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Krieg in NahostPekings doppeltes Spiel

China will zwischen Israel und Palästinensern vermitteln und schickt einen Sondergesandten. Neutral ist die Volksrepublik aber mitnichten.

Wirft Israel vor, über „Selbstverteidigung“ hinauszugehen: Chinas Außenminister Wang Yi

Peking taz | Nun soll es also Zhai Jun richten: Der langgediente Diplomat kündigte am Sonntag im chinesischen Staatsfernsehen an, als Pekings Sondergesandter in den Nahen Osten zu reisen. Er will dort für einen Waffenstillstand und Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern werben.

Bislang hatte sich China nur äußerst zurückhaltend zum Krieg in Israel geäußert. Zwar verurteilte die Regierung in Peking die Gewalt auf beiden Seiten, kritisierte jedoch nie namentlich den Terror der Hamas. Umso schwerwiegender wirkt nun die Stellungnahme von Außenminister Wang Yi vom Sonntag, in der er ganz direkt Israel für die „kollektive Bestrafung“ der Zivilbevölkerung im Gazastreifen anprangert. Die Maßnahmen Israels würden zudem über eine reine „Selbstverteidigung“ hinausgehen.

Damit zerschlägt die Volksrepublik im Westen erneut diplomatisches Porzellan. Tuvia Gering etwa, führender China-Experte in Israel, nannte die Aussagen von Wang einen „weiteren Messerstich in den Rücken Israels“.

Wie bereits Russlands Krieg gegen die Ukrai­ne bringt auch der Krieg in Nahost das Reich der Mitte in ein strategisches Dilemma. Denn Pekings Außenpolitik ist von Eigeninteressen getrieben, die überaus widersprüchlich sind: Einerseits ist Peking mit einem jährlichen Handelsvolumen von nahezu 25 Milliarden Dollar mittlerweile Israels wichtigster Handelspartner, Tendenz stark steigend. Auch als Investor spielt man eine zunehmend wichtige Rolle: Zuletzt hatten etwa chinesische Staatsunternehmen im Hafen von Haifa ein Containerterminal errichtet.

Historisch an der Seite der Palästinenser

Historisch gesehen hat sich die Volksrepublik hingegen seit ihrer Gründung stets für die Anliegen der Palästinenser eingesetzt. Die Solidarität beruhte auf der kommunistischen Doktrin, sämtliche Befreiungsbewegungen der unterdrückten Völker im Globalen Süden zu unterstützen, egal wie militant diese auftraten. Der Schulterschluss ging damals so weit, dass Führer Mao Zedong offen die Zerstörung Israels forderte.

Von dieser Radikalität ist heute wenig übrig: Pekings aktueller Machthaber Xi Jinping spricht sich mittlerweile für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, die auf den historischen Grenzen von 1967 beruht. Unlängst erst hatte sich Peking offensiv als potenzieller Vermittler ins Spiel gebracht. Denn seit man die Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eingefädelt hatte, wird die Volksrepublik als diplomatisches Schwergewicht in der Region wahrgenommen. Dabei geht es den Chinesen auch darum, sich als Alternative zur westlichen Weltordnung zu inszenieren.

Doch dieser Ansatz legt moralische Widersprüche offen: Während sich China nach wie vor weigert, den Hamas-Terror zu verurteilen, reagierte man auf die heimischen Terroranschläge der muslimischen Uiguren der 2010er Jahre mit beispielloser Härte: Hunderttausende Mitglieder der muslimischen Minderheit wurden in politische Umerziehungslager gesteckt.

Vor der eigenen Bevölkerung hilft der riesige Zensurapparat, diese Scheinheiligkeit zu übertünchen. Die Staatszeitungen kritisieren beim Krieg in Israel vor allem die USA als Provokateur, in sozialen Medien werden fast nur die zivilen Opfer der israelischen Luftangriffe gezeigt. Auf Plattformen wie Weibo ballt sich wüster Antisemitismus.

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7 Kommentare

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  • "Umso schwerwiegender wirkt nun die Stellungnahme von Außenminister Wang Yi vom Sonntag, in der er ganz direkt Israel für die „kollektive Bestrafung“ der Zivilbevölkerung im Gazastreifen anprangert. Die Maßnahmen Israels würden zudem über eine reine „Selbstverteidigung“ hinausgehen"

    Und was genau ist objektiv und faktisch falsch an der Aussage?

  • Wir müssen uns mal langsam von der Chinesischen Krake lösen so wie vorher von der russischen Gasabhängigkeit.



    Das mag vielen "globalen" Konzernen nicht gefallen, die regen Handel mit CN treiben. Es ist aber absolut notwendig. Da müssen wir durch -auch wenn der Wohlstand bei uns kurzfristig abnehmen wird! CN ist in meinen Augen noch viel schlimmer als RU!

  • Wer wäre denn neutral?

    Ich denke in solchen Fällen immer an den Satz, den Herr Bahr gegenüber Schülern eines Heidelberger Gymnasiums äußerte!

  • Es gibt China zwei Bücher / Lehren, die das ganze Land geprägt haben bez. wiederspielgen:



    1. Sunzi / Shunzu : Die Kunst des Krieges



    und



    2. die 36 Strategeme (chinesisch 三十六計 / 三十六计, Pinyin Sānshíliù jì, auch 三十六策, Sānshíliù cè) Wikipedia



    Diese Ideen sind in China seit Hunderten von Jahren Allgemeingut.



    Einfach mal reinlesen.

    • @Falkner2010:

      Die 36 Strategeme ist weniger bekannt aber in meinen Augen das interessantere Werk.

  • China verkauft Waffen an den Iran, der wiederum reicht die weiter an seine Milizen und Terroristen die den Nahen Osten mit Krieg und Gewalt überziehen. Gleichzeitig verleibt es sich jedes Korallenriff vor seiner Küste ein. Mit China ist keine stabile Weltordnung zu haben.

    • @Machiavelli:

      Es ist zweifellos wichtig, die geopolitischen Entwicklungen kritisch zu betrachten. China verkauft Waffen an den Iran, was Bedenken hinsichtlich der regionalen Stabilität aufwirft. Allerdings ist es nicht der einzige Akteur, der Waffenexporte tätigt.

      Die USA und andere Nationen sind ebenfalls bedeutende Waffenexporteure. Der Iran hat in der Vergangenheit den Vorwurf erhalten, Waffen an verschiedene Gruppen in der Region weiterzuleiten. Dies ist problematisch und trägt zur Instabilität im Nahen Osten bei. Doch es ist wichtig zu beachten, dass die USA und andere Länder auch in der Vergangenheit Waffen an verschiedene Konfliktregionen geliefert haben, was zur Eskalation von Konflikten beigetragen hat!