Konzertempfehlungen für Berlin: Von Club bis Großer Sendesaal
Am Dienstag kommt die Jazz-Legende Abdullah Ibrahim nach Berlin. Der Salon „Krawalle und Liebe“ gedenkt dem überraschend verstorbenen Kristof Schreuf.
M ahalla’s Monster Mutations: hinter dieser hübschen Alliteration verbirgt sich ein Kessel avantgardistisches Buntes. Gastgeberin ist die legendäre Konzertveranstalterin Monika Döring, aufgetreten wird in ober- und unterirdischen Räumen der eindrucksvollen Industriehalle Mahalla in Schöneweide. Zu Gast sind, neben dem experimentierfreudigen Gitarristen Caspar Brötzman, etwa hÄK/Danzeisen.
Bei dem Duo lässt Bernd Norbert Würtz aka hÄK Modular-Synthesizer und eigens verlötete Schaltkreise auf Philipp Danzeisens akustischen Schlagzeugsound treffen. Und umgekehrt. Und Frank Bretschneider legt zu vorgerückterer Stunde auf (26. 11., ab 19 Uhr, AK 15 Euro). Den nächsten Tag kann man getrost im Bett verbringen, ist ja tiefster November. Und gleich wird es sowieso wieder dunkel.
Am Dienstag laden dann die umtriebigen Veranstalter von J.A.W., die schon so manche Jazz-Legende auf Berliner Clubbühnen geholt haben, zum Konzert der südafrikanischen Pianisten Abdullah Ibrahim. Diesmal nicht in einem Club, sondern in den ehrwürdigen Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks. Der 88-Jährige, der sich Dollar Brand nannte, bevor er Ende der 1960er Jahren zum Islam konvertierte, war 1962 aus dem Apartheidstaat geflohen.
Ziemlich genau 60 Jahre ist es auch her, dass Ibrahim erstmals in Berlin auftrat – damals in der Passionskirche. In einem Zürcher Club wurde er dann den in den 1960ern von Duke Ellington entdeckt; neben südafrikanischer Tanz-und Kirchenmusik und dem Klavierspiel von Thelonius Monk war der auch vorher schon wichtige Inspiration für ihn.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Auch aus seinem Exil heraus wurde Ibrahims leichtfüssiges Stück „Mannenberg“ (1974) zu einer Hymne der Anti-Apartheids-Bewegung in seiner Heimat (29. 11., 20 Uhr, Grosser Sendesaal im Haus des Rundfunks, VVK 38,50 Euro, Tickets gibt es hier).
Am Mittwoch laden die Grether-Schwestern zu ihrem Salon „Krawalle und Liebe“ im Literaturforum im Brechthaus. Eigentlich sollte Kristof Schreuf neue Songs vorstellen – bekannt unter anderem als Autor der gleichnamigen Zeitung und als vormaliger Sänger der Kolossalen Jugend zentraler Katalysator der sogenannten Hamburger Schule. Dann starb der so charmante wie scharfzüngige Musikenthusiast völlig überraschend am 9. November.
So wird es nun traurigerweise ein Abend für Kristof Schreuf, unter anderem mit dem Duo Sorry Gilberto und anderen Friends of Schreuf. Wer es am Mittwoch nicht schafft, dem sei an dieser Stelle wenigstens noch einmal sein tolles Soloalbum „Bourgeois with Guitar“ (2010) ans Herz gelegt.
Wie immer wird auch vorgelesen in diesem Salon – unter anderem von der Antidiskriminerungstrainerin Josephine Apraku aus ihrem erhellenden Buch „Kluft und Liebe“, in dem es darum geht, was soziale Ungleichheit mit Beziehungen macht (30. 11., 19.30 Uhr, 5, erm. 3 Euro, Tickets gibt es hier).
Wer erleben will, wie Herren gesetzten Alters nochmal „Teenage Kicks“ abrufen, kann das am Freitag beim Konzert der Pop-Punk-Band The Undertones aus Nordirland im SO36 – als kleiner Nebeneffekt lässt sich da vielleicht lernen, wie man in frostigen Zeiten wie diesen ein bisschen innere Hitze erzeugt.
John Peel hielt erwähnten Song jedenfalls für ausgesprochen herzerwärmend und zudem den besten aller Zeiten; sogar auf dem Grabstein des legendären BBC-DJ wird aus dem Song zitiert. Seit der Reunion der Band im Jahr 1999 singt Paul McLoone, nicht mehr Feargal Sharkey mit seinem nölig-dengeligen Tenor, aber stimmlich passt das vielleicht sowieso auch besser in die gesetzten Jahren (2. 12., 20 Uhr, Tickets kosten im Vorverkauf 35,25 Euro).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück