New Yorktaz | Im Weißen Haus arbeitet seit Dienstag ein Kriegstreiber weniger. John Bolton, binnen weniger als drei Jahren der dritte Berater für die „nationale Sicherheit“, musste gehen. Die persönlichen Inkompatibilitäten und die außenpolitischen Divergenzen zwischen ihm und dem US-Präsidenten waren unübersehbar. Sie reichten von Iran über Nordkorea und Venezuela bis hin zum gescheiterten Camp-David-Treffen mit den Taliban, was vermutlich den letzten Ausschlag gab – überall propagierte Bolton „Regimewechsel“ und militärisches Vorgehen, während sein Boss nach Gelegenheiten für spektakuläre „Deals“ suchte.
Als Donald Trump am Dienstag in einem ungewöhnlich scharfen Tweet erklärte, er habe Bolton gefeuert (der Betroffene behauptete hingegen, er habe selbst seinen Rücktritt angeboten), kam Beifall von Seiten, die sich gewöhnlich uneinig sind: Das Pentagon war erleichtert, die Frauengruppe „Code Pink“ sprach von einer „Chance für den Frieden“, und wenige Minuten später kamen Außenminister Mike Pompeo und Finanzminister Steven Mnuchin mit breitem Grinsen zu einer Pressekonferenz, an der ursprünglich auch Bolton teilnehmen sollte.
„Mich überrascht gar nichts“, sagte Pompeo zu ReporterInnen und fügte hinzu, dass der Präsident ganz einfach Berater brauche, „denen er traut“.
In seinen 17 Monaten im Amt verbuchte Bolton mehrere anfängliche Erfolge, die den außenpolitischen Kurs der USA veränderten. Kaum kam der neue Sicherheitsberater ins Weiße Haus, ließ Trump in Syrien Bomben abwerfen und kündigte das Atomabkommen mit Iran auf. Bolton war auch daran beteiligt, dass das Atomwaffenabkommens INF zwischen Russland und den USA außer Kraft gesetzt wurde.
Zunehmend isoliert
Doch in den zurückliegenden Monaten konnte sich Bolton, der nie einen Hehl aus seinen interventionistischen Absichten und aus seiner Gegnerschaft zu multilateralen Organisationen machte, immer weniger durchsetzen. Er war zunehmend isoliert im Weißen Haus. Während des letzten Spektakeltreffens zwischen Trump und dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un musste Bolton in die Mongolei reisen.
Trumps Hire and Fire
Wer sitzt an Trumps Regierungstafel und trifft politische Entscheidungen, während der Herr des Weißen Hauses gerade über sein Smartphone gebeugt ist und die nächste Tirade auf Twitter raushaut? Und wer ist schon wieder nicht mehr dabei? Ein Überblick über das sich stetig wandelnde Kabinett des Schreckens:
Foto:
dpa
Verteidigungsminister James Mattis trat Ende 2018 zurück. Einen Tag nachdem Trump ankündigte, dass die USA aus den Kurdengebieten in Syrien abziehen werde, reichte Mattis seinen Rücktritt ein. Bis Mitte 2019 wurde der Posten dann kommissarisch vom früheren stellvertretenden Verteidigungsminister Patrick M. Shanahan besetzt. Seit dem 23. Juli 2019 ist Mark Thomas Esper US-Verteidigungsminister.
Foto:
reuters
Justizminister Jeff Sessions wurde im November 2018 hingegen gefeuert. Im Zuge der Russland-Ermittlungen war der Vier-Sterne-General in Ungnade gefallen.
Foto:
ap
Sessions' Nachfolger als Justizminister wurde im Februar 2019 William Barr, der das Amt schon unter George H. W. Bush ausübte.
Foto:
ap
Reince Priebus, zuvor Chef der Republikaner, war bis Juli 2017 Trumps Stabschef im Weißen Haus. Über die Monate war Priebus immer wieder nachgesagt worden, Interna aus dem Weißen Haus an die Presse durchzustechen. Ende Juli 2017 trat er ohne Begründung zurück.
Foto:
reuters
Auf ihn folgte John Kelly, der bis Januar 2019 durchhielt. Der zweitwichtigste Mann im Weißen Haus soll über Trump gesagt haben: „Er ist ein Idiot.“ Da es keinen Nachfolger gibt, wird der Posten kommissarisch vom Verwaltungsamtschef Mick Mulvaney besetzt.
Foto:
ap
Ein Opfer von Kellys neuer Umstrukturierung war im Juli 2017 Trumps Chefstratege Steve Bannon. Medien zufolge wollte Kelly Bannon feuern, Bannon selbst sagte, er habe nie vorgehabt, so lange in der Regierung zu arbeiten. Zuvor war Bannon Chef der rassistischen und antisemitischen Nachrichtenseite Breitbart gewesen.
Foto:
reuters
John Kelly war davor Heimatschutzminister – auf ihn folgte 2017 Kirstjen Nielsen. Vom 6. Dezember 2017 bis April 2019 war sie Ministerin für Innere Sicherheit. Zwischen Nielsen und dem Weißen Haus hat es praktisch seit ihrer Ernennung zur Ministerin Spannungen gegeben. Der Posten wird derzeit von Kevin McAleenan kommissarisch besetzt.
