Konzertempfehlungen für Berlin: Musik für die heiklen Tage
Das Jazzfest wird 60, Das Festival Eavesdrop erst drei, in der taz dreht sich das Karussell der Idole und Laetitia Sadier stellt ihr neues Album vor.
D as Jazzfest Berlin wird 60 – und nutzt dieses Anlass, um (durchaus selbstkritisch) seine Geschichte und die Mythen drumherum reflektieren zu lassen, unter anderem im (online verfügbaren) Jubiläumsmagazin. Für die Eröffnungsrede am Donnerstag wird der Posaunist und Professor George E. Lewis zugeschaltet.
Den musikalischen Auftakt macht derweil das 13-köpfige Unfolding Orchestra, gefolgt von der Pianistin Marilyn Crispell und dem Trio Decoy, das auf den Saxofonisten Joe McPhee trifft – kurz vor dessen 85. Geburtstag (31.10., 18 Uhr, 32/42, erm. 25/31 Euro im VVK).
An den folgenden drei Tagen gibt es reichlich Abwechslung. Unter anderem wird der stilistisch stets offene John Hollenbeck im Haus der Berliner Festspiele sein Projekt „The Drum Major Instinct“ präsentieren, das auf einer Rede von Martin Luther King Jr. basiert – der schickte übrigens seinerzeit eine Grußadresse an die erste Festivalausgabe (1.11., 22 Uhr, 25, erm. 20 Euro).
Und das New Yorker Quartett Wrens lässt sich am Samstag im Quasimodo von Underground Hip-Hop inspirieren (2.11, 22.30 Uhr, 18, erm. 14 Euro). Neu in diesem Jahr ist nicht zuletzt das Community Lab Moabit, ein breit angelegten Mitmach-Projekt für die nächste Generation, mit Workshops, Konzerten und Filmen (Alle Infos unter www.berlinerfestspiele.de).
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Ein Abstecher in die Kantine Berghain sollte natürlich trotzdem drin sein, wo am Sonntag das Berliner Trio krautfuzz zwei Releases feiert – beide übrigens live improvisiert und mit Gastauftritten des Saxophonisten André Vida und Gitarristen J Mascis (Dinosaur Jr.).
Dirk Dresselhaus (besser bekannt als Schneider TM), Imari Kokubo und Derek Shirley verstehen sich darauf, die Synapsen des Publikums schön durchzupusten. Und es nebenbei mit ihrem Mix aus Psych-Rock, Abstraktion und Noise zu hypnotisieren. Der Support kommt von Organza Ray, wohinter Eleni Poulou (u.a. The Fall) und der britischer Improvisationsmusiker Hilary Jefferey stecken (3.11., 20.30 Uhr, Tickets im VVK 16,30, AK 18 Euro gibt es hier).
Mit ihrer Soundmischung zwischen Trap Beats, Funk, lokalen Einflüssen wie Kwaito- und Gqom-Einflüssen und ihrem ganz eigenen Rap-Stil ist die südafrikanische Künstlerin Moonchild Sanelly ziemlich weit vorne – da hätte den eigene Genrebegriff, den sie sich selbst verpasst hat, gar nicht gebraucht.
Aber gut: „Future Ghetto Funk“ beschreibt die Anmutung ihres Sound tatsächlich ganz treffend. Mit Hits wie „Demon“ avancierte die studierte Modedesignerin zum begehrten Feature-Artist, etwa für die Gorillaz. Zu erleben ist sie am Montag im Quasimodo (4.11., 22 Uhr, Tickets kosten im im VVK 23,80 Euro).
Tja, und dann gehen die heiklen Tage los, in denen sich alles um die US-Wahl drehen wird – und in denen man sich von zuviel Medienkonsum fernhalten muss, um nicht irre zu werden. Lieber Musik nonstop! Zum Glück folgt dann an Mittwoch und Donnerstag das nächste Festival, Eavesdrop.
Das deckt zeitgenössische Tendenzen in elektronische Musik und Klangkunst ab: so finden hier etwa die E-Gitarren-Experimente der Pariserin Nina Garcia mit den bunte Ideen-Mash-Up des Italieners Mat Pogo zusammen. Als Installation gibt es die Klangforschungen von Jasmine Guffond. Die ließ auf ihrem letzten Album mit sanften Modulationen und Drones die Grenze zwischen sich und den verwendeten Gerätschaften verschwimmen – ein Konzept, dass sie „AI“ nennt, womit aber „Alien Intelligence“ gemeint ist. (Silent Green Betonhalle, 6.+7.11, 20 Uhr, Tickets ab 17,17 Euro und weitere Infos gibt es hier).
Vor vier Jahren hat es ja bis zum Wochenende gedauert, bis das Ergebnis in den USA feststand. Und weil sich das oder Schlimmeres jederzeit wiederholen kann, sollte man sich am Samstag in die Kantine der taz begeben – ja, auch hier finden bisweilen schöne Konzerte statt: auf dass es einem von dem „Karussell der Idole“ statt von Prognosen schwindelig wird.
Bernadette la Hengst, Mittekill, Frau Kraushaar, Knarf Rellöm, Pastor Leumund und Sedlmeir treten in dieser Gala nicht nur nacheinander, sondern auch miteinander auf – wie sich das für eine ordentliche Rummel-Sause gehört (9.11., 21 Uhr, 15-25 Euro, Tickets und alle Infos gibt es hier).
Am Mittwoch folgt dann ein musikalisches Plädoyer für „unsere innere Ausrichtung und unsere Herzenskraft, um besser gerüstet zu sein für das, was kommen wird“ – so kündigt der Veranstalter das Konzert der fraglos tollen Laetitia Sadier an, die man nicht zuletzt als eine Sängerin der Band Stereolab kennt.
Nun kommt sie in die Kantine Berghain, um ihr fünftes Soloalbum „Rooting For Love“ vorzustellen, das geschliffen geschmeidig, manchmal gar easylistinghaft klingt, allerdings unter der Oberfläche durchaus Verstörungspotenzial hat (13.11., 20 Uhr, Tickets kosten im VVK 30,40 Euro).
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!