Korruptionsprozess in Österreich: Gericht bestätigt Schuld Grassers
Nach 16 Jahren ist einer der größten Korruptionsfälle Österreichs entschieden. Ex-Finanzminister Grasser muss vier Jahre in Haft.

Im Dezember 2020 war Grasser unter anderem wegen Untreue und Geschenkannahme zu acht Jahren Haft verurteilt worden, auch die anderen Beteiligten erhielten Haftstrafen. Grasser ging in Berufung, weswegen der Prozess letzten Donnerstag und Freitag am OGH neu aufgerollt wurde. Dabei wurde nicht über Schuld oder Unschuld entschieden, sondern darüber, ob das Erstverfahren mangelfrei geführt wurde.
Dies sei der Fall gewesen, entschied der OGH nun. Damit ist der Schuldspruch rechtskräftig. Wegen der „exorbitant langen“ Verfahrensdauer halbierte der OGH-Richtersenat das Strafmaß jedoch auf vier Jahre für Grasser. Der kritisierte die Entscheidung bereits als „Fehlurteil“ und kündigte seinen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an – wo er wohl die lange Verfahrensdauer geltend machen wird.
Grasser muss wohl schon in den kommenden Wochen seine Haft antreten. Seine Verteidigung hatte sich unter anderem auf angebliche Befangenheit der Erstrichterin berufen. Deren Ehemann hatte sich auf Twitter mehrfach kritisch über Grasser geäußert. Das reiche aber laut OGH-Richtersenat nicht aus, um eine Befangenheit der Richterin festzustellen. Auch angebliche Verfahrensfehler, die unter anderem die Sitzordnung vor Gericht betrafen, wurden zurückgewiesen.
Ein Netz aus Briefkastenfirmen und Auslandskonten
Zum Hintergrund: Der Fall betrifft die Privatisierung der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften BUWOG, WAG, EBS und ESG während Grassers Amtszeit als Finanzminister zwischen 2000 und 2007. Rund 60.000 Wohnungen wurden 2004 für 961 Millionen Euro an das „Österreich-Konsortium“ verkauft, bestehend aus den Banken Immofinanz, RLB Oberösterreich und der Versicherung Wiener Städtische.
Das bis dahin meistbietende Unternehmen CA Immo wurde überraschend um lediglich 1,19 Millionen Euro überboten. Die siegreiche Immofinanz zahlte daraufhin eine Provision von 9,61 Millionen Euro (ein Prozent vom Kaufpreis) an ihren Berater, den Lobbyisten Peter Hochegger, der geständig war. Laut Anklage soll Grasser Insiderinformationen über das Vergabeverfahren, insbesondere die Höhe des Konkurrenzangebots der CA Immo, weitergegeben haben. Ein Teil der Provision soll dann über Briefkastenfirmen und Auslandskonten zu Grasser zurückgeflossen sein.
Grasser machte Karriere in der FPÖ im Fahrwasser von Jörg Haider. Mit nur 31 Jahren wurde er Finanzminister und galt als smarter, neuer Politikertypus. Rasch kamen aber erste Vorwürfe auf, Grasser fiel in Ungnade. Mit dem Urteil am OGH ist einer der wichtigsten Korruptionsprozesse Österreichs nun endlich abgeschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Friedensgespräche“ in Riad
Die Verhandlungen mit Russland sind sinnlos
Trumps Kampf gegen die Universitäten
Columbia knickt ein
AfD im Bundestag
Keine Schlüsselposition für die Feinde der Demokratie
Illegales Autorennen in Ludwigsburg
Männer mit Mercedes im Kopf
Buch über Gaza
Giftige Dröhnung
Kostenloser Nahverkehr
Schafft endlich die Tickets ab