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Konsum von GeflügelfleischDer Chickenboom ist gefährlich für Mensch und Tier

Gastkommentar von Volker Gaßner

Die Industrie bewirbt ­Geflügelfleisch als gesund und nachhaltig. Die Realität ist aber eine ganz andere.

Masthähnchen haben ein kurzes und kein schönes Leben Foto: Sina Schuldt/dpa

W ährend der ­Fleischkonsum in Deutschland ­insgesamt zurückgeht, steigt der Konsum von ­Geflügelfleisch. Rosige Zeiten also, um das erste deutsche Geflügelforum abzuhalten. Hier berät Anfang des Monats ein Who’s who der Branche, wie man vom Boom profitieren kann. Doch eine erhöhte Produktion bedeutet auch mehr Krankheiten und mehr Tierleid – eine Gefahr für Mensch und Tier. Etwa 630 Millionen Masthühner werden jedes Jahr in Deutschland geschlachtet. Die Konsumenten: meist jung, fitness- und gesundheitsbewusst.

Die Industrie bewirbt ­Geflügelfleisch als gesund und nachhaltig. Die ­Realität: Qualzuchten, derentwegen die Skelette oft ­unter dem Gewicht der Tiere zusammenbrechen; 99 Prozent der Tiere leben eng an eng in Ställen mit 10.000 bis 100.000 Artgenossen; nur 1,4 Prozent haben Auslauf im Freien.

Volker Gaßner

ist Diplom­biologe. Seit April 2024 leitet er als Direktor den deutschen Standort der globalen Tierschutz­organisation Vier Pfoten.

Megaställe sind Brutstätten für Viren und Keime, die auch für Menschen gefährlich werden können. Jährlich sterben geschätzt 35 Millionen Masthühner an Krankheiten und Verletzungen, ohne ihr geringes Schlachtalter von nur 28 bis 42 Tagen zu erreichen. Um Krankheitsausbrüche zu verhindern, werden Reserveantibiotika verabreicht.

Das Ergebnis: Zahlreiche Studien haben gefährliche Erreger und antibiotika­resistente Keime auf Supermarktgeflügel nachgewiesen. Und auch sonst ist Geflügelfleisch keine besonders gesunde Alternative: Aktuelle Studien zeigen, dass sein Verzehr den Cholesterinspiegel genauso erhöht wie „­rotes Fleisch“, ebenso das Risiko für Typ-2-­Diabetes und Herzkrankheiten.

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Welche Folgen das Made-in-Germany-Geflügel für die Umwelt hat, lässt sich nur erahnen: Massentierhaltung bedeutet einen erhöhten CO2-Ausstoß, enorme Wasserverbräuche und steigende Nitratwerte in Böden und Grundwasser. Wenn es um bessere Lebensbedingungen für Mensch und Tier geht, gibt es nur einen Weg: weniger Profitgier, weniger Produktion mit mehr Lebensqualität für weniger Tiere pro Stall, bessere Haltungsformen mit zum Beispiel Wiesen und Hof.

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17 Kommentare

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  • Im Grunde ein alter Hut.

    Verteidiger*innen der Massentierhaltung wird man in diesem Forum kaum finden, egal, um welche Tiere es geht.

    Die "aktuellen Studien", auf die der Artikel verweist, hätten mich allerdings interessiert, da hier leider auf die Verlinkung verzichtet wurde.

  • Vielleicht müssen wir einfach mehr Vegan wagen.

    • @Ice-T:

      vegetarisch würde schon reichen....

  • Wsrum nicht einfach Bio- Huhn kaufen?



    Beim LidlAldi- Oligopol, Samstag abend wenn es herabgesetzt ist.



    Auch sind ganze Hühner billiger- aber die Kochkünste in Deutschland sind ja auch im Niedergang.



    Warum wurde Bio-Huhn als Alternative nicht erwähnt im Artikel.

    • @So,so:

      die einzig richtige alternative wäre den Konsum massiv herunterzufahren oder eben kompletter Verzicht....Bio Huhn vom Discounter kommt übrigens genauso aus Massentierhaltung (bis zu 12.000 Tiere in einem Stall) und Bio-Huhn kostet eben auch einiges mehr, was für viele Menschen schon ein Hindernis sein dürfte

    • @So,so:

      Warum nicht einfach vegan?

      • @Ice-T:

        Weils nicht schmeckt - leider 🤷‍♂️



        Bei Wurst ist es kein Problem, die ist geschmacklich völlig okay, bei Fleisch, sorry, null Vergleich zum Original.



        Von Grillfleisch oder nem echten Steak, gerade im Bereich rare, wollen wir erst gar nicht anfangen - selbiges gilt für Hackepeter etc



        Vegan kann bereits vieles, aber halt längst noch nicht alles.

    • @So,so:

      Es gehört mehr als Biofutter zum Hühnerglück.

  • Fast food, convenience food, Koch-Shows und die sozialen Medien fördern den Boom zusätzlich.



