoppelten Eindruck. Oben steht, daß der deutsche Hilfskonvoi "mit Heizgeräten, Generatoren, Decken, Wohncontainern und Winterkleidung" die ukrainische Grenze überquert hätte, weiter unten im Text steht, der Konvoi solle am Dienstag die Grenze überqueren. Ja, was denn nun?

  • „Wenn wir es schaffen zu zeigen, (...) dass die Entscheidung für Europa konkrete und gute Ergebnisse für die Menschen bringt, wäre das ein Attraktivitätsfaktor(!) auch für diejenigen Teile der Bevölkerung, die heute vielleicht noch anders denken.“ ( EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini).

    Ziemlich kleinlaut gewordenes , hilfloses Gerede , um nicht zu sagen : verlogenes . Egal was am Ende dieses Bürgerkrieges sui generis herauskommen wird , "Europa" wird die Ukraine nicht auf Dauer ökonomisch durch Subventionen , und sei es auch auf einem nur niedrigen Niveau , unterstützen (können !) .

    Was die Ukraine in die EU konkurrenzfähig verkaufen könnte , wird der Größenordnung nach vernachlässigenswert sein ; was die EU dorthin exportieren könnte ebenfalls , wegen mangelnder dortselbst erwirtschafteter Kaufkraft .

    Fazit : falls Russland seine bisherigen Wirtschaftsbeziehungen zur Ukraine deutlich einschränken sollte , werden in der Ukraine die Lichter ausgehen .

    Frage : Warum wohl findet man in den Mainstreammedien keine Abhandlungen zu dem Thema ?