Krieg im Sudan: Krisen bitte nicht nach Wichtigkeit für Europa sortieren
Der Krieg im Sudan steht im Schatten des Nahen Ostens und der Ukraine. Dabei betrifft der blutige Konflikt auch uns.

V or zwei Jahren eskalierten im Sudan die Kämpfe zwischen der Armee und der Miliz Rapid Support Forces. Heute sind mehr als 30 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es ist die größte humanitäre und Vertreibungskrise weltweit. Im Schatten des Nahen Ostens und des Ukrainekriegs sind viele andere Krisen weitestgehend von der Landkarte der internationalen Aufmerksamkeit verschwunden. Das ist leider die traurige Realität.
origes Jahr besuchten uns drei Kolleginnen und Kollegen des Sudanesischen Roten Halbmonds. Auch sie wurden vertrieben und ihre Büros geplündert. Sie arbeiten weiter – trotz allem. Während ihres Besuchs wurde die neue Strategie des Auswärtigen Amts zur humanitären Hilfe im Ausland vorgestellt. Diese nimmt eine Priorisierung von Krisen vor, die Europa direkt betreffen.
Die Vorstellung, in einer globalisierten Welt solche Einteilungen vornehmen zu können, ist, vorsichtig formuliert, unrealistisch. Deutschland hat sich im vergangenen Jahrzehnt den Ruf erarbeitet, ein „guter humanitärer Geber“ zu sein. Dieser Begriff bedeutet nichts anderes, als dass die von Deutschland finanzierte humanitäre Hilfe am Maß der Not ausgerichtet war. Dies wiederum stärkte den außenpolitischen Ruf Deutschlands als am Wohl der Menschen in größter Not interessierter Akteur – ein nicht hoch genug einzuschätzendes Gut in einer immer komplexeren und polarisierten Welt.
Es besteht kein Zweifel, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe ansteigt. Gleichwohl sind von vielen Staaten drastische Kürzungen geplant, zuletzt auch im Haushaltsentwurf 2025 der Ampel-Koalition, die allein zulasten der verletzlichsten Menschen der Welt gehen. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag bekennt sich zumindest dazu, die ausreichende Finanzierung der humanitären Hilfe sicherstellen zu wollen.
ist Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK).
Aber diese Absicht wird sich anhand konkreter Taten messen lassen müssen. Maßstab sollte zumindest der Haushaltsansatz des Jahres 2023 sein, denn es sind heute nicht weniger Menschen in Not als damals, sondern viele mehr. In den Augen der Mitarbeitenden des Sudanesischen Roten Halbmonds war die Frage zu sehen, ob der dortige Konflikt eine Krise sei, die Europa direkt betreffe. Eine Frage, auf die ich hoffe, niemals eine Antwort geben zu müssen.
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