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Krieg in der UkraineFragwürdiger Deal um Ukraine-Bodenschätze mit den USA

Ein gemeinsamer Entwurf für ein Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine liegt jetzt vor. Sicherheitsgarantien enthält es nicht.

Heute greift Donald Trump Wolodymyr Selenskyj in die Tasche, bevor er ihn begrüßt Foto: Julia Demaree Nikhinson/ap/dpa

Kyjiw/ Berlin taz | Der seit Wochen zwischen den USA und der Ukraine diskutierte Rohstoffdeal steht offenbar kurz vor der Unterzeichnung, zumindest in einer ersten Version. Am Freitag will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Washington reisen. Ob er dort eine Vereinbarung mit US-Präsident Donald Trump unterzeichnet, ist noch offen. Trump sagte am Dienstagabend, er habe gehört, dass Selenskyj kommen wolle. Das sei okay für ihn. Selenskyj sagte am Mittwoch vor Journalisten in Kyjiw, er erwarte mit Trump ein umfassendes inhaltliches Gespräch.

Kern des jetzt fertiggestellten Übereinkommenstextes, den die ukrainische Zeitung Kyiv Independent am Mittwochnachmittag veröffentlichte, ist die Schaffung eines gemeinsamen US-ukrainischen Fonds, in den zukünftig 50 Prozent aller Erlöse aus der Vermarktung ukrainischer Rohstoffe fließen sollen. Gemeint sind „Mineralien, Öl, Erdgas und andere extraktible Materialien, und andere für natürliche Rohstoffe relevante Infrastruktur wie LNG-Terminals und Häfen“.

Eine ursprünglich von den USA geforderte Klausel, nach der die Ukraine in diesen Fonds solange einzahlen soll, bis er 500 Milliarden US-Dollar umfasst, ist jetzt vom Tisch. Selenskyj stellte am Mittwoch klar, dass auch keine andere Summe festgelegt worden sei.

Die Vereinbarung führt aus, dass all diese und weitere Details, etwa zum zeitlichen Rahmen und zur genauen Festlegung der relevanten ukrainischen Einnahmen, noch in einem weiteren Vertrag geregelt werden müssen. Erst dieser zweite Vertrag, der noch auf Ministerebene auszuhandeln ist, wird den Fonds genau definieren und bedarf auch einer parlamentarischen Ratifizierung in Kyjiw. Die jetzt vorliegende Vereinbarung ist also eher eine Absichtserklärung.

Eher Absichtserklärung als Vertrag

Die Fondseinnahmen sollen demnach „in der Ukraine investiert werden, um die Sicherheit und den Wohlstand der Ukraine zu fördern“, heißt es weiter. Auch hier sind die Details erst noch auszuhandeln. Mit diesen Investitionen sollen weitere Privatinvestitionen ermöglicht werden. Man werde bei den weiteren Vertragsverhandlungen anstreben, Konflikte mit Kyjiws Verpflichtungen an die EU – im Rahmen der Beitrittsverhandlungen sowie wohl auch des bestehenden EU-Ukraine-Partnerschaftsabkommens aus dem Jahr 2021 – zu vermeiden.

Wir wollen dieses Geld zurück!

US-Präsident Donald Trump über die seit Kriegsbeginn an die Ukraine geleistete Hilfe

Der Vertrag sieht keine direkten Sicherheitsgarantien der USA für die Ukraine vor. Rohstoffe gegen Sicherheit, das war die Kernidee eines im vergangenen Jahr von der Ukraine vorgeschlagenen Vorgehens. Jetzt aber heißt es lediglich: „Die Regierung der USA unterstützt die Bemühungen der Ukraine, Sicherheitsgarantien zu erreichen, die für einen dauerhaften Frieden nötig sind.“

US-Präsident Donald Trump hat den Deal stets damit begründet, die USA hätten die Ukraine jahrelang mit massiver Hilfe unterstützt. Sein Amtsvorgänger Joe Biden habe „mit Geld um sich geworfen, als wäre es Zuckerwatte“, sagte Trump. „Wir wollen dieses Geld zurück.“ Allerdings gibt Trump die angebliche Höhe bisher geleisteter US-amerikanischer militärischer und finanzieller Zuwendungen an die Ukraine grundsätzlich falsch an: Er spricht von 350 Milliarden US-Dollar – die tatsächliche Zahl liegt zwischen 120 und 185 Milliarden Dollar. Auch die Behauptung Trumps, im Unterschied zu den USA hätten die europäischen Länder ihre Ukraine-Hilfen als Darlehen gewährt, ist falsch.

