Krieg in der Ukraine: Neonazis wollen an die Front
Rechtsextreme rufen in Deutschland zu Ausreisen in die Ukraine auf. Innenministerin Faeser will das verhindern, die Polizei prüft Ausreisesperren.
Es sind Nachrichten, die in rechtsextremen Social Media Kanälen auftauchen, seit Russland seine Invasion in der Ukraine begann. Zwar hält ein Teil der Szene zu Putin und wettert gegen die Nato und den „Globalismus“. Andere aber stellen sich auf Seiten der Ukraine – aus Sympathie für nationalistische Kampftruppen wie das Asow Bataillon, das dort unter vielen anderen aktiv ist.
Das Bundesinnenministerium spricht inzwischen von Ausreisen deutscher Rechtsextremer „im niedrigen einstelligen Bereich“, die bekannt seien. Dazu gebe es Aufrufe in der Szene, „die Kampfhandlungen auf ukrainischer Seite zu unterstützen“. Gleichzeitig wird in Sicherheitskreisen eingeräumt, dass Hinweise auf Ausreisen derzeit schwer zu verifizieren seien.
Innenministerin Faeser will Ausreisen verhindern
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte nun an, weitere Ausreisen stoppen zu wollen. Hier lebenden Ukrainer:innen, die sich an den Kämpfen beteiligen wollten, könne man das rechtlich nicht verbieten, sagte sie am Donnerstag dem Deutschlandfunk. Bei Extremisten aber sei es anders. „Da wollen wir verhindern, dass sie sich an kriegerischen Aktionen beteiligen.“
Und auch Landesinnenminister wie der Thüringer Georg Maier (SPD) stimmen ein. „Wir nehmen die Aufrufe in der rechtsextremen Szene, sich an Kämpfen in der Ukraine zu beteiligen, sehr ernst und haben das genau im Blick“, erklärte Maier der taz. Es sei richtig, Ausreisen von Rechtsextremisten zu unterbinden.
Laut Bundesinnenministerium wurde die Bundespolizei schon vor Tagen „sensibilisiert“, Rechtsextreme an einer Ausreise in die Ukraine zu hindern. Würden solche Absichten bekannt, prüfe die Polizei Fahndungsnotierungen und Ausreiseuntersagen, so das Ministerium. Bei Verdachtsfällen gebe es „intensive Kontrollmaßnahmen“. Auch ein führender Verfassungsschützer erklärt: „Wir verfolgen die Werbungsversuche mit großer Aufmerksamkeit.“
Reisen die Rechtsextremen allerdings etwa privat per PKW ins Kriegsgebiet, gibt es kaum Möglichkeiten, sie zu erwischen – es sei denn sie werden an der ukrainischen Grenze nicht durchgelassen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky hatte zuletzt indes internationale Freiwillige aufgerufen, sich am Widerstand gegen die russischen Angriffe zu beteiligen.
Beteiligung an Kämpfen rechtlich erlaubt
Und tatsächlich ist eine Ausreise zu den Kämpfen völkerrechtlich erstmal nicht verboten. „Die Einreise in die Ukraine mit dem Ziel, sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder dafür ausbilden zu lassen, ist als solche nach dem deutschen Strafrecht nicht strafbar“, erklärt das Bundesjustizministerium. Die Betroffenen müssten aber als Kombattanten von Streitkräften, Milizen oder Freiwilligenkorps aufgenommen werden, als solche erkennbar sein und dürften sich nicht an Kriegsverbrechen beteiligen.
Bei den Ausreisesperren für Rechtsextreme könnte die Polizei aber auf einen Passus im Passgesetz zurückgreifen, wonach eingeschritten werden darf, wenn deutsche Staatsangehörige „erhebliche“ Handlungen im Ausland planen, die die auswärtige Beziehungen oder das internationale Ansehen der Bundesrepublik schädigten.
Rechtsextreme mobilisieren zu Sammelpunkten
Die Rechtsextremen mobilisieren derweil weiter. Besonders offensiv stellt sich „Der III. Weg“ auf Seiten der Ukraine. Die rechtsextreme Splitterpartei hält bereits seit Jahren Kontakt zu Asow. „Während der Kämpfe in der Ukraine stehen Nationalisten an vorderster Front“, wird dort bejubelt. Und bei den „ukrainischen Brüdern“ sei der „Widerstandswillen noch lange nicht gebrochen“.
Zuletzt betonte die Partei auch, dass „ausländische Freiwillige“ derzeit visafrei in die Ukraine einreisen könnten. Zudem hätten sich in Kiew zwei Brigaden aus Nichtukrainern gebildet. „Viele Freiwillige“ aus verschiedenen EU-Staaten hätten sich „bereits dem Kampf gegen die russischen Invasoren angeschlossen“. Es las sich wie ein indirekter Aufruf.
Andere Rechtsextreme werden noch konkreter. Als einer der Wortführer tritt derzeit der frühere NPD-Funktionär Tobias Schulz auf, der unter dem Pseudonym Baldur Landogart firmiert. In seinem Telegramkanal erklärte er, er werde, wenn es ihm möglich sei, „an den Kämpfen teilnehmen“. Auf älteren Fotos zeigte er sich mit Asow-Kämpfern. Nun offerierte Schulz: „Wer anstelle von einem 1000ten Corona-Spaziergang einmal an einem richtigen Kampf teilnehmen möchte, kann sich melden.“ Anschließend verschickte Schulz Kontaktadressen des rechtsextremen National Korps in der Ukraine.
In einem anderen rechtsextremen Telegramkanal wird als Treffpunkt für „Freiwillige“ die Stadt Lviv im Westen der Ukraine benannt, auch hier mit direkter Adresse. Diese führt zu einem Apartmenthotel. Ob sich dort tatsächlich deutsche Neonazis sammelten, ist aber unklar.
„Große Gefahr für die Innere Sicherheit“
Die Linken-Innenexpertin Martina Renner warnt bereits: „Deutsche Neonazis, die an Kampfhandlungen in der Ukraine teilnehmen, stellen durch ihre im Kampfeinsatz gewonnenen Erfahrungen nach ihrer Rückkehr eine große Gefahr für die Innere Sicherheit dar.“ Die Bundesregierung müsse daher „alles unternehmen“, um die Ausreisen zu verhindern und einen Plan erarbeiten, wie mit möglichen Rückkehrern umzugehen sei.
Tatsächlich scheint der Druck auf die Szene zu steigen. Ex-NPDler Tobias Schulz, der sich offenbar noch in Deutschland befindet, berichtete am Mittwoch auf seinem Telegramkanal, dass die „Staatsmacht gerade bei mir zu Hause war“. Er wolle deshalb klarstellen, dass man „lediglich humanitäre und politische Hilfe“ leiste. In früheren, teils nun gelöschten, Postings von ihm und anderen Rechtsextremen klang das indes anders.
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