Korruptionsvorwürfe in Brasilien: Michel Temers Gegenattacke
Eine Krisensitzung jagt die nächste. Brasilien ist nach brisanten Enthüllungen in Aufruhr. Im Zentrum des Sturms: der Präsident. Er will nicht zurücktreten.
Er sprach von manipulierten Beweisen und forderte, dass der Oberste Gerichtshof die Ermittlungen gegen ihn aussetzt. Neben Vorwürfen wie Schweigegeldabsprachen soll Temer vom Fleischkonzern JBS für seine letzte Wahlkampagne 15 Millionen Reais (4,2 Mio Euro) erhalten und eine Million (280.000 Euro) in die eigene Tasche gesteckt haben.
Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot ermittelt gegen ihn wegen Behinderung der Justiz, Korruption und organisierter Kriminalität – der Oberste Gerichtshof soll über eine Aussetzung der Ermittlungen am Mittwoch entscheiden. In einer Erklärung griff Temer am Samstag Joesley Batista, Besitzer des weltgrößten Fleischkonzerns JBS, frontal an – dieser hat die Vorwürfe in Justizaussagen erhoben.
Dabei geht es neben möglicher Korruption um von Batista getätigte Mitschnitte, die eine Verwicklung Temers in Schweigegeldzahlungen für Ex-Parlamentspräsident Eduardo Cunha belegen sollen, der bereits im Gefängnis sitzt, und zu kriminellen Geschäften auspacken könnte.
Dieser Mitschnitt sei manipuliert, er habe keine Absprachen über Schweigegeld getroffen, behauptete Temer. Nach Veröffentlichung der Batista-Mitschnitte, die ein politisches Beben ausgelöst hatten und Brasiliens Börse zum Absturz brachten, drehte Temer den Spieß nun um.
Höhepunkt im Korruptionsskandal
Er wirft ihm vor, einen Skandal konstruiert zu haben, um sich zu bereichern. Temer beschuldigt Batista des kriminellen Insiderhandels. Dessen Unternehmensgruppe hätte am Tag vor Bekanntwerden des Skandals „eine Milliarde Dollar“ gekauft. Am Donnerstag stürzte der Leitindex Bovespa um über 10 Prozent ab, auch der Real verlor massiv an Wert.
Dadurch wurde der Kauf von Devisen wie des Dollars viel teurer als noch am Vortag. Zudem sagte Temer, dass JBS am Tag vor den brisanten Veröffentlichungen massenhaft eigene Aktien verkauft habe; die Papiere verloren am Donnerstag dann ebenfalls stark an Wert. „Er hat das perfekte Verbrechen begangen“, sagte Temer über Batista.
„Er hat uns Brasilianer betrogen und nun lebt er in den USA.“ Batista, dem auch der bekannte Flip-Flop-Hersteller Havaianas gehört, ist laut Berichten in seine Wahlheimat New York ausgereist. Temer kritisierte, dass er noch frei herumlaufen könnte. Der Krimi ist ein Höhepunkt in dem seit Jahren schwelenden Korruptionsskandal, in den auch Konzerne wie Petrobras und Odebrecht verwickelt sind.
Über Jahre waren Unternehmen wie JBS fast gezwungen, Schmiergelder zu zahlen, um bei Aufträgen zum Zuge zum kommen. Neben Temer droht auch noch großes Ungemach für die Vorgängerregierungen von Dilma Rousseff und Luiz Inácio Lula da Silva.
JBS zahlte für seine kriminellen Handlungen und Korruptionsgeschäfte in einem Vergleich mit der Justiz rund 65 Millionen Euro. Batista kooperiert vollumfänglich. Allein in Schmiergeldgeschäfte mit JBS sollen die drei genannten Präsidenten, knapp 30 Senatoren und rund 180 Abgeordnete verwickelt sein.
Die politische Klasse ist diskreditiert
Aber gegen Temer gibt es im „Brasilien-Gate“ weitere stark belastende Vorwürfe, die er bisher nicht ausräumen kann. Temer erfährt laut des Mitschnitts, dass Batista Spitzel in der Justiz hat, die ihn über den Gang der Ermittlungen gegen JBS informierten. Wenn ein Präsident so etwas toleriere, sei das eine klare Behinderung der Justizarbeit, betonen Kommentatoren.
Außerdem gibt es Aufnahmen, wie ein Temer-Vertrauter von einem JBS-Direktor einen Geldkoffer mit umgerechnet 146.000 Euro entgegennimmt. Fotos und den Mitschnitt übergab Batista einem Richter des Obersten Gerichtshofes – Temer tappte also in eine Falle und sieht sich als Verschwörungsopfer.
In einer ungewöhnlichen Stellungnahme betonten die Kommandeure von Marine, Heer und Luftwaffe, dass man sich trotz der dramatischen Krise an die Verfassung halte. Die Militärs trafen sich mit Temer.
Er ist regulär bis Ende 2018 im Amt. Das politische Beben trifft die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt in einer Phase, in der sie langsam die bisher tiefste Rezession überwindet. Nun droht eine lange politische Lähmung, was die Finanzmärkte stark beunruhigt. Die politische Klasse ist so diskreditiert, dass auf Demonstrationen sogar verstärkt eine Machtübernahme des Militärs gefordert wird.
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