In der Ukraine wird die Vereinbarung kontrovers debattiert. Für Investmentbanker Serhi Fursa ist sie ein „wertloses Papier“, das in seiner Bedeutungslosigkeit an das Budapester Memorandum von 1994 erinnere. Im Budapester Memorandum hatte sich Russland gemeinsam mit den USA und Großbritannien verpflichtet, die territoriale Integrität der Ukraine zu garantieren, im Gegenzug hatte die Ukraine ihre aus Sowjetzeiten geerbten Atomwaffenbestände aufgegeben.

„wertloses Papier“

Geologie-Professor Wolodymyr Mychailow von der Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw kritisiert auf glavcom.ua die mangelnde Transparenz in Bezug auf strategische Mineralien in der Ukraine. Während die Standorte der Lagerstätten bekannt seien, gebe es keine öffentlich zugänglichen Daten zu deren Vorräten. Eine umfassende und transparente Analyse der ukrainischen Rohstoffbasis sei dringend erforderlich, so der Geologe.

Bodenschätze seien eigentlich kein Thema für den ukrainischen Präsidenten, monierte Selenskyjs Vorgänger im Amt, Petro Poroschenko. „Welche Befugnisse hat der Präsident bei der Verwaltung der Bodenschätze der Ukraine? Keine. Weder Verfassung noch geltendes Recht geben ihm eine derartige Befugnis. Der Präsident ist für Sicherheitsfragen und Außenbeziehungen, nicht für die Verteilung oder Nutzung der natürlichen Ressourcen des Landes zuständig“ meint er auf 5.ua.

Unterdessen melden ukrainische Medien eine Erklärung des russischen Außenministers Sergej Lawrow: Putins Angebot an US-Investoren, gemeinsam seltene Erden in Russland zu fördern, gelte auch für Gebiete in der Ukraine, die von Russland kontrolliert werden. Zuvor hatten Medien berichtet, dass Präsident Putin per Dekret den größten Produzenten seltener Erden in Russland verstaatlicht habe.

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7 Kommentare

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  • @Jesus und Entgegner: Seit Beginn des Krieges laufen die meisten Menschen mit einer Augenklappe herum. Die einen sind blind für die imperialistischen Ziele Russlands, das "sich ja nur gegen die Umzingelung durch die NATO wehrt". Die anderen übersehen hartnäckig die kolonialen Ambitionen der USA, der EU und Deutschlands. Es ist doch klar, wie ein kriegszerstörtes Land seine Kriegskredite zurückzahlen muss: Mit seinen Ressorcen und mit Zugang zu Produktion und Absatz: Wenn Siemens in der Ukraine ein Kraftwerk wiederaufbaut und Rheinmetall eine Panzerfabrik - wem werden diese Objekte wohl gehören?

  • Sie haben Bedenken, dass die Ukraine durch diesen Deal ihre Souveränität über eigene Ressourcen verlieren könnte. Das ist eine berechtigte Frage, zumal wirtschaftliche Abkommen oft mit politischen und strategischen Interessen verknüpft sind. Laut dem Artikel sollen die Einnahmen jedoch in der Ukraine investiert werden, um deren Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität zu fördern. Solche Vereinbarungen stehen natürlich immer unter dem Vorbehalt weiterer Verhandlungen und einer möglichen parlamentarischen Ratifizierung in Kyjiw. Letztlich wird es darauf ankommen, wie die genauen Vertragsbedingungen ausgestaltet sind und welche Mitsprache die Ukraine tatsächlich hat.