    Aber es gibt alternative Möglichkeiten:



    "Es gibt sehr gewissenhafte Köch_innen, die ihre hohe Kunst ganz ohne Tierleid betreiben – z.B. der vegane Haubenkoch Siegfried Kröpfl, dessen Events immer ausgebucht sind, der deutsche Schmankerlkoch Jérôme Eckmaier, Sophie Hoffmann oder die US-Amerikanerin Isa Chandra Moskowitz. Diese Köch_innen schaffen es nicht nur, aus rein pflanzlichen Produkten bombastische Gerichte zu zaubern – sie kochen so raffiniert, dass auch eingefleischte Steak-Esser_innen glauben, sie essen Fleisch, wenn in Wahrheit ein veganes Gericht auf dem Teller liegt. DAS ist wahre Kochkunst.



    Auch die Koch-Shows veganer Köch_innen, die ohne die Zubereitung von Tierkörpern auskommen, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Hier nur eine kleine Auswahl:



    The Vegan Zombie



    The Sweetest Vegan



    Brown Vegan



    Kupferfuchs



    Bosh!



    Pick-up Limes"



    Quelle



    vgt.at/presse/news...ws20200519mn_3.php



    Über Campylobacter und Schwermetalle in der Nahrungskette könnte man übrigens auch etwas sehr Informatives schreiben.

  • Guten Morgen,



    Leider fehlt hier auch, dass sich in den USA, so langsam aber sicher, eine Vogelgrippe Epidemie anbahnt. Und, dass der Virus sich immer öfters auf Menschen überträgt.

    Buon Appetito



    Roberto

  • Mir fehlt da ein ganz wichtiger Punkt, denn das die Industrie "Geflügelfleisch als gesund und nachhaltig" bewirbt liegt doch nicht an den "Konsumenten (die) meist jung, fitness- und gesundheitsbewusst" - der Trend zum Geflügel wurde doch von Klimaschützern weltweit massiv beworben. 'Food Hipster' und Industrie sind dann nur auf diesen Zug aufgesprungen.



    Rindfleisch ist seit Jahren unter Dauerfeuer wegen seines vergleichsweise großen Ressourcenverbrauchs bei der Erzeugung - Geflügel wurde als ressourcenschonender Ersatz gepriesen. Ein Kilo Geflügel verbraucht nur plusminus 2500 Liter Wasser in der Herstellung, ein Kilo Rind hingegen um die 15000 Liter.



    Die Konsumenten folgten dem Rat - nun soll das auch wieder falsch sein...

    • @Farang:

      Man sollte seine Ernährung im Wesentlichen pflanzlich gestalten, auch wenn man kein Vegetarier oder Veganer wird. Fleisch muss etwas Besonderes sein, egal von welchem Tier. Hier sollte man auf Tierwohl achten, dann auch gerne teurer dafür gut kaufen. Auch geschmacklich liegen das Biohuhn, das Biosteak usw. deutlich vorne.



      Hähnchen, Wurst, Fleisch allgemein, auch Fisch, die zu billig sind, sind unter schädlichen Bedingungen hergestellt, unter Mißachtung des Tierwohls und schädigen auch den Konsumenten.

      • @Bambus05:

        Da bin ich voll bei Ihnen - ich esse bestimmt nicht 3x täglich tierische Produkte und das Billigfleisch aus den Discountern meide ich grundsätzlich.

    • @Farang:

      Dieser "Rat" wurde erteilt, weil sich die Massen aufgertegt haben "die nehmen uns unser Fleisch (Schnitzel, was auch immer) weg!!!", riesen hysterie, also konnte man den Leuten nicht sagen "ihr müsst komplett auf Fleisch verzichten", denn damit hätte man sich in Abseits manövriert, ähnlich wie die Letzte Generation. So mussten eben das "weniger schlimme" Geflügel als umweltfreundlichere Variante herhalten. Massentierhaltung ist halt niemals gut und kein Klimaschützer wird explizit dafür geworben haben.



      Ansonsten ja, ein sehr kurz gehaltener Artikel.

      • @PartyChampignons:

        Und da stimme ich Ihnen zu 100% zu bezüglich der Beweggründe - nur manövriert man sich jetzt genau so ins Abseits, wenn man nun eben sagt: "Moment mal, das mit dem Geflügel war nur vorgeschoben."

    • @Farang:

      Mir fehlen da einige Punkte, wieder mal ein Artikel der scheinbar bei der Hälfte aufhört. Als müsste ich mich als Zeitungsleser auf die Aufmerksamkeitsspanme eines Social-Media Nutzers beschränken.

    • @Farang:

      Das sind ja auch alles Durchschnittswerte für Industriefleisch. Mich würde mal interessieren, wie es beim regionalen Weiderind und Freilandhuhn aussieht? Da wäre die Überlegung dann viel weniger Fleisch, dafür aber viel nachhaltiges.