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Krieg in SyrienTausenden droht der Hungertod

Die UNO will in den nächsten Tagen Hilfe an 154.000 Menschen in belagerten Orten liefern. Hilfslieferungen wurden wiederholt blockiert.

In vielen Städten hungern Syrer und Syrerinnen. In al-Ghariyah al-Gharbiyah gibt es noch Brot. Foto: reuters

Damaskus afp | In den belagerten Gebieten Syriens sind nach Angaben der Vereinten Nationen Tausende Zivilisten vom Hungertod bedroht. In den Gegenden, in denen zuletzt fast eine halbe Million Menschen eingeschlossen gewesen seien, könnten Tausende sterben, sagte der UN-Menschenrechtsbeauftragte Zeid Raad al-Hussein am Montag in Genf. Für den Nachmittag war ein Treffen der Arbeitsgruppe zur Überwachung der seit Samstag geltenden Waffenruhe angesetzt.

Nahrungsmittel, Medikamente und andere dringend benötigte humanitäre Hilfsgüter für die eingekesselten Menschen wurden Zeid zufolge „wiederholt blockiert“. Das „vorsätzliche Aushungern“ von Menschen sei aber „als Mittel des Kriegs eindeutig verboten“. Ebenso verboten seien Belagerungen.

Eine erste Hilfslieferung der UNO seit Inkrafttreten der Waffenruhe in der Nacht zum Samstag traf unterdessen in der von Regierungstruppen eingekreisten Stadt Moadamijet al-Scham südlich von Damaskus ein. Wie der Rote Halbmond mitteilte, erreichten zehn Lastwagen mit Hilfsgütern wie Decken und Hygieneartikeln die Stadt.

Wenn die Waffenruhe andauert und infolgedessen mehr Güter die Hilfsbedürftigen erreichen, will der UN-Syrienbeauftragte Staffan de Mistura die Konfliktparteien für den 7. März zu Friedensgesprächen einberufen. Der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in Syrien, Yacoub El Hillo, sagte, es bestehe die Chance, in den kommenden fünf Tagen Hilfsgüter an zusätzliche 154.000 Menschen in von Regierungssoldaten und Rebellen belagerten Gebieten zu verteilen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte Reportern in Genf, im Großen und Ganzen halte die Waffenruhe – abgesehen von einigen Zwischenfällen. Die von den USA und Russland vermittelte Feuerpause gilt für die Regierungstruppen, knapp hundert Rebellengruppen und die kurdischen Kämpfer. Von der Waffenruhe ausgenommen sind die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) und die al-Qaida-nahe Al-Nusra-Front. Die beiden Milizen kontrollieren mehr als die Hälfte des syrischen Staatsgebiets.

Der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault sagte in Genf, die Arbeitsgruppe müsse sich umgehend mit den Verletzungen der Waffenruhe befassen. Die französische Regierung werde darüber wachen, dass die Feuerpause „konkret“ umgesetzt werde. Das Auswärtige Amt entsandte den Leiter des Krisenreaktionszentrums nach Genf, „um zu prüfen, ob und wie wir das Monitoring dieser Feuerpause unterstützen können“.

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9 Kommentare

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  • Hier die Original-Rede: http://webtv.un.org/watch/zeid-ra%E2%80%99ad-al-hussein-high-level-segment-1st-meeting-31st-regular-session-human-rights-council/4779084433001#full-text

    (Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Zeid Raad al-Hussein gehört zum jordanischen Königshaus.)

     

    Die bei weitem größte belagerte Stadt ist übrigens das zur Regierung loyale Deir ez-Zur mit ungefähr 200.000 Eingeschlossenen. Ein Versuch der UN in der vergangenen Woche, dort Hillfsgüter abzuwerfen, soll wegen starker Winde fehlgeschlagen sein.

  • Zitat: "... Ebenso verboten seien Belagerungen."

     

    Das ist sachlich falsch, Belagerungen und genauer Blockaden sind grundsätzlich erlaubt.

     

    Verboten ist das "Blockieren" von nicht "Blockadefähigen" Gütern wie Lebensmittel und Medikamenten.

    (Israel sieht das in Gaza anders, aber eigentlich völkerrechtlich klar)

     

    Ebenso verboten ist Zivilisten an der Flucht aus der Kampfzohne zu hindern.

     

    Möglichweise auch erlaub ist Kleine Gebiete (Stadtteile) vollständig abzuriegen (auch von LEbensmitteln) wenn mann der Ziliefbefölkerung die Flcuht ermöglicht und ihre Versorgung sicherstellt.

    (wie z.B. für dir Rückeroberung von Faludsch im Irak ca. 2006)

  • Diese Methode des Belagerns und Umzingelns von Städten wendet das Assad-Regime seit Beginn der Massenproteste an, um sie niederzuschlagen.

    Sie schreiben an die Wände:

    Auf die Knie oder Verhungert.

    Das ist das Kriegsverbrechen der Assad-Makhlouf-Shishakli-Firmengruppe.

    Seit 2011 bezeichnen sie alle Einwohner, die sich nicht unterwerfen, pauschal als Terroristen.

    Eigentlich schon seit 1980.

    • @nzuli sana:

      Die "...Methode des Belagerns und Umzingelns von Städten..." wird seit Beginn des Krieges von allen Seiten entsprechend ihren Möglichkeiten angewandt. So wie in fast allen Kriegen.

       

      Aber für Sie gibt es bestimmt guten und bösen Hunger...

  • Wenn es einen Kessel gibt gibt es eine Gruppe die einkesselt und eine Gruppe die den Kessel verteidigt. Sind die Leute die hungern nun die, die den Kessel verteidigen oder sind sie eher als Geiseln der Verteidiger des Kessels anzusehen?

    • @Baidarka:

      Das muss man wohl von Fall zu Fall ergründen.

  • Ich hatte das neulich schon mal notiert:

    Nicht tausende ... hundertausende hungern derzeit in Ost-Äthiopien.

    Dazu liest man nix und da wird auch nicht geholfen oder thematisiert; keinerlei Kampagne oder sonstwas.

    Und das ist der eigentliche Skandal, da diese Schlagzeile ohne internationales Konfliktpotenzial und Getöse gegen irgendwen oder was (Assad, Putin, Obama, Holand, Terrorgefahr....) eben keine Schlagzeile wert ist.

    Eben"lediglich" ein ganz banales Versagen und Verschweigen der Mehrheit der internationalen Politik, Medienwelt und Menschlichkeit.

    • @Tom Farmer:

      Die Dürren wegen El Niño sind wichtig nicht zu übersehen.

      Weisen Sie auf Solidaritätsadressen hin.

      Hunger aufgrund von Vertreibung und Land grabbing ist anzuprangern und in der taz wurde darüber auch aus Äthiopien 2013 berichtet.

      Das Assad-Regime ist aber keine Naturkatastrophe und sollte nicht irgendwo verrechnet werden.

  • Gut dass darauf hingewiesen wird. Erwähnt sollte aber auch werden, dass täglich 17.000 Kinder an Hunger weltweit sterben; 30.000 Kinder an Hunger und heilbaren Krankheiten sterben.

    Und das schon vor dem Krieg in Syrien und lange danach.

    Finde es schade, dass diese Zahlen für uns schon "normal", nicht ernennenswert sind, geschweige etwas dagegen gemacht wird.