Krise beim Volkswagen-Konzern: Die Betrüger von Wolfsburg
Nach der Affäre um manipulierte Abgastests bricht die Aktie des Autokonzerns ein. Schlittert VW in eine Existenzkrise?
Fest steht aber schon: Wackelt VW, dann wackelt der Industriestandort Deutschland – mit allen Konsequenzen für den relativen Wohlstand hierzulande, der auch einen Teil der Anziehungskraft für Flüchtlinge und Migranten ausmacht. Kein Wunder, dass VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh am Montag bekannte: „Wir sind geschockt.“ Nun müsse mit aller Konsequenz aufgeklärt werden.
Fraglich ist allerdings, ob Winterkorn dafür noch der richtige Mann ist. Denn wie immer bei gravierenden Verfehlungen gilt: Der Fisch stinkt vom Kopf her. Entweder hat Winterkorn wissentlich die systematischen Manipulationen mitgetragen – dann wäre er unhaltbar an der Konzernspitze. Oder er hat davon nichts gewusst – dann hätte er seinen Laden nicht im Griff und geriete deshalb ebenfalls in Erklärungsnot, mindestens.
Welche Dimension der Skandal annehmen kann, wurde am ersten Börsentag nach dem Einräumen der Vorwürfe deutlich: Die Aktie des Konzerns, der weltweit knapp 600.000 MitarbeiterInnen beschäftigt, fiel am Montag zwischenzeitlich um 23 Prozent – ein Börsenwertverlust von 17 Milliarden Euro. Zuvor hatte VW bekannt gegeben, ab sofort den Verkauf von Dieselfahrzeugen in den USA zu stoppen. Betroffen davon sind die Konzernmarken VW und Audi.
Drohende Strafzahlung in Milliardenhöhe
VW hatte am Sonntag zugegeben, die Software von Dieselfahrzeugen in den USA manipuliert zu haben. Die US-Umweltbehörde beschuldigt VW, mithilfe dieser Computerprogramme die Resultate von Abgasuntersuchungen geschönt haben. VW drohen deswegen schlimmstenfalls Strafzahlungen von mehr als 18 Milliarden US-Dollar sowie Schadenersatzforderungen von geschädigten Verbrauchern in den USA. Es geht um knapp eine halbe Million Autos.
Dabei hat Volkswagen laut US-Umweltbehörde Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung eingesetzt, um noch mehr Leistung aus den Motoren herauszuholen. Der Clou: Die Software des Fahrzeugs hat demnach anhand verschiedener Parameter erkannt, wenn das Auto getestet wird; in diesem Fall wurde die Abgasreinigung eingeschaltet. In allen anderen Fällen habe die Software jedoch auf den Straßenmodus umgeschaltet, was die Effektivität der Abgasreinigung reduzierte. So seien die Schadstoffemissionen 10- bis 40-mal höher gewesen als von der Behörde vorgegeben. Laut der Umweltlobbyorganisation Deutsche Umwelthilfe setzen auch andere Hersteller Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ein.
Diese Einschätzung teilt auch der Naturschutzbund Nabu. Er kritisiere seit Langem, dass die Abgaswerte vieler Fahrzeuge nur auf dem Prüfstand eingehalten und in der Praxis deutlich überschritten würden.
Gelassenheit bei anderen Herstellern
Die deutschen Konzerne BMW und Daimler zeigten sich mit Blick auf die US-Untersuchungen am Montag jedoch betont gelassen. Bei Überprüfungen eines Dieselfahrzeugs habe es keine auffälligen Abweichungen der Werte gegeben, so BMW. Deshalb sei der Konzern auch nicht von den zuständigen Behörden kontaktiert worden. Und bei Daimler hieß es: „Es gibt nach unseren Erkenntnissen keine Untersuchungen zu Mercedes-Benz“, so ein Unternehmenssprecher. Auch die Volkswagen-Tochterfirma Porsche sieht sich von den US-Untersuchungen nicht betroffen; sie setzt auf größere Motoren als VW und Audi, vor allem aber auf Benziner.
Während in Europa Regierungen und Behörden noch zurückhaltend auf den VW-Skandal reagieren, droht VW am anderen Ende der Autowelt bereits neues Ungemach. So hat Südkorea neue Abgastests für Modelle aus dem Volkswagenkonzern angeordnet. Ab Mitte Oktober werde geprüft, ob auch bei den VW-Modellen auf dem koreanischen Markt getäuscht worden sei – also beim VW Golf, VW Jetta und dem Audi A3. Das berichtete am Montag die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf das Umweltministerium in Seoul.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett