Konzertempfehlungen für Berlin: Improvisierter Lärm
Antony Szmierek setzt musikalisch auf den Irrtum, im Bi Nuu trifft Poesie auf Post-Metal und Reverend Dabeler kommt in die Galiläakirche.
A n Irrtümern, den eigenen und denen der anderen, kommt niemand vorbei. So gesehen kein Wunder, dass ein Song aufhorchen lässt, der dieses Dilemma schon knackig im Titel anmoderiert. Im Englischen gibt es viele Worte für „Irrtum“, eines lautet „fallacy“ – und der Spoken-Word-Künstler Antony Szmierek hatte mit dem Stück „The Hitchhiker's Guide To The Fallacy“ seinen ganz plötzlichen Durchbruch.
Bis dahin verdiente er seine Brötchen als Lehrer in Manchester – und war somit das wohl härteste Publikum überhaupt gewohnt. Es folgten metaphorische, introspektive Wortbasteleien, immer über nostalgisch anmutende Beats, garniert mit einer Prise Indie-Pop.
Damit traf der 28-Jährige ganz besonders den Nerv seiner Generation, die für die besten Zeiten von The Streets zu spät dran waren. Im Februar erschien Szmiereks Debüt „Service Station at the End of the Universe“, welches er am Dienstag in der Kantine Berghain vorstellt (15. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK 28,30 Euro).
Am Mittwoch gibt es dann eine der seltenen Gelegenheiten, den Avantgarde-Ambient-Komponisten William Basinski zu erleben – in der Betonhalle des Silent Green. Der klassisch ausgebildete Musiker und Komponist bastelt seine epischen, melancholischen Klanglandschaften aus analogen Tonbändern und anderen veralteten Technologien. Als Meisterwerk gilt das Album „The Disintegration Loops“ (2004), auf Tour ist er jetzt mit „On Time Out of Time“ von 2019 (16. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK 34,75 Euro).
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Als eine so spannende wie spannungsreiche Kollaboration dürfte sich erweisen, was am Donnerstag im Bi Nuu stattfindet. Dort stellen die Musikerin und Poetin Moor Mother (sie ist für noise-affinen, bisweilen elektronischen Rap bekannt und mischt zudem beim Free-Jazz-Kollektiv Irreversible Entanglements mit) und das Post-Metal-Trio Sumac ihr gemeinsames Album „The Film“ vor.
Sumac beschreiben ihren Sound übrigens als „toxischen Slump-Dump-Sludge, Hardcore und improvisiertem Lärm“, was ja irgendwie vergnügt klingt – auch wenn die Autorin sich doch am Kopf kratzt, was mit diesem Bindestrich-Genre genau gemeint sein könnte. Zusammen mit der stets intensiv performenden Moor Mother wird daraus sicher Läuterung durch Klang: ein passender Einstieg ins Osterwochenende. (17. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK 36 Euro).
Am Sonntag ist die im besten Sinne übellaunige Annika Henderson aka Anika in der Volksbühne. Katharsis-Potenzial hat bestimmt auch diese Performance. Ursprünglich machte die britisch-deutsche Künstlerin mit konfrontativen Texten und elektronischen Soundcollagen auf sich aufmerksam.
Das neue Album „Abyss“ klingt allerdings grungerockiger, nach Post-Punk. Und zugleich extrovertierter. Der Support kommt von der hochenergetischen Garage-Punk-Band Lemongrab – ursprünglich aus Montréal, seit fünf Jahren jedoch in Berlin zu Hause (20. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK 26 Euro).
Schräge Soundwelten, weniger nah am Abgrund gebaut, bietet die Berliner Band Painting, die ihr zweites Album „Snapshot Of Pure Attention“ in der Kantine Berghain vorstellt: mit frischen Ideen, mehr noch als auf dem auch schon gelungenen Debüt.
Experimentellen, noisigen Rocksound lassen sie auf avantgardistische Elektronik treffen; auch Psychedelik und Jazz stecken in ihrem Amalgam. Und sogar Vocals haben bei ihnen oft eine andere Funktion als die, Geschichten zu erzählen – nämlich eine eher perkussive (24. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK 17,60 Euro).
Zum Auftakt des übernächsten Wochenendes gibt es dann ein bestimmt herzerwärmendes Get-together mit dem Musiker, Autor und Darsteller Reverend Dabeler in der Galiläakirche. Er wird Lieblingslieder präsentieren, auch von anderen Künstler:innen – und zudem Gäste dabei haben: die Jodelkönigin Kutzkelina etwa und den Schlagzeuger Benny Glass.
Vor zwei Jahren brachte Dabeler das Album „Frankfurter Jazzrockschule Edition Nr. 1“ heraus, was live ein großer Spaß war. Diesmal wird es wohl eher ein Kessel Buntes, im guten Sinne. Auch ältere Songs soll es geben, etwa aus dem Repertoire des Duos Klotz+Dabeler: seine Zusammenarbeit mit der viel zu früh verstorbenen Almut Klotz (25. 4., 20 Uhr, Tickets im VVK zwischen 13,16 und 19,47 Euro).
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