piwik no script img

Konservative „Demo für alle“ in Hannover„Keine rot-grüne Frühsexualisierung“

Rund 1.000 Menschen demonstrierten am Samstag gegen sexuelle Vielfalt. Ihnen standen kaum halb so viele Gegendemonstranten gegenüber.

„Demo für alle“ für Familienwerte – mit Gegendemonstranten Bild: dpa

HANNOVER taz | Kleine Regenbogenfähnchen schwenkten die Demonstranten als die Kundgebung am Steintor begann. Ein Empfang, der die Organisatorin der „Demo für Alle“, Hedwig Freifrau von Beverfoerde, nicht besonders erfreute. „Ich lieben den Regenbogen“, sah sich die Vorsitzende von der „Initiative Familienschutz“ wegen dem lauter werdenden Protest genötigt zu sagen, „aber nicht die Ideologie dahinter“.

Großer Applaus kam von ihren Anhänger gegen den Antrag der rot-grünen Regierung „Schule muss der sexuellen Vielfalt und geschlechtlicher Identitäten gerechte werden“ vor der Bühne auf. Ein Applaus, der wegen dem Protest der Gegendemo allerdings kaum in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu hören war.

Am Samstagnachmittag demonstrierten rund 1.000 Anhänger es Aktionsbündnisses „Ehe und Familie vor! Stoppt Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ gegen den Antrag, damit die vermeintliche gott- und naturgegebene Ordnung beibehalten wird. Das wurde auch gelebt: Blaue Luftballons verteilten sie an die Jungs, rosa Luftballons an Mädchen. Wer um eine andere Farbe nicht passend zum vermeintlichen Geschlecht fragte, wurde scheel angeschaut.

Das Aktionsbündnis leitet der Verein von Beverfoerde, an Kleidung und Schildern ließen sich aber über 20 erzkonservative Vereinigungen ausmachen: „Vater, Mutter, Kind – Familie voran!“, „Keine rot-grüne Frühsexualisierung von unseren Kindern“ stand dort, außerdem von ihren Gegnern „Stoppt Homophobia“ und „Hätt' Maria abgetrieben wärt ihr uns erspart geblieben“.

Gegenkundgebung „Vielfalt statt Einfalt“

Zur Gegen-Kundgebung „Vielfalt statt Einfalt“ kamen rund 300 Demonstranten. Sie waren dem Aufruf von Schwulen- und Lesbenverbänden sowie SPD, Grünen, FDP und Linke gefolgt und demonstrierten für den Antrag, Homosexualität ebenso wie Bi-, Trans- und Intersexualität in die Lehrpläne einfließen zu lassen. Hannovers Personaldezernent Harald Härke nannte die Kritiker „Dumpfbacken“.

Die „erzkonservativen Rechtspopulisten“ werde das nicht stoppen, sagten Daniela Rump und Tjark Melchert vom Landesschülerrat. „Familien schützen ist sicher wichtig“, sagte Rump, „Regenbogen-Familien gehören allerdings dazu!“ Ein Satz, der lauten Applaus bekam. Wenig später schlossen sich rund 150 Demonstranten gegen eine rechtsextreme Kundgebung an. Am Vormittag war der Aufmarsch mit rund 50 Anhängern gegen „linke Gewalt“ wegen eines Angriffs nach der Kundgebung der „Hooligans gegen Salafisten“ vor einer Woche gefloppt.

Die Kundgebung „Vielfalt statt Einfalt“ war nur wenige Schritte vor der „Demo für alle“ entfernt. Diskret hatte sich die Polizei nach und nach zwischen Demoteilnehmer und Gegendemonstranten geschoben. Umrandet von lauten Protestierenden wetterte von den „Freien Wählern“ und „Eltern 21“ Gerriet Kohls, sie sei nach „Kommunismus, Faschismus“ nun von „Genderismus“ bedroht. Karin Maria Fenbert von "Kirche in Not" prognostisierte: „Im Irak werden Christen verfolgt - und wenn das hier so weitergeht, haben auch wir bald eine Christenverfolgung.“

Zwei Mütter, eine von elf Kindern und eine von sechs Kindern, beschworen Kinder- und Eheglück - dank Gottes Willen. Auch Anette Schultner vom Landesvorstand der AfD beklagte, dass Rot-Grün die Kinder in der Schule mit Genderismus und Homosexualität indoktrinieren wolle.

Die AfD-Nähe störte die Demo-Organisatorin Beverfoerde nicht. Ihr Verein ist bei der „Zivilen Koalition“ angegliedert, dem die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch vorsteht. Dass die CDU sich nicht an ihrer Aktion beteiligte, sei jedoch schade, sagte Beverfoerde, die noch Mitglied in der Partei ist, in der sie das C immer mehr schwinden sieht. Nach der Kundgebung lassen sie vor dem Landtag ihre blauen und rosafarbenen Luftballons fliegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Gut, dass wir Meinungs-, Deomonstrations- und Gegendemonstrationsfreiheit haben. Gut, dass besorgte Menschen in der Frage, der Sexualerziehung die eine und die andere Meinung haben dürfen. Nur bei allem Verständnis für das Rechthaben-Wollen: Warum antwortet man statt sachlich so diffamierend wie "Hätt Maria abgetrieben..." Was verrät das über den Umgang mit Menschen, über Toleranzverständnis....? Diese Gegendemonstration verrät damit ein armseliges Verständnis politischer Kultur...

    • @tazzelwurm:

      Verstehe ich nicht.

       

      Wenn Sie Meinungsfreiheit haben wollen, dann sind das Sätze die man akzeptieren muss.

      Toleranz heißt eben auch das akzeptieren, was man nicht selber sagen würde.

      • @Age Krüger:

        Die Frage ist, wenn der Respekt vor dem Andersdenkenden nicht mehr da ist (Hätte Maria abgetrieben...) wie weit es dann noch ist bis die ersten Steine fliegen.

  • Es ist natürlich die Frage, inwiefern diese Aussage: „Im Irak werden Christen verfolgt - und wenn das hier so weitergeht, haben auch wir bald eine Christenverfolgung.“ auch bei den übrigen Demoteilnehmern Anklang findet, aber er zeigt, was für ein Humbug dort verbreitet wird und bestätigt Harald Herke darin, die Demoteilnehmer als Dumpfbacken zu charakterisieren.

    Es ist gut, dass auch solche Gruppierungen von ihrem demokratischen Recht auf Demonstrationen Gebrauch machen dürfen, das heißt aber noch lange nicht, dass man dem Quatsch, der dort verbreitet wird, nicht mit einer Gegendemo laut widersprechen darf.

    Gut also, dass sich zumindest 300 Leute gefunden haben, die den Schmarren nicht unwidersprochen stehen lassen wollten…