Krimkrise in der Ukraine: Berlin will reden statt strafen
Die Bundesregierung setzt im Krimkonflikt auf Dialog. Die Linke hingegen ist uneins, ob sie Russland für die Ukraine-Intervention verurteilen soll oder nicht.
BERLIN taz | Die Bundesregierung ist „aufs Äußerste besorgt“ über die Lage in der Ukraine. Es sei aber „noch nicht zu spät für eine friedliche Lösung“, sagte am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert. Deutschland setze ganz auf einen politischen Prozess – also weder auf Sanktionen noch gar aufs Militär. Dramatisch sprach Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) von „der schärfsten Krise seit dem Mauerfall“.
Russland hat nach weltweiter Lesart mit den Truppenbewegungen auf der Krim das Völkerrecht gebrochen. Von den großen Industrienationen wird dies vorerst mit einer „Denkpause“ bei der Ausrichtung des für Juni angesetzten G-8-Gipfels im russischen Sotschi quittiert. Die aktuelle G-8-Planungsreise eines Abteilungsleiters aus dem Auswärtigen Amt sei abgeblasen, erläuterte Seibert.
Um politische Gespräche mit Russland dennoch möglich zu machen, soll es nun eine „Kontaktgruppe“ und eine „Fact Finding Mission“ geben. Letztere soll ein „objektives Lagebild“ vor Ort erstellen, also den Vorwürfen nachgehen, Russland-freundliche Gruppen würden in der Ukraine nun angegriffen oder beeinträchtigt. Auf die Frage nach einem „speziellen Zugang Deutschlands“ zu Russland mochte Seibert nicht eingehen. Das Kanzleramt und das Auswärtige Amt seien „sehr engagiert", davon zeuge die Menge an Telefonaten.
Zur Gesprächsführung kommen laut Bundesregierung die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Europarat in Frage. Speziell der Europarat sei kompetent darin, „föderale Lösungen“ zu finden, sagte Seibert: Die Ukraine soll demnach eine Staatsform finden, in der russisch sprechende und „fühlende“ (Seibert) Bevölkerungsteile sich vertreten fühlen.
Linksfraktion uneins
Dieser Teil der Regierungsideen fand ausnahmsweise die Billigung der Linkspartei. Der Außenpolitiker der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke, erklärte der taz: „Es ist richtig, den Europarat und die OSZE ins Geschäft zu bringen.“ Einen krassen Fehler habe man darin begangen, „die russischen Interessen nicht in Rechnung zu stellen“. Russland könne sich das Verhalten der ukrainischen Übergangsregierung „niemals bieten lassen“, erläuterte Gehrcke. Die aktuelle Eskalation der Lage sei daher auch der „Blauäugigkeit des deutschen Außenministers“ geschuldet.
Frank-Walter Steinmeier hätte darauf drängen müssen, dass das Abkommen auch durchgesetzt werde, das die Außenminister erst vor zehn Tagen in Kiew erzielten. Die Russland-freundliche Minderheit sei – anders als die rechtsextreme Swoboda-Partei – in der Übergangsregierung nicht vertreten, bemängelte Gehrcke. Die Truppenbewegungen auf der Krim, behauptete Gehrcke, seien vom Abkommen zur russischen Schwarzmeerflotte von 1997 gedeckt. Dieses sehe vor, dass bis zu 25.000 russische Soldaten sich frei auf der Krim bewegen dürften.
Darin jedoch bekam Gehrcke aus eigenen Reihen Widerspruch: „Wenn wir die Partei des Völkerrechts sein wollen, müssen wir auch dessen Bruch durch Russland kritisieren“, sagte der Außenpolitiker Stefan Liebich. Wladimir Putin habe eindeutig gegen die UN-Charta verstoßen.
Offensichtlicher Völkerrechtsbruch
Dies bestätigte der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu: „Die Bewegungen der russischen Truppen auf der Krim stellen offensichtlich einen Völkerrechtsbruch dar“, erklärte er. Ein solcher sei zu kritisieren, „egal ob es sich um Russland, China oder die USA handelt“. Die Aufwertung der OSZE begrüßte Neu, selbst ehemaliger OSZE-Mitarbeiter, ausdrücklich: „Die OSZE ist zuletzt zu einem Wahlbeobachtungsverein degradiert worden“, erläuterte er. Nun brauche es Mittel, Personal und Aufgabenzuschnitt, damit diese Institution auch wieder Sicherheitspolitik betreiben könne.
Für die Grünen erklärte die Außenpolitikerin Marieluise Beck am Montag, möglicherweise habe die deutsche Außenpolitik „die Verschiebung in der Politik des Kreml zu spät verstanden“. Putin strebe eine Eurasische Union mit ehemaligen Sowjetrepubliken an. „Es ist eine Rückkehr zu einer imperiale Poilitik", sagte Beck. "Wir müssen in Betracht ziehen, wie weit Putin bereit ist zu gehen. Dabei sollten wir den Krieg gegen die eigene Bevölkerung in Tschetschenien und den Georgienkrieg nicht vergessen", merkte sie an.
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