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Kreisreform in ThüringenRot-Rot-Grün stoppt zentrales Projekt

Die thüringische Landesregierung gibt die geplante Kreisreform auf. Für Rot-Rot-Grün ist das eine schwere politische Niederlage.

„Es muss von unten wachsen“: Bodo Ramelow nach der Sitzung Foto: dpa

Erfurt taz | Thüringen verzichtet auf wesentliche Teile der geplanten Gebietsreform. „Wir werden von uns aus keine einseitigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Neugliederung von Kreisen in den Vordergrund der Debatte stellen“, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) am späten Donnerstagabend nach einer fünfstündigen Sitzung des Koalitionsausschusses. Damit ist die Neugliederung der bislang 17 Kreise in dem Land mit 2,1 Millionen Einwohnern vorerst auf Eis gelegt.

Geblieben ist lediglich die Option für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse bis Ende März 2018. Die Landesprämien dafür wurden verdoppelt. Aufgegeben wurde auch das Kooperationsmodell der Verbandsgemeinde nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz. Über eine Verwaltungs- und Gebietsreform wurde wegen der extrem kleinteiligen Strukturen Thüringens bereits unter vorangegangenen Regierungen unter CDU-Führung diskutiert.

Die im Herbst 2014 gebildete Koalition aus Linkspartei, SPD und Grünen erhob sie zur zentralen Aufgabe dieser bis 2019 währenden Legislaturperiode. Sie stieß dabei aber auf den Widerstand der CDU-Opposition, von Landräten und Teilen der Regionalbevölkerung. Zuletzt war das Vorhaben auch innerhalb der Koalition umstritten. Innenminster Holger Poppenhäger (SPD) trat zurück. Sein Nachfolger Georg Maier (SPD) bekam für die Gebietsreform einen neuen Staatssekretär.

Das offizielle Papier des Koalitionsausschusses erklärt die Gebietsreform auch weiterhin für unerlässlich und zu einem „Handlungserfordernis einer zukünftigen Landesregierung“. Ministerpräsident Ramelow formulierte, das Reformvorhaben sei nicht beendet, sondern bekomme eine „neue Qualität“. Zu der gehört der angestrebte „Kommunalfrieden“, der eine verbesserte Zusammenarbeit mit Amtsträgern und Bürgern vor Ort meint.

CDU-Fraktionschef Mike Mohring wertete den Stopp der Reform als eigenen Erfolg und forderte Ramelow zum Rücktritt auf, um Neuwahlen zu ermöglichen. Der Ministerpräsident hatte erst kürzlich seine erneute Kandidatur zur Landtagswahl im Herbst 2019 angekündigt. Laut einer INSA-Umfrage von Mitte Oktober liegt die Linkspartei nur noch bei 20 Prozent Zustimmung und verliert gegenüber der Wahl 2014 acht Prozentpunkte. Die Koalition zusammen brächte es nur noch auf 37 Prozent (SPD: 13 Prozent, Grüne: 4 Prozent).

Aber auch die CDU büßt mit 31 Prozent zweieinhalb Punkte ein. Die AfD hingegen steigt auf 20 Prozent, die FDP auf 7 Prozent. Vor vier Wochen hatte auch die Brandenburger Landesregierung Pläne für eine Kreisgebietsreform wegen der Widerstände fallen gelassen.

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7 Kommentare

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  • Also wenn so was unpolitisches wie eine Kreisreform ein zentrales Projekt ist, dann wundert es wenig dass die Regierung nicht so populaer ist...

    • @Christian Schmidt:

      Landespolitisch ist das schon eine Nummer.

  • Wurde auch Zeit.

    Linke, SPD und Grüne kommen in jüngsten Umfragen nur auf 37 Prozent (die Grünen unter 5).

    CDU, AfD und FDP stehen bei 58 Prozent.

    Dass dieses autoritäre Topdown-Vorgehen nun begraben wird, lässt R2G noch eine kleine Chance, bis 2019 entscheidende Stimmen zurückzugewinnen.

  • Weshalb ist es eine Niederlage, wenn eine Regierung zu dem Schluss kommt, dass ein geplantes Vorhaben nicht weiter verfolgt werden soll? Das kann man auch als ein Ernst nehmen von Wählerinnen und Wählern interpretieren. Zudem öffnet diese Entscheidung zumindest prinzipiell die Chance auf eine stärker beteiligungsorientierte spätere Bearbeitung des Themas.

    Jürgen Klute

    • @Jürgen Klute:

      Machen Sie sich nichts vor: Das Thema Kreisreform ist in Thüringen für die nächsten 10 bis 20 Jahre "tot".

       

      Das ist schade, weil die Kreisstruktur sicher verbesserbar wäre, aber die Landesregierung hat sich sehr "bemüht" die Zustimmung an die Wand zu fahren. Und das wird sich auf viele Jahre hin nicht mehr ändern lassen.

    • @Jürgen Klute:

      Sehe ich genauso. Wenn Politiker sich auf Gegebenheiten einstellen und ihr Vorgehen ändern, wird das in den Medien gern in ein Sieg/Niederlage-Schema gepresst, das der Sache aber oft nicht gerecht wird.

      • @Andreas V.:

        Genau. Ich gratuliere Herrn Ramelow von ganzem Herzen zu seinem (gewiss nicht leicht errungenen) Sieg - über sein eigenes Ego, das ihn bisher so verdammt schlecht beraten hatte. Nun hoffe ich sehr, dass seine Basis und seine Wähler Ramelows Bereitschaft, seinen Kopf ein paar Millimeter vor der Wand im letzten Moment noch abzubremsen und seine Stoßrichtung zu korrigieren, honorieren werden. Sollten die Thüringer nur halb so vernünftig sein wie ihr Ministerpräsident, könnte das der Anfang vom Ende der Thüringer AfD werden. Statt also martialisch herumzutönen, sollte Michael Bartsch den Thüringern lieber die Daumen drücken. Dafür, dass sie nicht noch autoritärer gestrickt sind, als manche taz-Autoren.