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Kontrollen an der Grenze zu Dänemark„Rechtswidrige Dauerlösung“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigt eine Verlängerungen der Kontrollen an der Grenze zu Dänemark an. Grüne und SSW halten das für überflüssig.

Keine freie Fahrt: An der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark soll länger kontrolliert werden, als ursprünglich geplant Foto: dpa | Jörn Hüneke

Hamburg taz | Die Grenzkontrollen an der deutsch-dänischen Grenze sollen länger als erwartet aufrechterhalten werden. Bei einem Treffen der EU-Innenminister*innen in Luxemburg vergangene Woche kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an, dass sie die Kontrollen so lange fortführen wolle, bis die EU ihre Außengrenzen stärker schütze.

Seit September kontrolliert Deutschland seine nationalen Grenzen – eine Maßnahme, die im Rahmen des Schengen-Abkommens zur Personenfreizügigkeit eigentlich nicht vorgesehen ist. Die Kontrollen waren zunächst für sechs Monate geplant, um irreguläre Migration zurückzudrängen, Schleuser zu stoppen und Kriminelle sowie Islamisten herauszufischen.

Die schleswig-holsteinischen Grünen kritisierten Faesers Ankündigung bei ihrem Landesparteitag am vergangenen Sonntag als rechtswidrige Dauerlösung. Grenzschließungen widersprächen den Werten der europäischen Einigung und bedrohten das Zusammenleben in der kulturell und wirtschaftlich eng verflochtenen Grenzregion.

Zudem bezweifeln die Grünen die Wirksamkeit der Kontrollen. „Wir glauben, dass sie das Ziel verfehlen werden, grenzüberschreitende Kriminalität zu begrenzen“, sagt Rasmus Andresen, der Flensburger Europa-Abgeordnete der Grünen. Die Bundespolizei hat nach eigenen Angaben bisher täglich etwa eine Person an der Grenze gefasst. Andresen hält den dafür getriebenen Aufwand für unverhältnismäßig.

Das Ziel muss es sein, das es zwischen Schengen-Ländern keine Grenzkontrollen gibt

Stefan Seidler, Bundestags­abgeordneter (SSW)

Auch aus Sicht Stefan Seidlers, der für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) im Bundestag sitzt, zeigen die Zahlen, dass die Kontrollen an der Grenze zu Dänemark vollkommen überflüssig seien. Es handle sich dabei um reine Symbolpolitik, einen „Griff in die populistische Trickkiste“.

Immerhin hat Faeser für eine Erleichterung im kleinen Grenzverkehr gesorgt: Bei dem Ministertreffen unterzeichnete sie ein Abkommen mit Dänemark, das es Bun­des­po­lizis­t*in­nen erlaubt, künftig in grenzüberschreitenden Zügen bis zum nächsten Bahnhof auf dänischem Gebiet mitzufahren, um Personenkontrollen durchzuführen. Auf dänischem Staatsgebiet haben sie jedoch abgesehen von Notwehr oder Nothilfe keine Hoheitsbefugnisse. Gleiches gilt umgekehrt entsprechend auch für dänische Polizeikräfte.

Angesichts der nun einmal beschlossenen Verlängerung der Grenzkontrollen hält Seidler diese Vereinbarung für sinnvoll: „Unmittelbar, hier und jetzt ist das ein wichtiger Schritt für uns im Grenzland.“ Für den Arbeitsalltag der Be­am­t*in­nen sei das Abkommen eine Erleichterung, weil es ihnen helfe, die Kontrollen praktisch umzusetzen. Vor allem aber nütze die Vereinbarung den täglich 13.000 Berufpend­le­r*in­nen der Grenzregion, die unter den Auswirkungen der Kontrollen litten.

Seidler schätzt, dass die Pend­le­r*in­nen durch das Mitfahren der Bun­des­po­li­zis­t*in­nen zehn bis 15 Minuten Fahrtzeit zurückgewinnen könnten. „Wenn wir die Grenzkontrollen schon haben, dann sollten sie wenigstens so reibungslos wie möglich ablaufen“, sagt Seidler.

Der SSW-Abgeordnete findet, dass statt in altertümliche stichprobenartige Passkontrollen, in eine effektive polizeiliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene investiert werden sollte, sodass die Reisefreiheit nicht beeinträchtigt werde. „Das Ziel muss es sein, dass es zwischen Schengen-Ländern keine Grenzkontrollen gibt“, sagt Seidler.

Die Grünen forderten auf ihrem Landesparteitag gemeinsam agierende Sicherheitsbehörden statt nationaler Alleingänge. Dazu zähle eine bessere Zusammenarbeit im Informationsaustausch sowie mehr Fachpersonal in den Polizeibehörden, wie Andresen erläutert.

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