Konzertempfehlungen für Berlin: Fortgeschrittene Forschung
Passion, Quadratur, Geburtstag und Masken gehören diese Woche zu den Besonderheiten, die es so zu hören gibt.
D ie Zeiten sind ernst. Darum geht es diese Woche am Sonntag in die Sophienkirche. Und zwar zum ersten Orgelkonzert des Jahres dort. Das widmet sich aus aktuellem Anlass dem Thema der Passion. Wobei weniger die Weltpolitik als das Kirchenjahr der Grund dafür sein dürfte.
Der Organist Steffen Walther stellt in seinem Programm Werke von Johann Sebastian Bach der Orgelmusik Olivier Messiaens gegenüber. Was nur äußerlich ein Kontrast ist. Der Protestant aus dem Barock und der moderne Katholik, nach dem Zweiten Weltkrieg einer der Begründer der seriellen Musik, waren beide zutiefst gläubige Menschen, die mit den für sie angemessenen und möglichen Mitteln ihr Schaffen in den Dienst Gottes stellten.
Bei Messiaen kann das wuchtig-dissonant klingen, aber auch sehr still und gesammelt, heutzutage würde man im Zweifel „meditativ“ dazu sagen. Allein schon für das beinahe minimalistische „Le Banquet céleste“ lohnt der Kirchgang (Sophienkirche, 16. 3., 18 Uhr, Tickets: 10/5 Euro).
Ein klein wenig locker machen kann man sich dann am Mittwoch auf dem Lastschiff Heimatland der Galerie Hošek Contemporary. Deren Reihe Improvised & Experimental bestreitet an diesem Tag seine Ausgabe No. 230. Zwei sehr unterschiedliche Künstlerinnen an den Tasten sind in zwei recht verschiedenen Besetzungen zu hören. Die vermutlich herausragendste Improvisationskünstlerin am Synthesizer, die derzeit in Berlin lebt, Liz Kosack, spielt im Synthesizerduo mit Omer Eilam.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Mit extravaganten Masken als Verkleidung ist zu rechnen. Als wäre das noch nicht genug, tritt die Pianistin Anaïs Tuerlinckx, die sich ausgiebig mit den Möglichkeiten ihres Instruments von außen wie innen beschäftigt, im Trio mit dem Bassisten Asger Thomsen und dem Saxofonisten Jonas Engel auf. Klingt alles womöglich furchteinflößender, als es ist. Abenteuerlich zugehen mag es schon, im guten Sinne (Märkisches Ufer 1Z, 19. 3., 19 Uhr, Eintritt 10 Euro).
Jetzt wird es ein wenig feierlich. Vor ziemlich genau 100 Jahren (am 26. 3. wird es ganz genau so weit sein) wurde der Komponist Pierre Boulez geboren. Wegen seines engagierten Einsatzes für die Nachkriegsmoderne, in der er sich als einer der führenden Komponisten des Serialismus hervortat, handelte er sich irgendwann den Ruf eines traditionshassenden Ideologen ein. Was auch mit publikumswirksamen Interventionen („Sprengt die Opernhäuser in die Luft!“) zu tun gehabt haben dürfte.
Die Musik von Boulez geriet darüber mitunter in Vergessenheit, auch weil er in der zweiten Hälfte seines Lebens als Dirigent prominenter war denn als Komponist. Der einzige Konzertsaal Berlins, der in seinem Namen an Pierre Boulez erinnert, verstärkt diese Erinnerung seit dem Herbst mit der Konzertreihe Boulez 100.
Am Donnerstag gastiert dort das Jack Quartet, um in dieser Reihe das sechssätzige „Livre pour quatuor“ von Boulez, sein einziges Streichquartett, in Auszügen mit Kompositionen von Anton von Webern, Eva-Maria Houben, Anthony Cheung, Austin Wulliman und John Cage zu kombinieren (Pierre Boulez Saal, 20. 3., 19.30 Uhr,Tickets kosten 10-45 Euro).
Kein März ohne MaerzMusik: Am Freitag geht es wieder los, die Eröffnung im Haus der Berliner Festspiele mit dem Musiktheater „Melencolia“ von Brigitta Muntendorf und Moritz Lobeck ist allerdings ausverkauft. Dafür gibt es für die Tage danach noch Tickets, unter anderem für das Konzert am Sonntag im Radialsystem mit dem Perkussions-Klavier-Quartett Yarn/Wire, das Musik von Sarah Davachi, Clara Iannotta, Catherine Lamb und Jad Atoui spielen wird, darunter zwei europäische Erstaufführungen und eine deutsche Erstaufführung.
Bei ihrem Programm, das viel mit fortgeschrittener Forschungsarbeit zu den Erweiterungen von Klang zu tun hat, ist von der „Quadratur des Kreises“ die Rede. Wie sich das anhört, muss man dann selbst herausfinden (Radialsystem, 23. 3., 18.30 Uhr, Tickets 25/20 Euro).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!