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Korruptionsprozess in ÖsterreichGericht bestätigt Schuld Grassers

Nach 16 Jahren ist einer der größten Korruptionsfälle Österreichs entschieden. Ex-Finanzminister Grasser muss vier Jahre in Haft.

Schuldig, zum Schaden der Republik: Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser Foto: Hans Klaus Techt/dpa

Wien taz | Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen: 16 Jahre nach Beginn des Verfahrens hat der Oberste Gerichtshof (OGH) den Schuldspruch für Österreichs Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser bestätigt. Dem früheren Spitzenpolitiker (erst bei der FPÖ, dann parteifrei) sowie drei Mitstreitern war vorgeworfen worden, bei der Privatisierung von 60.000 Wohnungen im Bundeseigentum mitgeschnitten zu haben – dies zum Schaden der Republik.

Im Dezember 2020 war Grasser unter anderem wegen Untreue und Geschenkannahme zu acht Jahren Haft verurteilt worden, auch die anderen Beteiligten erhielten Haftstrafen. Grasser ging in Berufung, weswegen der Prozess letzten Donnerstag und Freitag am OGH neu aufgerollt wurde. Dabei wurde nicht über Schuld oder Unschuld entschieden, sondern darüber, ob das Erstverfahren mangelfrei geführt wurde.

Dies sei der Fall gewesen, entschied der OGH nun. Damit ist der Schuldspruch rechtskräftig. Wegen der „exorbitant langen“ Verfahrensdauer halbierte der OGH-Richtersenat das Strafmaß jedoch auf vier Jahre für Grasser. Der kritisierte die Entscheidung bereits als „Fehlurteil“ und kündigte seinen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an – wo er wohl die lange Verfahrensdauer geltend machen wird.

Grasser muss wohl schon in den kommenden Wochen seine Haft antreten. Seine Verteidigung hatte sich unter anderem auf angebliche Befangenheit der Erstrichterin berufen. Deren Ehemann hatte sich auf Twitter mehrfach kritisch über Grasser geäußert. Das reiche aber laut OGH-Richtersenat nicht aus, um eine Befangenheit der Richterin festzustellen. Auch angebliche Verfahrensfehler, die unter anderem die Sitzordnung vor Gericht betrafen, wurden zurückgewiesen.

Ein Netz aus Briefkastenfirmen und Auslandskonten

Zum Hintergrund: Der Fall betrifft die Privatisierung der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften BUWOG, WAG, EBS und ESG während Grassers Amtszeit als Finanzminister zwischen 2000 und 2007. Rund 60.000 Wohnungen wurden 2004 für 961 Millionen Euro an das „Österreich-Konsortium“ verkauft, bestehend aus den Banken Immofinanz, RLB Oberösterreich und der Versicherung Wiener Städtische.

Das bis dahin meistbietende Unternehmen CA Immo wurde überraschend um lediglich 1,19 Millionen Euro überboten. Die siegreiche Immofinanz zahlte daraufhin eine Provision von 9,61 Millionen Euro (ein Prozent vom Kaufpreis) an ihren Berater, den Lobbyisten Peter Hochegger, der geständig war. Laut Anklage soll Grasser Insiderinformationen über das Vergabeverfahren, insbesondere die Höhe des Konkurrenzangebots der CA Immo, weitergegeben haben. Ein Teil der Provision soll dann über Briefkastenfirmen und Auslandskonten zu Grasser zurückgeflossen sein.

Grasser machte Karriere in der FPÖ im Fahrwasser von Jörg Haider. Mit nur 31 Jahren wurde er Finanzminister und galt als smarter, neuer Politikertypus. Rasch kamen aber erste Vorwürfe auf, Grasser fiel in Ungnade. Mit dem Urteil am OGH ist einer der wichtigsten Korruptionsprozesse Österreichs nun endlich abgeschlossen.

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3 Kommentare

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  • Tja, Junge, Pech gehabt.

    In Deutschland wäre das nicht passiert.



    Da kennt man noch Werte wie "Ehrenwort" und "Bimbes".

  • Die eigentliche Korruption ist überhaupt erst die Verscherbelung von 60'000 Wohnungen an die Privatwirtschaft. Dass dabei Korruptionsgelder an Politiker fliessen ist vorhersehbar, sei es durch Direktzahlungen (dumm) oder spätere Verwaltungsratsposten (legal).

  • Bei der Gier auch noch auffallend, also dumm und dreist.



    Respekt vor unser aller öffentlichen Güter ist nicht nur in Österreich geboten.