Krise in Bosnien und Herzegowina: Serbenregion leitet Abspaltung ein
Das Parlament der Republika Srpska will sich aus den Institutionen des Zentralstaats zurückziehen. Neue Gesetze sollen den Eigenweg vorantreiben.
Der Parlamentsbeschluss bedeutet, dass innerhalb von sechs Monaten die Regionalregierung aufgerufen ist, die Parlamentsbeschlüsse umzusetzen. In diesem Zeitraum sollen neue Gesetze für das Militär, das Steuersystem und die Justiz ausarbeitet werden. Damit sind die ersten Schritte zur Abspaltung des serbisch kontrollierten Teilstaates von Bosnien und Herzegowina getan.
Dodiks Maßnahmen sind im serbischen Teilstaat nicht unumstritten. Seine nationalistisch ausgerichtete Partei mit dem irreführenden Namen SNSD (Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten) und ihre Verbündeten unterstützten ihn mit 48 von insgesamt 83 Stimmen. Die Oppositionsparteien wie die Serbische Demokratische Partei (SDS) und die Liberale Partei (PDP) verließen vor der Abstimmung den Saal. Oppositionsführer Mirko Šarović erklärte, Dodik beschreite einen gefährlichen Weg, der sogar in einen Krieg münden könnte. Zudem warnte er angesichts der drohenden internationalen Sanktionen vor einem finanziellen Kollaps der Teilrepublik.
Dodik will alle gemeinsamen Institutionen des Staates Bosnien und Herzegowina aushebeln, die seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 entstanden sind. Damals wurde die Aufteilung Bosniens in eine bosniakisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska beschlossen, die jeweils rund die Hälfte des Staatsgebietes ausmachen. Gleichzeitig aber wurde ein gemeinsamer Gesamtstaat mit einem Parlament und einer Regierung gegründet.
Der eingangs schwache Zentralstaat wurde durch Beschlüsse des gemeinsamen Parlamentes und mit Hilfe des Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft nach und nach gestärkt und mehr oder weniger funktionsfähig gemacht. Einige dieser Reformen führten zur Bildung einer gemeinsamen Währung, einer gemeinsamen Armee, der Gründung eines Verfassungsgerichts und eines Systems für die Erhebung indirekter Steuern.
Bruch mit bisherigem System
Dodik vertritt nun die Ansicht, die Zentralregierung habe der Republika Srpska in 140 Bereichen unrechtmäßig Vollmachten entzogen. Dies solle nun rückgängig gemacht werden. Er will die gemeinsame Armee auflösen und eine eigene Armee aufbauen. Er betrachtet die Urteile des Verfassungsgerichts als gegenstandslos. Als Zeichen des Bruchs mit dem bisherigen System ließ er keine Beobachter des Amtes des Hohen Repräsentanten bei der Sitzung des serbischen Regionalparlaments zu.
Gleich nach dem Amtsantritt des neuen Hohen Repräsentanten, des Deutschen Christian Schmidt, Anfang August lehnte er jegliche Zusammenarbeit mit dieser Institution ab, die nach dem Abkommen von Dayton die Umsetzung dessen überwachen soll.
Anlass dazu war ein Gesetz, das die Verleugnung des Genozids in Srebrenica und die Verherrlichung von vom UN-Tribunal in Den Haag verurteilten Kriegsverbrechern unter Strafe stellt. Wie zum Hohn tauchte am Freitag in der Nähe des Regionalparlaments in Banja Luka eine Wandmalerei mit dem Konterfei des vom UN-Tribunal zu lebenslanger Haft verurteilten Kriegsverbrechers Ratko Mladić auf.
Die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft fielen bisher widersprüchlich aus. Russland und Serbien stützen die Politik Dodiks, auch Ungarn, Slowenien und viele rechtsgerichtete Parteien in Europa ließen Sympathien für ihn erkennen. Dagegen haben einige Länder der EU – darunter Deutschland – und die USA mit Sanktionen gedroht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen