Korruptionsskandal bei CDU/CSU: Moralische Kernschmelze

Die Maskendeals und Geschäftskontakte mit Aserbaidschan erschüttern die Union. Aber sie hat selbst die Basis für diese diese Skandale geschaffen.

Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, geben eine Pressekonferenz

Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt haben ihren Abgeordneten ein Ultimatum gestellt Foto: Kay Nietfeld/dpa

In der Union brennt die Hütte, anders kann man diesen Brief nicht interpretieren. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt haben ihren Abgeordneten ein Ultimatum gestellt. Die ParlamentarierInnen müssen bis diesen Freitag eine Erklärung abgeben, keine finanziellen Vorteile durch die Coronapandemie erzielt zu haben.

Es spricht Bände, dass sich die Fraktionsführung zu diesem beispiellosen Schritt genötigt sieht. Die Union steht ratlos vor einer moralischen Kernschmelze. Über 70.000 Menschen sind bisher an oder mit dem Virus gestorben, Hunderttausende fürchten um ihre Existenz. Dass sich Abgeordnete wie Georg Nüßlein und Nikolas Löbel in dieser Situation mutmaßlich die Taschen füllten, torpediert einen Wert, den Konservative für sich beanspruchen: Anstand. Viel Geld zu verdienen ist für UnionswählerInnen okay, aber es sollte dabei anständig zugehen.

Das Ultimatum von Brinkhaus und Dobrindt ist auch ein Misstrauensvotum. Es klingt, als vermuteten sie, dass sich bei manchen ein fehlendes Unrechtsbewusstsein eingeschliffen hat. Damit liegen sie richtig. Die verquasten Rechtfertigungen sprechen eine deutliche Sprache.

Der Thüringer Abgeordnete Mark Hauptmann machte sich etwa regelmäßig für den autoritär regierten Staat Aserbaidschan stark. Jener schaltete Anzeigen in Hauptmanns CDU-Blättchen. Statt die Interessenverquickung zu erkennen, gab Hauptmann zu Protokoll, er lege sein Mandat nieder, weil die Anfeindungen gegen seine Person „zu groß“ geworden seien. Das Selbstmitleid scheint bei ihm größer zu sein als das Problembewusstsein.

Dass führende CDUler wie Paul Ziemiak nun von „Einzelfällen“ sprechen, wird der Sache nicht gerecht. Es gibt ein strukturelles Versagen der Union. CDU und CSU haben sich stets gegen mehr Transparenz bei Nebeneinkünften von Parlamentariern und gegen strengere Lobbyismus-Regeln gestemmt. Sie haben also den Humus geschaffen, auf dem Blüten wie Hauptmann, Nüßlein oder Löbel gedeihen. Wer sich weigert, dunkle Ecken auszuleuchten, schafft sich die Einzelfälle selbst.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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