Kontrollen an der Grenze zu Dänemark: Ein bisschen weniger
Die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze verstoßen gegen das Schengener Abkommen. Nun will Dänemark die Kontrollen versuchsweise lockern.
Ab dem 12. Mai soll das strenge Grenzregime aber etwas gelockert werden, teilte das dänische Justizministerium im April mit. Profitieren werden Pendler*innen und Urlauber*innen. Aber die Kontrollpunkte blieben besetzt, und die Polizei werde im Hinterland der Grenzen verstärkt prüfen, kündigt die dänische Regierung an.
„Einen Etappensieg“ nennt Stefan Seidler, Angehöriger der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein und Bundestagsabgeordneter der Minderheitenpartei SSW, die Pläne der Regierung in Kopenhagen. „Wir vom SSW haben uns seit Jahren auf allen politischen Ebenen dafür eingesetzt, dass die Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze abgeschafft oder zumindest für die Grenzpendlerinnen und Grenzpendler erträglich gestaltet werden.
Ich freue mich, dass unsere Arbeit Früchte trägt“, schreibt der Politiker auf Twitter. Trotz der Freude darüber „bleibt abzuwarten, wie die neuen Pläne in der Praxis ausgestaltet werden“.
Mehr Kontrollen im Hinterland
Laut einer Pressemitteilung des Ministeriums will die Polizei die Kontrollen an der Grenze nach Schweden ganz aussetzen und an der deutsch-dänischen Staatenlinie weniger Einreisende direkt an den Übergängen kontrollieren. Die so frei werdenden Kräfte sollen dafür mehr im Hinterland unterwegs sein, heißt es im Nordschleswiger, der Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark.
Die Polizei könnte demnach also auch weit hinter der Grenze Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen stoppen und auf der Grundlage „professioneller polizeilicher Einschätzungen“ Pässe und Kofferräume kontrollieren. Genauere Kriterien für die polizeilichen Einschätzungen wurden nicht genannt.
Der sozialdemokratische dänische Justizminister Peter Hummelgard begründet die Verlängerung der Kontrollen dieses Mal mit dem Krieg in der Ukraine: Es gelte, „den Bedrohungen zu begegnen, denen Dänemark ausgesetzt ist“. An den Grenzübergängen sollen für die „smarte“ Überwachung auch Drohnen und Nummernschildscanner eingesetzt werden.
Die neuen Regeln erleichtern den Alltag der Menschen, die mit regionalen Autokennzeichen täglich zwischen Orten wie Flensburg und Apenrade pendeln. Denn sie werden vermutlich kaum mehr angehalten werden. „Endlich fällt eine Barriere weg. Das ist so wichtig für das Grenzland und das Leben miteinander“, sagt Ruth Candussi, Parteisekretärin der Schleswigschen Partei (SP), der Vertretung der deutschen Minderheit in Dänemark. Das Ziel sei aber weiterhin, dass die Kontrollen gänzlich abgeschafft werden, betont sie.
Normalität ist nicht in Sicht
Keinen Grund zum Jubeln sieht der Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen (Grüne). Ja, die dänische Regierung habe sich zwar bewegt, aber „klar ist auch, dass die Kontrollen nun wieder für weitere sechs Monate verlängert werden“, sagt er auf taz-Anfrage.
Andresen hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Autorinnen der dänischen Regierung vorwarfen, sie würden nach dem „Gießkannenprinzip“ Gründe für die Kontrollen vorbringen. Die federführend an dem Gutachten beteiligte Völkerrechtlerin der Europa-Universität Flensburg, Anna Katharina Mangold, kritisierte, es gehe offenbar nach dem Motto: „Einen Grund unter den vielen werden Kommission und andere Mitgliedstaaten schon akzeptieren.“ Es entstehe der Eindruck, die genannten Gefahren seien lediglich vorgeschoben.
Das Gutachten und die Proteste zahlreicher anderer Stellen hätten geholfen, Druck auf die dänische Regierung aufzubauen, glaubt Andresen: „Selbst die dänische Polizei hatte zuletzt Zweifel an der Wirksamkeit der Kontrollen geäußert und ein Umlenken der dänischen Regierung gefordert.“
Dennoch steht nicht einmal fest, dass die jetzigen Erleichterungen dauerhaft bleiben. Die Regierung will das Verfahren zunächst für sechs Monate, bis Mitte November, testen. Von einer Rückkehr zum eigentlichen Normalfall der offenen Grenzen ist keine Rede.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten