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Konjunkturaussichten in DeutschlandVor dem Absturz

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Die Wirtschaftsaussichten sehen wegen Inflation und Energiekrise düster aus. Aber die ausgesetzte Schuldenbremse bietet Spielräume für Entlastungen.

Das Thermostat lieber auf die 2 drehen, dann wird es nicht so teuer Foto: imagebroker/imago

E s ist nicht alles schlecht in Deutschland – das legen die aktuellen ökonomischen Daten nahe. Immerhin hat die Wirtschaftskraft trotz Krieg und Inflation im vergangenen Quartal wieder mit einem kleinen Wachstumslupfer das Niveau der Zeit vor der Coronapandemie erreicht.

Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Steuereinnahmen besser als gedacht, die Pandemie hat sich vorerst abgemildert. Nun sieht es angesichts der Energiekrise, des Inflationsmonsters und weiter stockender Lieferketten ziemlich zappenduster für die kommenden Monate aus. Die Rezession ist für ÖkonomInnen ein done deal, also gesetzt.

Viel hängt tatsächlich vom Wetter ab. Die Folgen für einzelne Branchen, falls dort infolge eines harten Winters staatlicherseits der Gashahn abgedreht wird, sind kaum abschätzbar; Dominoeffekte drohen. Fast noch gefährlicher sind die Folgen der historisch hohen Preisanstiege. Wer geht schon auf Shoppingtour, wenn die Energiepreise von 200 auf 800 Euro im Monat (grobe Schätzung für eine vierköpfige Familie mit Gasheizung und -herd im Altbau) anziehen?

Wladimir Putin freut’s – er wird weiterhin versuchen, die Panikpreise in die Höhe zu jazzen. Leider zocken derzeit auch Firmen ihre KundInnen mit Preisaufschlägen ab, die gar nicht so viel Energie benötigen – fällt ja nicht so auf. Die für hiesige Verhältnisse rasende Geldentwertung ist Gift pur für das Konsumklima: Nicht nur wirtschaftlich schwache Menschen, auch die sogenannte Mittelschicht schaltet angesichts der ungewissen Zukunft auf Sparmodus um.

Und die Ampel? Arbeitet in der Causa auch auf Sparflamme. Es ist unfassbar, wie ein sozialdemokratischer Kanzler durchs ewige Schmieden von Ausgleichspaketen eine derartige Verunsicherung erzeugt. Die Opposition ist happy. Klar ist: Im Etat 2022 stecken ­Megaspielräume. Problemlos kann die Regierung die noch geltende Notfallsituation bei der Schuldenbremse für kräftige, kreditfinanzierte Zuschüsse an Privathaushalte nutzen – etwa für eine neue Energiepauschale.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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4 Kommentare

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  • ... 2021 fanden weltweit 22 Kriege und 6 sogenannte bewaffnete Konflikte statt...

  • Das Ganze ist eine Mogelpackung. Der .Zuwacha beruht auf den inzwischen höheren Preisen, die dem immer abhängiger werdenden Verbraucher aufgenötigt worden und ist aufgrund der ständig abnehmenden Kaufkraft=Verarmung der Normalbürger nur eine Frage der Zeit. Länder wie Argentinien, Chile, aktuell Korea, die eigentlich besser dastehen als jedes so von Rohstoffen abhängige EU-Land zeigen: Wenn es rutscht, gibt es kein Halten mehr, wie auch in der Türkei, die Spekulanten gerade ruinieren.

  • Die Aufhebung und Mißachten der Schuldenbremse ist genau das Gegenteil von nachhaltiger Wirtschaft. Sparen ist bei Energie wie auch beim Geldausgeben erforderlich.

    • @Taztui:

      ...ein reiches Land wie Deutschland braucht weit aus weniger Schulden machen. Hängt natürlich von diplomatischen und fähigen Politikern ab. Was anderes sind auf lange Sicht getätigte Investitionen. Was selbst einer völlig unqualifizierte Person wie unserem jetzigen Finanzminister und möchte gern Großkopf - mit etwas Geduld, verständlich erklärt werden könnte. Fachleute wie Ökonomen haben wir jedenfalls genug ! Gerade Geld ausgeben sollte dieser alt Neoliberale doch für erstrebenswert erachten...