Sie war die UN-Botschafterin der USA und sollte Donald Trumps „America first“ im Weltmaßstab durchsetzen – nun will sie nicht mehr. Nikki Haley macht Ende des Jahres 2018 Schluss. Im Juli 2019 übernahm die Geschäftsfrau Kelly Dawn Knight Craft den Job.
Foto:
ap
Klimawandel? Not his cup of tea. Scott Pruitt war Chef der US-Umweltbehörde (EPA). An die schickte er als Justizminister von Oklahoma einst einen Brief mit der Kritik, die Behörde überschätze die von Energieunternehmen verursachte Luftverschmutzung. Was er ausließ: Geschrieben wurde er von Devon Energy, einer großen Öl- und Gasfirma. Nach zahlreichen Korruptionsskandalen trat er im Juli 2018 zurück.
Foto:
reuters
Andrew Wheeler folgte bereits im Juli 2018 auf Pruitt als EPA-Chef – auch er ist eher zurückhaltend bei der Einschätzung, was die Schäden durch den Klimawandel sein könnten.
Foto:
ap
Besonders oft hat Trump seine nationalen Sicherheitsberater ausgewechselt. Der Erste auf dem Posten war Michael Flynn. Gehen musste er im Februar 2017, weil er vor seiner Amtsübernahme mit dem russischen Botschafter in Washington gequatscht hatte.
Foto:
ap
Danach war der Offizier Herbert Raymond McMaster über ein Jahr lang Trumps nationaler Sicherheitsberater. Dem US-Präsidenten gefiel nicht so ganz, was McMaster in Sachen Russland zu sagen hatte – nämlich dass es unbestreitbare Beweise für eine russische Einflussnahme bei der US-Wahl gebe. Im März 2018 feuerte er ihn per Twitter.
Foto:
reuters
Auf McMaster folgte im April 2018 John Bolton. Bolton ist ein besonders sympathischer Zeitgenosse. Diplomatie ist nicht sein Ding. Er setzt auf die militärische Macht der USA. Das ging selbst Trump zu weit. Er feuerte ihn, so Trump, am 10. September 2019. Bolton selbst sagt, er habe seinen Rücktritt eingereicht.
Foto:
reuters
2017 hatte es bereits immer wieder Spekulationen über einen Rücktritt Rex Tillersons gegeben. Im März 2018 erfuhr der Außenminister anscheinend durch einen Tweet von Trump, dass er seinen Posten los ist.
Foto:
ap
Tillersons Nachfolger im Außernministerium ist seit April 2018 Mike Pompeo, der bisherige CIA-Chef. Er ist mit den Republikanern gut vernetzt und gehört zum erzkonservativen Flügel der Tea-Party. Der Ex-Army-Panzeroffizier ist für die Nutzung von Geheimgefängnissen – das ist jedoch kaum verwunderlich, denn er ist auch ein Befürworter des Waterboardings.
Foto:
ap
Sean Spicer war der erste Pressesprecher des Weißen Hauses. Bekannt wurde er, weil er über Trumps Einweihung log und behauptete, die Zuschauerzahl sei die bislang größte für eine solche Feier gewesen. Im Juli 2017 trat er zurück.
Foto:
reuters
Sarah Huckabee Sanders, Spicers Nachfolgern, verließ im Juni 2019 überraschend das Weiße Haus. Beliebt bei JournalistInnen war sie nicht: Sie strich das tägliche Pressebriefing und wurde wegen ihrer bedingungslosen Loyalität Trump gegenüber kritisiert. Der Präsident fand sie umso toller: „Sie ist eine sehr spezielle Person mit außergewöhnlichen Talenten, die einen großartigen Job gemacht hat. Sarah, danke für deine Arbeit, gut gemacht!“, twitterte er.
Foto:
ap
Trumps neue Pressesprecherin: Stephanie Grisham. Sie gilt als ähnlich loyal wie Sarah Sanders, nur eine Prise machtbewusster. Gut vorstellbar, dass Trump das super findet. Ob sie den Job, der so fordernd ist, dass zwei Verantwortliche ihn innerhalb von drei Jahren schmissen, länger aushalten kann?
Foto:
reuters
Trump machte Tom Price, einen entschiedenen Gegner des „Affordable Care Act“ (Obamacare), zum Gesundheitsminister. Ende September 2017 geriet Price in die Kritik, weil er für Dienstreisen stets Charterjets benutzte und dafür 400.000 Dollar ausgegeben hatte, für Auslandsreisen nutzte er Militärflieger für insgesamt 500.000 Dollar. Er trat am 29. September 2017 zurück.
Foto:
reuters
Auf Price folgte im Januar 2018 Alex Azar, ein früherer Pharmalobbyist, womit der Bock zum Gärtner gemacht wurde.
