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Krieg im SudanKrisen bitte nicht nach Wichtigkeit für Europa sortieren

Gastkommentar von Christof Johnen

Der Krieg im Sudan steht im Schatten des Nahen Ostens und der Ukraine. Dabei betrifft der blutige Konflikt auch uns.

Besonders die Kinder leiden unter dem Krieg im Sudan. Hier eine Klinik in Port Sudan Foto: El Tayeb Siddig / Reuters

V or zwei Jahren eskalierten im Sudan die Kämpfe zwischen der Armee und der Miliz Rapid Support Forces. Heute sind mehr als 30 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es ist die größte humanitäre und Vertreibungskrise weltweit. Im Schatten des Nahen Ostens und des Ukrainekriegs sind viele andere Krisen weitestgehend von der Landkarte der internationalen Aufmerksamkeit verschwunden. Das ist leider die traurige Realität.

origes Jahr besuchten uns drei Kolleginnen und Kollegen des Sudanesischen Roten Halbmonds. Auch sie wurden vertrieben und ihre Büros geplündert. Sie arbeiten weiter – trotz allem. Während ihres Besuchs wurde die neue Strategie des Auswärtigen Amts zur humanitären Hilfe im Ausland vorgestellt. Diese nimmt eine Priorisierung von Krisen vor, die Europa direkt betreffen.

Die Vorstellung, in einer globalisierten Welt solche Einteilungen vornehmen zu können, ist, vorsichtig formuliert, unrealistisch. Deutschland hat sich im vergangenen Jahrzehnt den Ruf erarbeitet, ein „guter humanitärer Geber“ zu sein. Dieser Begriff bedeutet nichts anderes, als dass die von Deutschland finanzierte humanitäre Hilfe am Maß der Not ausgerichtet war. Dies wiederum stärkte den außenpolitischen Ruf Deutschlands als am Wohl der Menschen in größter Not interessierter Akteur – ein nicht hoch genug einzuschätzendes Gut in einer immer komplexeren und polarisierten Welt.

Es besteht kein Zweifel, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe ansteigt. Gleichwohl sind von vielen Staaten drastische Kürzungen geplant, zuletzt auch im Haushaltsentwurf 2025 der Ampel-Koalition, die allein zulasten der verletzlichsten Menschen der Welt gehen. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag bekennt sich zumindest dazu, die ausreichende Finanzierung der humanitären Hilfe sicherstellen zu wollen.

Christof Johnen ​

ist Leiter des Bereichs Internationale Zusammen­arbeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK).

Aber diese Absicht wird sich anhand konkreter Taten messen lassen müssen. Maßstab sollte zumindest der Haushaltsansatz des Jahres 2023 sein, denn es sind heute nicht weniger Menschen in Not als damals, sondern viele mehr. In den Augen der Mitarbeitenden des Sudanesischen Roten Halbmonds war die Frage zu sehen, ob der dortige Konflikt eine Krise sei, die Europa direkt betreffe. Eine Frage, auf die ich hoffe, niemals eine Antwort geben zu müssen.

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12 Kommentare

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  • Wir setzen uns ja bei Gaza auch nicht ausreichend ein.



    Dennoch ein Punkt, um beides zu machen: Nüchterne Analyse aus bundesdeutscher Sicht, aber beim Handeln mehr von universalen Prinzipien ausgehen.

  • Im Sudan sind also annähernd zwei Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dazu fällt mir Alpha Blondys Song "Les imbéciles" ein, in dem es heißt: "Les ennemis de l'Afrique ce sont les Africains".



    Hier zu hören und zu lesen:



    www.youtube.com/watch?v=Y3mVIGeigME



    Obwohl mehr als ein Vierteljahrhundert alt leider immer noch aktuell.



    Ob Hilfe aus Deutschland dort effizient ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich denke aber, jede Hilfe, die Menschenleben rettet, ist besser als keine Hilfe - auch wenn dahinter Imagepflege steckt.

    • @e2h:

      Das ist ein blöder Spruch: Die Feinde der Afrikaner sind Afrikaner. Es sind Menschen, die neidisch sind, gierig, machtbesessen und es gibt keinen Hauch von Unterschied zwischen Afrikanern und Europäern oder sonstwem der Gattung Homo sapiens. Es ist DAS Grundübel unserer Spezie.

      • @Perkele:

        Das ist kein "blöder Spruch", sondern die Zurückweisung einer paternalistischen Haltung gegenüber Afrikanern durch einen Afrikaner - Alpha Blondy. Er hat beim Afrika-Festival 2018 in Würzburg auf der Bühne einiges zum Thema Verantwortung für Krieg und Gewalt gesagt (auch zum Nahostkonflikt).



        Wer die Verantwortung für Kriege in Afrika auf Dritte abschiebt, behandelt die Afrikaner wie große Kinder, die noch nicht strafmündig sind.

        • @e2h:

          Die Verantwortung für Kriege in Afrika schiebe ich keineswegs allein auf Dritte ab. Es bleibt jedoch unbestritten, dass in den allermeisten Fällen irgendwelche westliche oder auch russische, chinesische Interessen im Hintergrund herumgeistern . Der allerletzte, der afrikanische Menschen herablassend betrachtet, behandelt, das bin ich. Ich habe fast mein gesamtes Berufsleben lang mit den Leuten zusammengerabeitet und bis heute viele Freunde dort.

    • @e2h:

      Der Spruch von Alpha Blondy greift ein wenig kurz im Sudan. Vor allem die Türkei, Katar und Saudi Arabien halten mit Geld und Waffen den Konflikt am laufen. Alle drei sind strategische Partner Europas und Deutschlands.

      • @Andreas J:

        Dann lesen Sie bitte mal den ganzen Text. Egal ob Sudan, Somalia, Kongo, Angola... Da hatten häufig irgendwelche anderen Staaten ihre Finger im Spiel. Ohne Geld und/oder Waffen aus dem Ausland wurde keiner dieser Kriege geführt. Trotzdem sind die Kriegsparteien keine Unschuldslämmer, die von irgendwem verführt worden sind.

        • @e2h:

          Unschuldslämmer sind die ganz gewiss nicht, aber man schenkt einem Brandstifter kein Feuerzeug. Übrigens sind dort deutsche Sturmgewehre im Umlauf in in Saudi Arabien mit deutscher Lizenz hergestellt werden und über Katar nach Somalia gelangen.

        • @e2h:

          Der Krieg hat aber rein lokale Gründe, ausländische Mächte sind involviert aber es würde auch ohne die gekämpft werden.

      • @Andreas J:

        Und Russland, das mit Ex-Wagner-Söldnern sogar direkt vor Ort in Kämpfe involviert ist, erwähnen Sie nicht?

        • @TheBox:

          Das steht jetzt in welchem Zusammenhang mit der befürchteten Kürzung humanitärer Hilfe Deutschlands?

  • Wir haben deswegen einen guten Ruf als Geldgeber weil wir keine Fragen stellen.



    Uns geht es ja auch nicht darum wirklich zu helfen sondern um den eigenen Distinktionsgewinn. Dafür ist dann auch total egal wenn die eigene Förderung seit Jahrzehnten völlig ineffizient ist.