    Sie fragen, ob dieser Deal als Ersatz für direkte militärische Unterstützung der USA gedacht ist. Der Artikel deutet nicht darauf hin, dass die wirtschaftliche Kooperation die militärische Hilfe ablösen soll. Vielmehr geht es offenbar darum, eine wirtschaftliche Grundlage zu schaffen, die langfristig zur Stabilität des Landes beiträgt. Ob sich das jedoch auf die militärische Unterstützung auswirkt oder ob es Teil einer umfassenderen Strategie ist, wird sich wohl erst in den kommenden politischen Verhandlungen zeigen.

  • Der gesamte Rohstoff-Deal, den Trump unbedingt durchsetzen will, ist Betrug . Trumps Absicht ist es, die Ukraine und auch Europa zu übervorteilen und sich mit der Attitüde eines Kolonialherren überseeische Ressourcen zu sichern, deren Nutzung er anschließend ggf. mit Putin teilt. Gespräche über eine diesbezügliche Kooperation von USA u. Russland hat es ja schon in Riad gegeben. Man wundert sich, dass die EU sich derlei bieten lässt. Längst hätte man Selenskyj beispringen müssen. Bemerkenswert ist außerdem das Trump nicht nur mit falschen Zahlen hantiert, sondern auch so tut als seien die Ukrainehilfen, die Joe Biden vor Trumps Amtsübernahmen gewährt hat, illegitim/unrechtmäßig gewesen. Selenskyj hatte ja noch kürzlich betont, dass er nichts davon wüsste, dass die Hilfen als Kredit zu verstehen seien. Ganz offensichtlich spielt hier auch wieder die Mähr von der gestohlen Wahl eine Rolle. Nur dann wäre Biden keine legitimer Präsident gewesen und die Hilfen zu unrecht gewährt worden.

  • Wenn die SPD schlau ist, lässt sie die CDU ganz hart auflaufen. Selbst auf die Gefahr hin, dass es Neuwahlen gibt. Denn mit einem vernünftigen Kandidaten als Schulz und einem konsequent sozialen Programm könnte die SPD wesentlich mehr als 16,5% erreichen.



    Statt sich wegen der Schuldenbremse zu streiten, sollte endlich eine vernünftige Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer her. Die deutschen Milliardäre sind in den letzten 4 Jahren um 75% Rechner geworden. Da wäre eine 5% Vermögenssteher nicht zuviel. Und die würde 50 Mrd. € pro Jahr bringen. Wenn man das im Wahlkampf bringt, könnten auch wieder 25% für die SPD drin sein, vielleicht sogar mehr.



    Dagegen ist das derzeitige Schachern um Schuldenbremse und Sondervermögen nicht nur peinlich, sondern unseriös. Denn irgendjemand muss das ja auch irgendwann bezahlen.

  • Und wem gehört dann der Fond?



    Wenn vor einem Jahr jemand behauptet hätte es gehe im Ukraine Krieg gar nicht um Freiheit und Werte sondern um Rohstoffe, er wäre als Kriegstreiber und russischer Propangandist beschimpft worden.

    • @Jesus:

      Geht es bei dem Krieg denn um Rohstoffe? Der Krieg läuft, weil Russland die Ukraine beherrschen will, die Ukraine will hingegen möglichst souverän bleiben und ihre Territorien lieber nicht verlieren. Selbst wenn die Trump-Regierung jetzt die Unterstützung an Rohstoffe koppelt, geht es bei dem Krieg an sich nicht um Rohstoffe sondern bei der zukünftigen US-Unterstützung, außer die Regierungen der Ukraine und Russlands wären von Anfang an Trumps Marionetten gewesen und Trump würde "die Globalisten" anführen, während Biden die Grundlagen für Trumps Forderungen geschaffen hätte, als er die Ukraine durch die eigene Amtszeit brachte in Erwartung seiner Abwahl. Und diese Verschwörungstheorie lässt sich hier nicht rauslesen, wenn man nicht viel Fantasie zwischen die Zeilen fließen lässt. Außer es käme raus, dass der Fond Hunter Biden gehören würde... War dafür vielleicht die Generalamnestie? Ich falte schnell einen Aluhut

    • @Jesus:

      Bisher ging es ja auch nicht darum.

      Trump bringt völlig neue Aspekte in die Sache.