Foto:
reuters
Alexander Acosta war Arbeitsminister. Im Juli 2019 tritt er zurück. Hintergrund ist der Fall um den US-Finanzberater Jeffrey Epstein, der Dutzende Minderjährige missbrauchte und zur Prostitution anstiftete. 2008 war Epstein einem Bundesverfahren entgangen, weil er einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einging. Acosta stimmte dem Deal damals als Staatsanwalt in Florida zu. Trump sagte, Acosta sei ein „sehr guter Arbeitsminister“ gewesen.
Foto:
ap
Als im Weißen Haus CIA, Pentagon und Außenminister zusammenkamen, um über Iran zu beraten, war er nicht eingeladen. Trump erwägt während der UN-Vollversammlung in diesem Monat in New York ein Treffen mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani, wogegen Bolton opponierte. Und über die seit Monaten in Doha laufenden Gespräche mit den Taliban wurde Bolton nur schleppend informiert.
Als Iran im Juni eine US-Drohne abschoss, verlangte Bolton militärische Vergeltungsschläge. Als Trump die Bombardements im letzten Moment, als die US-Kriegsflugzeuge bereits in der Luft waren, abblies, soll Bolton gewütet haben.
Unter den vielen Scharfmachern, die Trump umgeben, war Bolton der mit der längsten Vorgeschichte. Er hat seine Karriere als einflussreicher Falke im Washington bereits im Vorfeld des Irak-Kriegs begonnen. Als UN-Botschafter von Ex-Präsident Bush bereitete er federführend das diplomatische Terrain für die Invasion des Irak und den Sturz von Saddam Hussein vor. Im Gegensatz zu vielen anderen Washingtoner Insidern betrachtet Bolton den Irak-Krieg bis heute als einen „Erfolg“.
Abschied ohne nette Worte
Unter den zahlreichen Ja-Sagern und Bücklingen, die Trump umgehen, war Bolton der einzige, der dem US-Präsidenten offen Paroli bot. Am Anfang behauptete Trump noch, dass er diesen Widerspruch schätze, nannte Bolton einen guten Mann und witzelte darüber, dass der weltweit Krieg wolle. Doch zuletzt ging Trump seinem Berater aus dem Weg. Anders als bei den meisten anderen Regierungsmitgliedern und Mitarbeitern aus dem Weißen Haus, die Trump zum Ausgang gedrängt hat, denen er zum Schluss aber noch ein paar nette Worte im Oval Office oder zumindest auf Twitter sagte, wünschte er Bolton nichts Gutes für die Zukunft.
Es schien von Anfang an widersinnig, dass Trump, der im Wahlkampf behauptet hatte, er wolle die Politik des Regimewechsels beenden, einen Sicherheitsberater holte, der seine Karriere darauf aufgebaut hat. Aber zugleich repräsentiert Bolton die Interessen zahlreicher Kräfte in der Republikanischen Partei.
Und auch Trumps größter einzelner Geldgeber, Sheldon Adelson, der bis vor Kurzem ein enger Freund von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu war, wollte Bolton haben. Und selbst nach Boltons Abgang am Dienstag zeigten führende Republikaner – darunter der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney und Sprecher des rechten Washingtoner Thinktank Hudson – ihre Enttäuschung.
Das Ende der Ära Bolton ist die neueste Wende in der chaotischen Personalpolitik des US-Präsidenten. In seinen noch nicht mal drei Jahren im Amt hat Trump Rekordzahlen von Sicherheitsberatern, Sprechern, Ministern und anderen Spitzenmitarbeitern verschlissen. Dabei ist seine Außenpolitik nicht etwa kohärenter, zielstrebiger oder weniger chaotisch geworden. Als einzige klare Linie schälte sich heraus, dass sich alles permanent um die Person Trump drehen muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Dort Bannon, Bolton hier Cummings, eine üble Liste, die sich - auch kontinentaleuropäisch - leider noch allzu gut fortsetzen lässt. Ich frage mich einfach nur noch immer wieder, was diese Leute reitet, einen derart engstirnigen kurzsichtigen und sich schlussendlich zum Bumerang fürs eigene Land erweisenden Kurs zu reiten. Und der - Dank all der populistischen Begabung dieser Leute - auch immer häufiger auf fruchtbaren Boden von Menschen fällt, die es gern einfach hätten.
Allerdings zeigt immer öfters die Erfahrung, dass man kaum erleichtert Luft geholt hat, ein noch schlimmerer Kandidat auftritt. Mir graut, was da noch kommen mag...
Bin mir nicht ganz sicher, ob Trumps Personal mehr der Medusa, oder der Hydra ähnelt. Trump hat (im mythischen Sinne) schon sehr viele Köpfe abgeschlagen, aber das Monster scheint - bis auf Weiteres - eher größer als kleiner zu werden.
7G
76530 (Profil gelöscht)
Zustimmung, Frau Hahn.
Mit der Headline ist alles Wichtige gesagt. Wer sich gemeinsame Fotos der beiden Protagonisten anschaut, braucht die Sprache nicht mehr zu bemühen.
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers