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Krieg in der UkraineUN zählen mehr als 6000 Tote

Kerry und Lawrow beraten in Genf. Die OSZE bestätigt den Abzug schwerer Waffen, Berlin bietet Drohnen zur Überwachung an. Poroschenko fordert UN-Friedensmission.

Die Kämpfe in der Ost-Ukraine sind offenbar am abflauen. Bild: reuters

GENF/BERLIN/KIEW afp/ap | Im bewaffneten Konflikt in der Ostukraine sind nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen mehr als 6.000 Menschen getötet worden. Die Kämpfe hätten zu einer „schonungslosen Zerstörung“ ziviler Leben und der Infrastruktur geführt, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Seid Ra'ad al-Hussein am Montag in Genf. Am Rande der dortigen Tagung des UN-Menschenrechtsrats berieten US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow über den Konflikt.

Der Menschenrechtskommissar rief die Konfliktparteien in der Ukraine zur Einhaltung der im Minsker Abkommen vereinbarten Waffenruhe auf. Am Montag war die Lage in den umkämpften Gebieten zunächst relativ ruhig. Die Regierung in Kiew teilte am Sonntag mit, binnen 24 Stunden sei kein Soldat getötet worden, am Montag war von einem toten Soldaten die Rede.

Der eingeleitete Abzug schwerer Waffen und die weitgehende Einhaltung der Feuerpause hatten zuletzt Hoffnungen auf eine Deeskalation genährt. Lawrow sagte am Montag in Genf, es gebe „greifbare Fortschritte“. Wer nun „durch die Lieferung von Waffen eine friedliche Lösung sabotieren“ wolle, nehme „eine große Verantwortung“ auf sich.

Prorussische Separatisten kämpfen im Osten der Ukraine seit Monaten gegen die ukrainische Armee. Am 12. Februar unterzeichneten beide Seiten in der weißrussischen Hauptstadt Minsk unter internationaler Vermittlung einen Friedensfahrplan. Die Waffenruhe wurde seitdem jedoch mehrfach gebrochen, auch der Abzug schwerer Waffen verzögerte sich.

OSZE bestätigt Bewegung schwerer Waffen

Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Separatisten mit militärischen Kräften und Waffen zu unterstützen, was Moskau bestreitet. Die USA erwogen zuletzt, der Ukraine Waffen zu liefern. In der Europäischen Union wird dies allerdings weitgehend abgelehnt, insbesondere von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Vizechef der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für die Ukraine, Alexander Hug, bestätigte den Rückzug schwerer Waffen. Es würden „Waffen weg von der Frontlinie in Richtung der Abzugslinien bewegt“, sagte er am Montag im Fernsehsender Phoenix. Es sei aber „noch zu früh“, den Abzug der Waffen festzustellen.

Weiter sagte Hug, die Waffenruhe halte weitgehend. „An strategischen Punkten wie zum Beispiel östlich der Stadt Mariupol oder westlich der Stadt Donezk, in und um den Flughafen von Donezk sowie auch nördlich von Lugansk und auch in der Stadt Debalzewe finden jedoch immer noch Kämpfe statt, die wir registrieren“, fügte er hinzu.

Das Treffen Kerrys mit Lawrow in Genf fand unter schwierigen Vorzeichen statt. Kerry hatte russischen Regierungsvertretern kürzlich vorgeworfen, „ihm direkt ins Gesicht zu lügen.“ Die beiden Minister sprachen in Genf zunächst fast anderthalb Stunden und später noch einmal kurz miteinander. Aus den Gesprächen drang allerdings nichts nach draußen.

In Brüssel sollten am Montagnachmittag Verhandlungen im neuen Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine stattfinden. Der für Energiefragen zuständige EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic erklärte, er hoffe auf „einen positiven Ausgang“. In dem Streit geht es um die Versorgung der Ostukraine und um die Bezahlung der Lieferungen aus Russland.

Drohnen-Angebot an OSZE

Trotz anhaltend schwieriger Verhandlungen hat die Bundesregierung ihr Angebot zur Bereitstellung von Drohnen für die Überwachung des Konfliktgebiets in der Ostukraine erneuert. „Das Angebot - jedenfalls von deutscher Seite - ist weiter im Raum“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin.

Er bezog sich auf ein Angebot, dass Deutschland im Oktober gemeinsam mit Frankreich der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vorgelegt hatte. Dabei ging es um Unterstützung für die OSZE bei der Überwachung der Konfliktregion und der Waffenstillstandsvereinbarung.

Die Beratungen über das Angebot seien bislang aber wegen unterschiedlicher Auffassungen der Ukraine und Russlands ohne Ergebnis geblieben, sagte der Außenamtssprecher. Er berichtete von „teils schwierigen, teils kleinteiligen, teils politisch heiklen Beratungen“ im Rahmen der OSZE.

Besonders schwierig sei die Klärung der Frage, „wer hat wie wann in welcher Weise Zugang“ zu den Informationen, welche die Drohnen lieferten. Bei der Überwachung von Drohnen „fallen Informationen an, die nicht nur für die OSZE bedeutsam sind“, erläuterte der Sprecher.

Russland habe etwa Bedenken geäußert, dass die Drohnen auch Informationen über russisches Staatsgebiet liefern könnten, sagte er weiter. Ungeklärt sei auch, ob nur die OSZE solche Informationen erhalte, oder ob auch russische und ukrainische Vertreter Zugang dazu hätten. Deswegen sei es bislang „bedauerlicherweise zu keiner Einigung“ gekommen.

Poroschenko beantragt Friedensmission

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat einen formalen Antrag für eine internationale Friedensmission im umkämpften Osten seines Landes auf den Weg gebracht. Dieser richte sich an die Vereinten Nationen und an die Europäische Union, erklärte Poroschenkos Büro am Montag in Kiew. Details zur gewünschten Zusammensetzung oder zum Stationierungstermin wurden nicht bekanntgegeben.

Poroschenko hatte die Idee bereits vor einigen Tagen vorgetragen, aber wenig Unterstützung bekommen. Russland lehnt den Vorschlag ab. Die Ukraine und Russland hatten Mitte Februar in Minsk einen Waffenstillstand vereinbart. Seither sind die Kämpfe deutlich abgeflaut.

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17 Kommentare

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  • Alle Tote,Verwuestungen+Kaempfe sind im Osten der Ukraine,es handelt sich seitens Kiev nur um einen offensiven Krieg,weil Kiev preferiert Krieg statt Verhandlungen mit zurecht veraengstigten Buergern in der OstUkraine.Diese Bueger sehen das hunderttausende Russen i/d Balt Staaten vor 23 Jahren uebernacht ihre Buergerrechte verloren,nicht mehr waehlen konnten und Zweitrangsbuerger wurden,statenlos.Sie nennen sichselbst die Neger von Europa und seit 2004 von der EU.Das russ politische Parteien i/d Moldau jetzt auch auf einmal nicht mehr waehlen duerfen+Kiev nur die Armee schickt statt verhandeln zu wollen.CIA+FBI+Nato hetzen ultrarechte Elemente in KievUkraine auf,die Rechnung wird bezahlt von der EU.Wenn die EU keine schnelle Loesung findet,kommen in viele Ostblocklaender Revolutionen,besonders wenn die EU weiter stagniert und die Arbeitslosigkeit in vielen Laendern so hoch bleibt.USA+EU spielen mit Feuer das nur mit Atombomben enden kann im Herzen Europas.Unvorstellbar

  • "Berlin bietet Drohnen zur Überwachung an"

     

    Das ist doch wohl ein Witz, oder? Unsere Drohne kann doch gar nicht fliegen!

    • @Dhimitry:

      Sie darf es in Deutschland nur nicht. In der Ukraine gelten aber andere Gesetze, siehe Legalität ungenehmigter Demos, Tragen passiver und aktiver Waffen dort, Besetzung von Verwaltungsgebäuden... Da darf auch unser Dröhnchen fliegen.

  • Die Bundesregierung will der OSZE also sog. Drohen zur Verfügung stellen, quasi als 'Soft Opening' für die geplante Rundumüberwachung der Menschen in der BRD.

    • @Fotohochladen:

      Die Drohnen drohen... ;-)

  • 'Russland lehnt den Vorschlag [einer UN-Friedensmission] ab.' - Einer FRIEDENSmission der internationalen Staatengemeinschaft! Na, dadurch wird einmal mehr der skrupellose, zynische und 'mörderische' Charakter der aktuellen russischen Außenpolitik mehr als deutlich!

    • @de Toussaint Henriette:

      Lawrow kritisiert dass zunächst die in Minsk II vereinbarte OSZE-Beobachtermission an der Poroschenko teilnahm umzusetzen sei; die neue Forderung nach einer UN Friedensmission das ganze in die Länge zöge (Organisation), was eine schnellstmögliche Absicherung verhinderte. Zudem sollte man sich mal an die Abmachungen halten und vor einer Umsetzung nicht schon wieder Neues ins Spiel bringen.

    • @de Toussaint Henriette:

      "skrupellos, zynisch und 'mörderisch'", doch wie lehrte uns Einstein, alles ist RELATIV.

      • @Fotohochladen:

        ...so auch der Sinn ihres Komentares.

    • @de Toussaint Henriette:

      Bevor Sie sich hier weiter künstlich aufregen - im Minsker Protokoll findet so eine Mission keine Erwähnung. Dort ist nur die Rede von der OSZE-Beobachtermission.

  • Kerry on?

    Ich finde die Aeusserungen des amerikanischen Aussenministers voellig deplaziert und kann nur so verstanden werden, Oel ins Feuer zu giessen. Ist ja leicht, bei dem niedrigen Oelpreis. Er muss wohl bestimmte einflussreiche Waehlergruppen in Texas bedienen. Ich finde, das die europaeische Union darauf reagieren sollte. Mindestens mal die amerikanischen Botschafter einbestellen und fragen, was das soll?

    • @Hady Khalil:

      „An strategischen Punkten wie zum Beispiel östlich der Stadt Mariupol oder westlich der Stadt Donezk, in und um den Flughafen von Donezk sowie auch nördlich von Lugansk und auch in der Stadt Debalzewe finden jedoch immer noch Kämpfe statt [...]" - Wer führt dort einen völkerrechtswidrigen Krieg? Doch wohl nicht durch die USA (deren Freund ich wahrlich nicht bin), sondern durch das verbrecherische Putin-Regime! Blieben Sie bei der Wahrheit, würde dieses Seriösität für Ihren Kommentar bedeuten ... aber so!

      • @de Toussaint Henriette:

        Kiews Truppen müssen sich ja nur aus Debalzewo und weiteren Kampfgebieten zurückziehen und sich an die Minsker Vereinbarungen halten. Wo kein Angreifer da keine Verteidigung...

    • @Hady Khalil:

      Kerry redet zum Glück nur...

      Putin redet und handelt - häufig tut er genau das Gegenteil von dem was er sagt.

      Ich halte Putins Handeln für weitaus problematischer als Kerrys Reden...