Korruptionsskandal bei der Fifa: Die Uefa droht nur ein wenig
Angst vor der eigenen Courage: Die Wiederwahl von Fifa-Präsident Blatter scheint trotz des Korruptionsskandals sicher zu sein.
Die Fußballkontinente Asien und Afrika stehen trotz des aktuellen Korruptionsskandals fest zu Blatter. Der 79-Jährige ist ihr Mann. Der AFC und die CAF, wie die Verbände in Kurzform heißen, liefern dem Fußballboss immerhin 100 der insgesamt 209 Stimmen.
Aber tritt Blatter überhaupt an? Natürlich. Zwar wurden vorgestern fast ein Dutzend Fifa-Funktionäre wegen Korruption in Gewahrsam genommenund gestern etliche hochrangige Fifa-Mitglieder von der Schweizer Staatsanwaltschaft vernommen. Doch der vife Greis bewegt sich in diesem Justiz-Thriller wie ein Baum im Auge des Orkans. Er wankt kaum.
Das hätte der europäische Fußballverband Uefa gern geändert. Demonstrativ stellte er sich gegen den Patriarchen Blatter, der den Fußballweltverband seit mehr als drei Jahrzehnten als Generalsekretär und Präsident geprägt hat. Der Chef des englischen Fußballverbands FA, Greg Dyke, sagte am Donnerstag in Zürich, Blatter solle sofort zurücktreten: „Es gibt keinen Weg, um Vertrauen in die Fifa wiederaufzubauen, während Sepp Blatter nach wie vor da ist.“ Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Wolfgang Niersbach, findet, „dass ein Wechsel an der Fifa-Spitze angebracht wäre“.
„Geh weg!“
Auch Uefa-Chef Michel Platini wurde deutlich: „Ich bin fertig“, sagte er, „das war viel zu viel, ich liebe die Fifa, aber ganz ehrlich: Ich bin sprachlos.“ In einem persönlichen Gespräch will er Blatter, seinem „Freund“, unter Tränen ins Gesicht gesagt haben, dass er gehen soll: „Sepp, lass es sein. Geh weg von der Fifa!“ Blatters Replik: „Es ist zu spät. Ich kann nicht aufhören. Nicht zu Beginn des Kongresses.“ Blatter will bleiben.
Die Uefa forderte gestern zunächst eine Verschiebung der Wahl. Sogar ein Boykott des Votums stand zur Debatte, aber es blieb dann bei der Drohung. Mit einem Boykott hätten die Europäer zwar Blatter eins auswischen, aber auch nicht für dessen Gegenkandidaten stimmen können, für Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien.
„Bitte unterstützt Ali, wir brauchen die Moral, wir brauchen einen neuen Präsidenten!“, rief Platini nun die Fifa-Funktionäre auf. Und er wartete mit einer weiteren Drohung auf: Bei einer Sondersitzung in Berlin in der kommenden Woche wolle die Uefa über einen Rückzug ihrer Teams aus allen Fifa-Wettbewerben beraten. Ernsthaft?
Blatter selbst hatte am Mittwoch, dem Tag der spektakulären Verhaftungen im Zürcher Hotel Baur au Lac, auf einen öffentlichen Auftritt verzichtet und nur eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Konklusio: „Derartiges Fehlverhalten hat im Fußball keinen Platz. Wir werden dafür sorgen, dass alle daran beteiligten Personen aus dem Fußball entfernt werden.“ Was die Fifa dann auch tat. Die Bösewichte wurden suspendiert.
Strategisches Interesse
Auch am Donnerstag machte sich Blatter zunächst rar, traf sich dann aber mit den Fußballchefs aller Kontinente – auch mit Platini, der ja ebenfalls ein Fifa-Funktionär ist.
Die Europäer haben ein strategisches Interesse, Blatter zu schwächen, um selbst mehr Einfluss zu gewinnen. Ihnen geht es zum Beispiel gegen den Strich, dass Länder wie Bhutan oder Grenada dasselbe Stimmrecht haben wie Deutschland oder Spanien. Auch der Vorstoß der Fifa, die WM-Startplätze der Europäer für das Turnier 2018 in Russland womöglich zu reduzieren, schmeckte den Sachwaltern des europäischen Kicks gar nicht. Doch wie durchdacht war die Attacke auf Sepp Blatter überhaupt? War sie wirklich ernst zu nehmen?
„Mir scheint, dass die Uefa überhaupt keine Strategie hat“, sagte Sylvia Schenk, die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International (TI). „Momentan hat es den Anschein, als ob bei der Uefa jeder versucht, seine Haut zu retten.“ Platini gehöre bei der Fifa selbst zur Exekutive. „Wahrscheinlich hat die Uefa auch Angst, dass sie ihre eigenen Reihen gegen Blatter nicht geschlossen bekommt“, sagte die 62-Jährige.
Die Uefa war ja schon kläglich gescheitert mit der Platzierung eines eigenen Kandidaten: die Franzosen Jerome Champagne und David Ginola, der Holländer Michael van Praag und der Portugiese Luis Figo zogen allesamt ihre Kandidatur zurück. Figo sendete zwar noch eine böse Botschaft an Blatter (“Ich werde weiter zur Verfügung stehen, sobald nachgewiesen ist, dass die Fifa keine Diktatur ist“), aber mehr als ein bisschen Tamtam brachten die Europäer bisher nicht zustande. So ist es auch in diesen turbulenten Tagen gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen