Krieg im Kongo: Rebellen im Leerlauf
Die M23-Rebellen im Ostkongo tun sich schwer mit dem Aufbau ziviler Strukturen. Aber Krieg führen sie derzeit nicht. Wie lange geht das noch gut?
BUNAGANA taz | Auf dem Zollparkplatz von Bunagana, einer Kleinstadt an der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Uganda, steht ein kostbarer Fuhrpark. Die Limousine von Kongos Präsident Joseph Kabila für Besuche in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma. Orangene Straßenbaugeräte. Diverse Jeeps.
All das haben die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) Anfang Dezember aus Goma mitgenommen. Was nicht zum Truppentransport oder als Dienstwagen taugt, steht hier nutzlos herum, bewacht von einem einzigen gelangweilten Soldaten.
Es ist wie ein Symbol des Zustandes der M23 insgesamt. Ihr im April 2012 begonnener furioser Krieg gegen Kongos Regierung führte die von desertierten Tutsi-Generälen geleitete Bewegung im November bis nach Goma. Dann war der internationale Druck so groß, das sie zehn Tage später wieder aus der Millionenstadt abzogen, die Waffen schweigen ließen und in Uganda Verhandlungen mit Kongos Regierung aufnahmen. Seitdem scheint die Rebellenarmee nicht so richtig zu wissen, was sie mit sich anfangen soll.
Getankt wird drüben
In Bunagana residiert M23-Präsident Jean-Marie Runiga in einer imposanten Backsteinvilla auf einem Hügel direkt an der Grenze mit herrlichem Blick nach Uganda. Dem Kongo kehrt die Villa den Rücken zu.
Das gilt für die gesamte Grenzstadt: Das allgemein akzeptierte Zahlungsmittel ist der ugandische Shilling, nicht der kongolesische Franc. Das ist allerdings schon lange so. Die Menschen in den Lehmhütten von Bunagana laufen mit Hirse, Kartoffeln und anderen Agrarprodukten über die Grenze nach Uganda und kaufen dort Waren wie Seife und Salz. Auch getankt wird drüben. Politik wird auf dem staubigen Markt von Bunagana, ohne Strom und fließendes Wasser, nicht gemacht. Im vertraulichen Gespräch beklagen Beobachter den Mangel an politischer Führung und Strategie bei den Rebellen. Krieg führen können sie, aber regieren?
Faktischer Leiter der M23-Ziviladministration ist Benjamin Mponima, Chef der Distriktverwaltung von Rutshuru, der größten Stadt im Rebellengebiet. In einer – in Goma erbeuteten weißen Limousine – kommt der akkurat gekleidete junge Mann zu seinem Büro angerauscht. Die Gebäude sind frisch gestrichen, der Vorplatz gesäubert und bepflanzt, alles in unbezahlter, gemeinnütziger Arbeit. An seinem Schreibtisch vor der Nationalflagge breitet Mponima die leeren Hände aus, als er nach der Finanzlage gefragt wird.
Weniger Steuern und Zölle
„Wir haben als Armee angefangen. Die Verwaltung kam erst später“, erklärt Mponima, für den die M23 schon seine dritte Rebellenbewegung ist. „Wir haben als erstes viele staatliche Stellen abgeschafft, die von der Bevölkerung Gelder kassierten.“ Man habe Steuersätze gesenkt, Steuereintreiber entlassen, die bisherigen Geheimdienste aufgelöst. „Wir arbeiten lieber mit geringen Mitteln, als die Bevölkerung auszubeuten.“ Es gibt nur noch je eine einzige Steuer- und Zollbehörde statt der Dutzenden gefräßigen Dienste von früher, bestätigt ein Zöllner in Bunagana. „Mit diesen Leuten arbeitet es sich viel besser.“
Ostkongo lebt vom Außenhandel, und der lukrative Fernverkehr mit Uganda läuft über das Regierungsgebiet. Nur müssen die Fernlaster auf dem Weg nach Goma durch das M23-Gebiet – und die Rebellen besteuern den Transit. Davon leben sie.
Überwachte Blauhelme
Alle Einnahmen gehen direkt an die M23-Zentrale, und die versorgt vorrangig die Soldaten, sagt Administrator Mponima. Alle bestätigen: Wenn die M23 eines verbessert hat, dann die Sicherheitslage. Anders als die Regierungstruppen belästigen die M23-Soldaten die Bevölkerung nicht, auch wenn sie den ganzen Tag in großer Zahl in Bunagana herumlungern.
Wenige Kilometer nördlich von Goma endet das M23-Gebiet. Von den Hügeln von Munigi aus überblicken die Rebellen die ganze Stadt. Eingequetscht dazwischen, unten an der Straße, liegt eine große UN-Basis. Die Rebellen überwachen die Blauhelme – nicht umgekehrt.
Zwischen diesen Frontstellungen und Goma ist kein einziger Regierungssoldat zu sehen. Goma steht offen. Kaum jemand bezweifelt, dass die M23 das irgendwann ausnutzen wird. „Wir wurden gezwungen, nach Kampala zu gehen“, tut M23-Sprecher Amani Kahasha die Verhandlungen mit Kongos Regierung in der ugandischen Hauptstadt ab. „Eine Lösung werden die Verhandlungen nicht bringen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin