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Krieg in SudanSudans Warlords wüten immer weiter

Trotz neuer Zusagen einer Feuerpause toben schwere Kämpfe, auch in Darfur ist die Lage dramatisch. Bemühungen um Konfliktlösung treten auf der Stelle.

Rauchsäulen über Wohnhäusern in Sudans Hauptstadt Khartum am Montag Foto: Mohamed Nureldin Abdallah/reuters

Berlin taz | Der Krieg in Sudan geht in die dritte Woche, und es ist kein Ende in Sicht. 538 getötete und 4.599 verwundete Zivilisten seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen der Armee und der paramilitärischen Miliz RSF (Rapid Support Forces) am 15. April meldete am Sonntag das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Khartum.

Am Montag wurden aus Khartum erneut massive Luftangriffe und Explosionen gemeldet. Die Armee erklärte, sie wolle die RSF aus der Stadt treiben. Sie setzt auf Luftangriffe und schwere Artillerie gegen die RSF-Kämpfer, die Regierungsgebäude besetzt halten, in Khartums Polizeistationen sitzen und über Flugabwehr verfügen. Berichten zufolge wagen sich die meisten der fünf Millionen Einwohner Khartums nicht mehr aus ihren Häusern, mit jedem Tag wird die Versorgungslage schlechter.

In der Westregion Darfur ist die Provinzhauptstadt El-Geneina nahe der tschadischen Grenze weitgehend zerstört, nachdem dort am Montag vergangener Woche die RSF einen Großangriff startete. Vor den RSF-Angreifern sind inzwischen viele Angehörige der nichtarabischen Masalit-Volksgruppe über die Grenze nach Tschad geflohen, so wie vor zwanzig Jahren beim Staatsterror gegen Darfurs Aufständische durch die arabische Janjaweed-Miliz, aus der die RSF hervorging. Viele der damaligen Vertriebenen leben bis heute in Lagern, und die Lager um El-Geneina waren auch jetzt Ziel der RSF-Angriffe.

„Alle Unterkünfte in unserem Lager sind verbrannt“, zitiert der Radiosender Radio Dabanga eine Flüchtlingsfrau aus El-Geneina. Der Sultan der Masalit der Stadt sagt: „Die Leichen auf den Straßen können wegen der Angriffe nicht begraben werden.“ Er warf Sudans Armee vor, die Menschen nicht zu schützen. Nach einem zweiten Angriff auf El-Geneina am Donnerstag meldeten die Behörden zwanzig niedergebrannte Vertriebenenlager und 191 Tote.

Feuerpausen helfen nur der Evakuierung von Ausländern

Aus Tschad, wo bereits 500.000 sudanesische Flüchtlinge leben, viele davon seit Jahrzehnten, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Sonntag von 20.000 Neuankömmlingen, die meisten völlig mittellos und viele von ihnen krank. Es entstehen improvisierte Lager von mehreren Quadratkilometern in Grenznähe unter freiem Himmel. Das UNHCR sorgt sich, es gebe nur wenig Zeit, um vor dem Beginn der Regenzeit in wenigen Wochen feste Lager und eine funktionierende Versorgung einzurichten.

Auch in den Bürgerkriegsländern Südsudan und Zentralafrikanische Republik landen sudanesische Flüchtlinge zu Tausenden, ebenso in Äthiopien und Ägypten.

Offiziell haben Armee und RSF in Sudan schon fünf Feuerpausen zugesagt und immer wieder verlängert. Die gelten aber offensichtlich nicht für die Kämpfe, sondern garantieren lediglich den reibungslosen Ablauf der Evakuierung von Ausländern. Am Montag beendete Großbritannien als letztes westliches Land seine Evakuierungsflüge, nachdem es am 22. April als erstes damit begonnen hatte – vor dem letzten Flug hatten nach amtlichen Angaben 23 britische Flüge 2.122 Ausländer aus Sudan gebracht. Die USA haben nach eigenen Angaben rund 1.000 Ausländer evakuiert, Deutschland 780.

Die verbleibenden Evakuierungen laufen über den Hafen Port Sudan, direkt gegenüber von Saudi-Arabien am Roten Meer; die saudische Marine ist an vorderster Front. Ebenso läuft über Port Sudan humanitäre Hilfe an. Saudi-Arabien steht nicht von ungefähr im Zentrum der Bemühungen. In vielen Bürgerkriegsländern öffnet das Besprechen praktischer Fragen wie die Abwicklung von Hilfstransporten Gesprächskanäle zur Konfliktlösung.

Paralleler Rücktritt beider Kontrahenten nicht in Sicht

Im Fall Sudan laufen nun Bemühungen, die beiden Kontrahenten an einen Tisch zu bekommen – Staatschef Abdelfattah al-Burhan, der die Armee führt, und der stellvertretende Staatschef Hamdan Daglo Hametti, der die RSF führt. Darüber hinaus soll der international begleitete Prozess zu Sudans Demokratisierung wiederbelebt werden. Er stockt seit 2021, als das Militär die seit 2019 amtierende zivil-militärische Übergangsregierung absetzte.

Im Dezember 2022 sagten die Generäle zwar in einem „Rahmenabkommen“ die Rückkehr zu einer zivilen Übergangsregelung zu, aber die Details waren noch nicht geklärt, als ein Streit um die vorgesehene Eingliederung der RSF in die Streitkräfte zum Krieg führte.

Die Gespräche wurden von einem „trilateralen Mechanismus“ mehrerer Organisationen geführt: die UN-Mission in Sudan (Unitams), die Afrikanische Union (AU) und die Horn-von-Afrika-Regionalorganisation der Staaten am „Intergovernmental Authority on Development“ (IGAD). Unterstützt wurden sie vom sogenannten Quad aus den USA, Großbritannien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Für vergangenen Freitag rief die IGAD zu Gesprächen zwischen Sudans Kriegsparteien in Südsudans Hauptstadt Juba. Die platzten jedoch. Burhan und Hametti erklärten sich zwar grundsätzlich zu Gesprächen bereit, aber erst müsse der jeweils andere von seinem Posten zurücktreten. Nun soll es „militärisch-technische“ Gespräche im saudischen Dschiddah geben.

Unter Diplomaten kursiert das Szenario eines parallelen Rücktritts Burhans und Hamettis als Schlüssel zur Konfliktlösung. Nur weiß niemand, wie dies herbeigeführt werden könnte. Aber alle wissen, was es bedeuten würde, wenn der Krieg weitergeht. Abdallah Hamdok, Sudans 2021 abgesetzter ziviler Übergangspremier, warnte am Samstag in Kenias Hauptstadt Nairobi, eine Fortsetzung des Krieges in Sudan wäre ein „Albtraum für die Welt“, gegen den „Syrien, Jemen, Libyen im Vergleich ein Kinderspiel“ wären.

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1 Kommentar

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  • "Paralleler Rücktritt beider Kontrahenten nicht in Sicht".

    Das haben Sie ganz richtig erfasst. Ein Rücktritt ist von den Kontrahenten tatsächlich nicht zu erwarten.