Kongress der deutschen Zeitungsverleger: Schuld sind die anderen
Beim Jahreskongress schimpfen Verleger auf Facebook, Google und die Öffentlich-Rechtlichen. Die eigenen Fehler kommen nicht zur Sprache.
Als wollte die Kongressregie, Döpfners beeindruckenden Appel konterkarieren, folgt ihm Bundestrainer Joachim Löw, der sich vom eigenen Pressesprecher Jens Grittner freundlich über Fußball und Strategie befragen lässt. Auf dem Flur kann man hören, Löws Bedingung für den Auftritt sei gewesen, sich nicht von Journalisten befragen zu lassen.
Am zweiten Kongresstag ernannte das Präsidium Katrin Tischer vom Berliner Cornelsen Verlag zur neuen Geschäftsführerin. Doch ansonsten beschäftigt sich der Jahreskongress der Tageszeitungsverleger nur mit den anderen. Springer-Chef Döpfner war für die Bedrohungen von außen zuständig: den großen Internetmultis wie Google und Facebook, die die Inhalte der Verlage nutzen, um ein attraktives Werbeumfeld zu haben, aber die Verlage nicht daran beteiligen wollen. Und die kleinen Amtsblätter und sogar Portale von regionalen Energieanbietern, die mit staatlichem Geld den regionalen Verlagen Konkurrenz auf ihrem früheren Monopolmarkt machen.
Besonderen Groll aber haben die Zeitungsverleger auf die öffentlich-rechtlichen Sender, die den Presseangeboten im Netz aus Sicht der Verleger die Chance für Bezahlangebote nehmen. Das Thema war den Verlegern so wichtig, dass sie sich einen halben Tag mit ARD, ZDF und dem Hörfunk beschäftigten. Döpfner sprach gar wie die AfD von „Staatsfunk“, der irgendwann alle anderen aus dem Internet verdrängt habe, was ganz „nach dem Geschmack von Nordkorea“ sei.
Nur zwei Öffentlich-Rechtliche in den Top-40
Aber selbst eine Studie von McKinsey konnte die Befürchtung, von den Internetangeboten der Öffentlich-Rechtlichen abgehängt zu werden, nicht stützen. Denn unter den Top-40-Angeboten im Netz sind in Deutschland 14 Webseiten von Verlagen, aber mit tagesschau.de und sportschau.de nur zwei Öffentlich-Rechtliche.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mochte nur noch der stellvertretende Feuilleton-Chef der FAZ, Michael Hahnfeld, nicht davon abrücken, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen entscheidenden Betrag zur Krise der Presseverlage leisten.
Doch die Botschaft der Verlage ist längst in der Politik angekommen. Passend zum Verlegerkongress gibt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger in der Stuttgarter Zeitung ein Interview, in dem er ein weiteres Mal einem europäischen Leistungsschutzrecht für Verleger das Wort redet und ebenfalls davon spricht, dass man den Internetangeboten im Netz „Grenzen aufzeigt“.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte in seiner Rede am Morgen Unterstützung für die Verlage versprochen. Martin Schulz hob am Dienstag bei der Konferenz sein Engagement an der Seite der Presse hervor. Nur Horst Seehofer war bereit, auf den Auftritt vor den einflussreichen Verlegern zu verzichten. Er habe sich wegen einer Erkältung nach einem Oktoberfestbesuch entschuldigen lassen, erklärte Mathias Döpfner spitz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Übergriffe durch Hertha-BSC-Fans im Zug
Fan fatal
Öl-Konzern muss CO₂-Ausstoß nicht senken
Shell hat recht
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts