Konten Verstorbener ohne Erb*innen: Am Ende gewinnt die Bank
Gibt es keine Erb*innen, geht das Geld verstorbener Kontoinhaber*innen nach einer Wartefrist an die Bank. Schleswig-Holstein will das ändern.
„Für uns in der Jamaika-Koalition ist klar, dass die Kreditinstitute sich das Guthaben auf solchen Konten nicht einfach einverleiben sollen“, sagte Ole Plambeck (CDU) im Landtag. Dafür erhielt die Regierung grundsätzlich Zustimmung von der Opposition: „Wir brauchen nach dem Beispiel anderer europäischer Staaten ein Meldesystem für nachrichtenlose Konten und einen angemessenen gemeinnützigen Einsatz für das Geld“, so Stefan Weber (SPD). Auch Lars Harms (SSW) fand: „Hier geht es um Geld, das sehr viel sinnvoller eingesetzt werden könnte.“
Die Banken selbst halten sich bedeckt. Auf taz-Anfrage teilt der Sparkassen- und Giroverband nur spröde mit, man habe „die Landtagsdebatte zu nachrichtenlosen Konten zur Kenntnis genommen“.
Tatsächlich bedeutet jede Änderung der aktuellen Rechtslage eine Verschlechterung für die Geldhäuser. Denn zurzeit gilt, dass die Bank ein Konto weiterführt – und Grundgebühren einzieht –, auch wenn es jahrelang keine Überweisungen oder Abbuchungen mehr gibt, das Konto also ruht. Zwar versuchen Kreditinstitute in standardisierten Verfahren, etwa durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt und der Umzugsdatenbank der Deutschen Post, die Besitzer*innen oder mögliche Erb*innen solcher Konten aufzuspüren, doch das gelingt oft nicht.
Ein Problem sei, dass immer weniger klassische Sparbücher geführt würden, die beim Ordnen von Nachlässen auftauchen, so Annabell Krämer (FDP). Die Zahl vergessener Konten könnte also noch steigen. Nach 30 Jahren löst das Institut das Konto auf, das „Geld geht im Rauschen der Banken unter“, kritisiert Lasse Petersdotter (Grüne). „Da lassen sich sinnvollere Lösungen finden.“
Unter den G7-Ländern ist Deutschland das einzige, das freie Vermögen den Banken überlässt. In der Schweiz gibt es ein Zentralregister, Informationen über bewegungslose Konten werden im Netz veröffentlicht. Meldet sich niemand, geht das Geld an die Bundesverwaltung. In Großbritannien landen die Summen in einem Fonds für gemeinnützige Zwecke. Auch Australien oder Japan verfahren ähnlich, berichteten Abgeordnete bei der Landtagsdebatte.
Die Vorschläge sowohl der Jamaika-Regierung als auch der SPD sehen ein bundesweites Zentralregister vor. Jamaika möchte einen Fonds einrichten, die Vermögen sollen für „gemeinnützige Zwecke und Risikokapital für Start-up-Unternehmen“ verwendet werden.
So eine Mischung „kann sich vermutlich nur Jamaika ausdenken“, spottete SPD-Finanzexperte Weber. Er wünscht sich eine Stiftung und eine rein gemeinnützige Verwendung der Mittel. Über die verschiedenen Vorschläge soll der Finanzausschuss des Landtags beraten.
Doch auch wenn es in Kiel eine Einigung gibt, ein einzelnes Bundesland kann das Problem nicht lösen – aus rechtlichen wie aus rein praktischen Gründen: Viele Banken, erst recht die Internet-Institute, agieren bundesweit. So setzt Schleswig-Holstein auf eine Bundesratsinitiative.
In Berlin ist das Thema bereits angekommen, die Grünen im Bundestag hatten dazu eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Das Finanzministerium sah aber keinen Handlungsbedarf: Es gebe keinen Hinweis, dass das Verfahren der Kreditwirtschaft, Erb*innen zu finden, ineffektiv sei. Modelle in anderen Ländern, etwa die englische Fondslösung, könnten „nicht fundiert bewertet werden“. Sich weiter mit dem Thema zu befassen, habe das Ministerium nicht vor.
Allerdings war das im Herbst 2019, vor der Rekord-Neuverschuldung aufgrund der Coronapandemie. Gut möglich, dass es künftig mehr Interesse an Vermögen im Gegenwert mehrerer Elphis gibt.
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