Konzert der Rock'n'Roller in Berlin: Damen und Herren, die Rolling Stones
Sie sind längst Teil des Weltkulturerbes und ein Ereignis, das man mal gesehen haben sollte: Die Rolling Stones spielten am Freitag in Berlin.
Man kann, als Serviceangebot für die eiligen Leser, das Konzert der Rolling Stones im Berliner Olympiastadion in der Freitagnacht durchaus in einen Satz fassen: Die Band spielte ihre Songs, rundherum sah man beglückte Gesichter. Was ja schon mal nicht schlecht ist für eine Band, deren Musiker alle in den Siebzigern stehen, die ihren Rock ’n’ Roll spielen, so wie sie das seit je gemacht haben.
Meine Damen und Herren, die Rolling Stones. Zum Einstieg gab es gleich den „Street Fighting Man“, dieses Lied aus dem bewegten 68er Jahr, überall Aufruhr, Aufbegehren, nur eben nicht in sleepy London Town, wie es in dem Lied heißt. Der Erzähler kommt zum Schluss, dass einem armen Kerl nichts anderes übrig bleibe, als in einer Rock-’n’-Roll-Band zu singen.
1968. Wirklich verdammt lange her. Was man den Musikern ansieht, vor allem, wenn man auf den Großbildschirmen in das zerknautschte Gesicht von Keith Richards schaut. Natürlich trug der etwas steif auf der Bühne stehende Gitarrist das unvermeidliche bunte Tuch im Haar.
Schlagzeuger Charlie Watts trommelte stoisch, Ron Wood mag man mit seinen 71 Jahren den fast jugendlichen Input der Band nennen, und Mick Jagger präsentierte sich so rank und schlank wie stets. Er hüpfte und gockelte über die Bühne, als hätte er irgendwann mal einen Gymnastiksaal verschluckt.
Seine Ansagen machte er in einem ziemlich gediegenen Deutsch, hatte dabei auch einen kleinen Witz zum nicht fertig werdenden neuen Hauptstadtflughafen eingebaut. Und er verwies, noch länger her, auf das erste Konzert der Rolling Stones in Berlin, damals 1965 in der dabei demolierten Waldbühne. Auch so ein besonderes Konzert einer besonderen Band. Die Stones singen nicht einfach nur den Rock ’n’ Roll, man darf ihren Namen als Synonym für Rock verwenden.
Alternativlose Alternative
Gegründet 1962, waren sie die einzige Alternative zu den Beatles. Die lösten sich 1970 auf. Seither spielen die Stones alternativlos in ihrer eigenen Liga. Irgendwann ließen sie es sogar bleiben, die jeweiligen musikalischen Moden in ihren Rhythm & Blues integrieren zu wollen.
Sie machten einfach immer weiter und blieben die Stones, selbst als der Rock insgesamt doch reichlich an Bedeutung eingebüßt hatte. Weil sie da längst schon Teil des Weltkulturerbes geworden waren, eine Sehenswürdigkeit, die man bei Gelegenheit doch auch mal aufgesucht haben sollte.
Tatsächlich verspürte der Berichterstatter im Olympiastadion diese eigenartige Rührung, die sich einstellt, wenn eine Sehenswürdigkeit beim Besuch wirklich so aussieht, wie sie nach den Bildern aussehen soll. Im Fall der Stones sind es ihre Lieder, die man sich mal in Echt angucken durfte: „She’s a Rainbow“. Schön. Das ist der Song, mit dem die Stones allen zeigten, dass sie auch Pop zu machen verstehen.
Und dann dieser tolle, jubilierende Gospel: „You Can’t Always Get What You Want“. Die Band spielte das alles ohne irgendwelche Kinkerlitzchen. So, wie die Lieder mal gedacht waren. Und manchmal spielte die Erinnerung ein wenig mit und besserte sacht nach, wo die Liveversion ihre Lücken hatte.
Tourismusprogramm für eine launige Nacht
„Paint It Black“ spielten sie dann so grimmig und düster, wie es gespielt werden muss. Wie überhaupt die Liedauswahl all jene Stones-Fans bestätigte, die der Meinung sind, dass diese Band alles Wesentliche in ihren frühen Songs ausgedrückt hat. Im Olympiastadion bekamen sie von der Band ihren Segen. Fast alle Lieder, 19 waren es insgesamt, entstammten aus dem Stones-Repertoire der Sechziger und Frühsiebziger.
Hit nach Hit wurde von der Bühne gerockt (auch das für die Chronik: Der Sound war sehr okay, das Konzert mit 65.000 Besuchern ausverkauft). „Sympathy for the Devil“, „Honky Tonk Women“, ein schroffer und garagenrockig böse angespitzter „Midnight Rambler“, was man als ein durchweg sehenswertes Golden-Oldie-Programm werten mag. Was so schon irgendwie okay gewesen wäre, als prima Tourismusprogramm quasi, mit kompetenten Museumsführern für eine launige Nacht.
Am 30. Juni spielen die Rolling Stones in Stuttgart
War aber gar nicht so. War nicht Museum. Vielleicht auch, weil die Band selbst gar nichts ausstellen wollte. Sie spielte, sie rockte, sie machte einfach ihre Arbeit und zeigte sich im Lauf des Konzerts nicht immer deutlicher ein jugendlicher Schalk im zerknautschten Greisengesicht von Keith Richards? Und so zog man auch selbst irgendwann in diese Sehenswürdigkeiten, diese Lieder, richtig ein, statt sie nur staunend zu beglotzen.
Am Schluss des mehr als zweistündigen Konzerts bei der Zugabe standen dann alle im Stadion. War ja auch „Satisfaction“. Das ist er, der Rock ’n’ Roll.
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