Kontaminiertes Fukushima-Wasser: Ab in den Pazifik
Radioaktives Abwasser aus Fukushima soll ins Meer geleitet werden. Damit schockiert Japan kurz vor den Olympischen Spielen Bevölkerung und Nachbarländer.
Nach jahrelangem Zögern hat Japans Regierung dem Stromkonzern Tepco erlaubt, das radioaktiv kontaminierte Wasser im AKW Fukushima ins Meer einzuleiten. Der Prozess soll 2023 beginnen und sich über viele Jahre hinziehen. Premier Yoshihide Suga begründete die Entscheidung mit dem Platzmangel für neue Tanks auf dem AKW-Gelände. Die Stilllegung müsse vorangehen, sagte Suga.
In Japan entzündete sich an der Entscheidung deutlicher Protest. Der Gouverneur der Nachbarprovinz Miyagi forderte eine andere Lösung, da die Fischerei sonst stark leide. Ein Sprecher der Fischer von Fukushima nannte den Schritt bei einem Treffen mit Wirtschaftsminister Hiroshi Kajiyama „inakzeptabel“. Greenpeace sprach von einer Verletzung der Menschenrechte. Eine „Bürgerkommission für nukleare Energie“ in Tokio kritisierte, dass Tritium als radioaktives Material nicht in die Umwelt gebracht werden sollte. Scharfe Kritik kam auch aus den Nachbarländern. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums bezeichnete das Vorgehen als „hoch unverantwortlich“. Es sei nicht allein eine interne Angelegenheit von Japan und werde sich „schwer auf die Gesundheit der Menschen in Nachbarländern auswirken“.
Das Außenministerium Südkoreas bestellte den japanischen Botschafter ein. „Diese einseitige Entscheidung von Japan kann nicht akzeptiert werden“, sagte ein Minister. Politische Beobachter rätselten über den Zeitpunkt der kontroversen Ankündigung, da die Olympischen Spiele in 100 Tagen beginnen und im Herbst eine Parlamentswahl ansteht.
Auch Politiker von Sugas Liberaldemokratischer Partei zeigten sich überrascht. Offenbar wollte der 72-jährige Premier Handlungsstärke demonstrieren, weil er in der Coronakrise eine schwache Figur macht. In den über 1.000 Tanks auf dem AKW-Gelände lagern inzwischen knapp 1,3 Millionen Tonnen aufgefangenes Wasser. Es diente zur Kühlung des geschmolzenen Brennstoffs in den drei havarierten Reaktoren, oder es handelt sich um Grundwasser, das aus den Kellern der Atommeiler abgepumpt wurde. Auf diese Weise kommen täglich 140 Kubikmeter Wasser neu dazu.
Versprechen von geringer Umweltbelastung
Die Tankkapazität ist nach Angaben von Tepco im Sommer 2022 erschöpft, obwohl die Regierung die Flächen um die Atomanlage aufgekauft hat und dort neue Behälter aufstellen könnte. Ein offizielles Expertengremium schlug jedoch vor, das Wasser entweder zu verdampfen oder in den Pazifik einzuleiten. Letztere Lösung erhielt vermutlich den Vorzug, weil sie Japan am wenigsten trifft und kostengünstiger ist.
Die Regierung und der verstaatlichte Stromkonzern versprechen, die Umweltbelastung gering zu halten. 30 Prozent des Tankwassers sind nach offiziellen Angaben schon so gut gefiltert, dass die radioaktive Strahlung unter den Grenzwerten liegt. Die übrigen 70 Prozent will man noch einmal gründlich filtern. Zwar lasse sich das radioaktive Tritium aufgrund seiner chemischen Eigenschaften überhaupt nicht aus dem Wasser entfernen. Aber Tepco will das Tankwasser vor dem Einleiten so stark verdünnen, dass die Tritium-Menge maximal 1.500 Becquerel je Liter betragen wird, versicherte eine hohe Beamtin des Wirtschaftsministeriums. Das sei ein Vierzigstel des Grenzwerts für Tritium.
Doch es gibt Zweifel an diesen Ankündigungen, da Tepco eine unabhängige Untersuchung des gelagerten Wassers bisher abgelehnt hat. Das Misstrauen gegen den Stromversorger in Japan ist anhaltend groß, auch nach dem Atomunfall wurden Schlampereien verheimlicht. Daher verhöhnten Twitter-Nutzer Finanzminister Taro Aso wegen seiner Behauptung, eigentlich werde man Trinkwasser ins Meer einleiten.
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