Kretschmann und die Kanzlerin: Verbotene Liebe

Die Grünen-Chefin kritisiert Kretschmann für sein Merkel-Lob. Es gebe keine Vorfestlegungen auf Kanzlerkandidaten, sagt Simone Peter.

Kretschmann und Merkel

Verstehen sich gut: Winfried Kretschmann und Angela Merkel Foto: dpa

BERLIN taz | Er hat es schon wieder getan. Dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Kanzlerin schätzt, ist kein Geheimnis. Aber so ein offensives Lob kurz vor dem Bundestagswahljahr ist dann doch bemerkenswert.

Er „fände es sehr gut“, wenn Merkel 2017 noch einmal als Kanzlerkandidatin anträte, sagte Kretschmann am Mittwochabend in der ARD bei Sandra Maischberger. Merkel sei derzeit sehr wichtig in der europäischen Krise. „Der Kurs, den sie fährt, den halte ich für richtig.“ Er könne sich ganz schwer vorstellen, wer den Job sonst machen könne.

Ein wichtiger Grüner empfiehlt dem Wahlvolk die CDU-Kanzlerin? Gut eine Stunde plauderte der Oberrealo aus dem Südwesten mit der Moderatorin, er wirkte entspannt, nachdenklich und gut gelaunt. Führende Grüne in Berlin dürften beim Zuschauen zu Hause in die Faust gebissen haben.

Die Grünen bereiten sich gerade auf den Bundestagswahlkampf 2017 vor, abgesprochen zwischen allen Spitzenleuten ist ein Kurs der Eigenständigkeit. Das bedeutet: Die Grünen sagen nicht, ob sie lieber in einem schwarz-grünen Bündnis mit Merkel regieren wollen – oder ob sie ein Linksbündnis mit SPD und Linken bevorzugen. So wollen sie eher bürgerliche und eher linke WählerInnen gleichermaßen ansprechen und die Vorlieben der beiden Parteiflügel austarieren.

Strategisches Gleichgewicht

Kretschmann ignoriert dieses strategische Gleichgewicht – und wirbt öffentlich für Merkel, obwohl jene sich noch gar nicht erklärt hat. Die Grünen-Spitze in Berlin mühte sich am Donnerstag um Schadensbegrenzung. „Wir wollen Merkels Große Koalition ablösen und werden dabei ganz bestimmt keine Vorfestlegungen auf etwaige Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten vornehmen“, sagte die Parteivorsitzende Simone Peter der taz.

Die Grünen kämpften 2017 für einen Politikwechsel im Land, sagte Peter weiter. „Dabei werden wir uns kritisch mit Merkels Politik auseinandersetzen, die den Klimaschutz blockiert, den sozialen Zusammenhalt schwächt und Europa mit ihrem Kaputtsparkurs spaltet.“

Kretschmann hingegen hat aus seinem Respekt für Merkel nie ein Geheimnis gemacht. Während der so genannten Flüchtlingskrise hatte er mehrfach ihren Ansatz gelobt, auf eine europäische Lösung zu setzen. Kretschmann trug auch von Anfang an Asylrechtsverschärfungen mit, für die Merkel die Ja-Stimmen von Grünen im Bundesrat brauchte. Sein nicht ganz ernst gemeinter Satz, er bete jeden Tag für die Kanzlerin, wurde zum geflügelten Wort.

Lob für Seehofer

Grüne des linken Parteiflügels reagierten am Donnerstag nicht so diplomatisch wie die Parteichefin. „Als Grüner Werbung für Merkel machen und Rot-Rot-Grün verteufeln kann man natürlich machen“, twitterte zum Beispiel Nordrhein-Westfalens Landeschef Sven Lehmann. „Aber dann ist man halt eins nicht: eigenständig.“ Das darf man als deutliche Kritik verstehen.

Auch ein weiterer Satz von Kretschmann sorgte für Ärger. Über die Strecke gesehen sei ihm Horst Seehofer näher als Bodo Ramelow, sagte der Ministerpräsident, also er von der Moderatorin vor die Wahl zwischen beiden gestellt wurde.“ Als Regierungschef eines Geberlandes und als Vertreter wirtschaftsstarker Regionen verbinde ihn vieles mit Seehofer.

Die Grüne Jugend kritisierte dieses Bekenntnis auf Twitter scharf. „Kretschmann fühlt sich dem Hetzer Seehofer näher als Bodo Ramelow“, schrieb die Sprecherin Jamila Schäfer „Das widert mich mehr an als sein Applaus für Angela Merkel.“ Andere Grüne wollten auf taz-Anfrage lieber nicht Stellung nehmen. „Wenn man sich ständig über Kretschmann empört, wertet man seine Interventionen nur auf“, sagte ein genervter Parteilinker.

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