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Konflikt zwischen Ukraine und RusslandScharfe Töne und ein zweiter Konvoi

Ukraines Premier Jazenjuk nennt Russland erneut einen „Aggressor“. Vom Flughafen Donezk werden Kämpfe gemeldet. Und in Kiew hat der Wahlkampf begonnen.

Extra für die Agenturfotografen in Reih' und Glied geparkt: der zweite russische Hilfskonvoi kurz vor der Grenze zur Ukraine. Bild: reuters

KIEW/LUGANSK dpa | Eine Woche nach Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine erklärt sich die Führung in Kiew weiterhin im Krieg mit Russland. Moskau sei der „Aggressor“, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bei einer internationalen Konferenz am Samstag in Kiew.

Kremlchef Wladimir „Putin will nicht die Gebiete Donezk und Lugansk, sondern die ganze Ukraine“, behauptete Jazenjuk. Er forderte eine Beteiligung der EU und der USA an Gesprächen mit Russland über die Beilegung der Krise, da Kiew Moskau in Verhandlungen unterlegen sei.

Moskau schickte derweil einen zweiten Konvoi mit rund 2000 Tonnen Hilfsgütern in das Krisengebiet Donbass. Wenige Stunden später erreichte die Kolonne mit Medikamenten, Lebensmitteln und Stromgeneratoren russischen Medien zufolge Lugansk. In der Separatistenhochburg ist seit Wochen die Versorgung mit Strom und Wasser ausgefallen. Die etwa 200 Lastwagen hatten zuvor mehrere Tage an der Grenze gestanden und auf eine Erlaubnis aus Kiew gewartet.

Unklar war ukrainischen Medien zufolge, ob eine solche Erlaubnis vorlag und ob Beamte aus Kiew an der Abfertigung des Konvois beteiligt waren. Das Internationale Rote Kreuz begleitete den Konvoi nach eigenen Angaben nicht. Ein erster russischer Konvoi mit mehr als 250 Lastwagen war am 22. August ohne Genehmigung aus Kiew über die Grenze gefahren. Das eigenmächtige Handeln Russlands hatte internationale Kritik ausgelöst.

Gefechte auf dem Flughafen Donezk

Die Feuerpause zwischen den Regierungstruppen und den prorussischen Aufständischen wurden nach Militärangaben erneut gebrochen. Die Armee habe einen Angriff der Separatisten auf den Flughafen der Großstadt Donezk abgewehrt, teilte die Leitung der „Anti-Terror-Operation“ mit. Auch die Behörden in der Großstadt Donezk berichteten von Beschuss.

Die Waffenruhe hält – mit vereinzelten Berichten über Brüche – seit einer Vereinbarung Kiews mit den Aufständischen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk am 5. September. EU und USA verhängten am Donnerstag dennoch neue Sanktionen gegen Russland, um es zu stärkeren Friedensbemühungen zu bewegen. Moskau hat Gegensanktionen angekündigt.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (65) kritisierte die Russland-Politik der Bundesregierung. „Die Sanktionspolitik ist eine feige Politik, die in die falsche Richtung geht“, sagte er am Freitagabend. Erfahrungen im Iran und im Irak hätten gezeigt, dass solche Maßnahmen nicht wirkten.

Jazenjuks Partei tritt gegen Poroschenkos Partei an

Im Streit um einen Freihandelspakt Brüssels mit Kiew forderte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Moskau auf, Kiew das Recht auf Abkommen mit internationalen Partnern zuzugestehen. Russland kritisiert den geplanten Freihandelspakt und verlangt Änderungen. Er soll an diesem Dienstag ratifiziert werden.

EU, Ukraine und Russland hatten sich am Freitag auf eine Verzögerung des Abkommens bis Ende 2015 geeinigt. Der ukrainische Vize-Außenminister Daniil Lubkiwski trat deswegen am Samstag zurück.

Trotz des Konflikts mit Russland stehen in Kiew die Zeichen auf Wahlkampf. Jazenjuks Partei Narodny Front (Volksfront) wird dem Ministerpräsident zufolge bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 26. Oktober gegen die Partei von Präsident Petro Poroschenko antreten. „Wir befinden uns in unterschiedlichen Lagern, aber sind vereint im Streben nach Reformen“, sagte Jazenjuk am Samstag.

Der erst Ende März gegründeten Volksfront gehören auch Parlamentspräsident Alexander Turtschinow und Innenminister Arsen Awakow an. Gewählt wird am 26. Oktober.

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21 Kommentare

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  • Europa ist immer noch zu weich (u.a. in der Birne) Europa ist aggressiv und expansionslüstern?, glaub ich nicht, es fehlt ihm dazu ganz offensichtlich jedes strategisches Denken, statt dessen meint es mit sozialtherapeut. Dialogen den amoklaufenden Problemjugendlichen Putin zur Einsicht zu bringen. Wenn jetzt Barroso Moskau allen Ernstes auffordert der Ukraine "zuzugestehen" eigene Verträge schließen zu dürfen, dann ist das nur hirnverbrannt. Wenn das Schule macht dürfen wir hier (!) in Zukunft für alles Moskau um Erlaubnis fragen, ist das die neue Emanzipation von Washington, die unser Putin- Freunde einfordern? Beängstigend. Das Staatenrecht u die KSE- Schlussakte (v Moskau in den 70ern unterschrieben) räumt jedem Staat ganz selbstverständl das Recht ein selbständig Verträge zu schließen u nach eigenem Wunsch jedwedem Bündnis beizutreten. Moskau braucht Die Ukraine als Schutz, als Puffer? DAs Bild steht auf dem Kopf: Der Westen u die Ukraine brauchen Schutz vor Russland. Schon die Inkraftsetzung des Assotiationsabkommens um ein Jahr zu verschieben u wie man den Reaktionen Poroschenkos entnehmen kann, wahrscheinlich Änderungen auf Wunsch Moskaus reinzuschreiben, ist fatal. Putin hat durch das europ. Rumlavieren sein Ziel vlllcht bald erreicht: die Ukraine ist dann nur noch auf dem Papier ein souveräner Staat u wenn sich Poroschenko u Jazenjuk nach dem Vorbild der orangenen Revolution ganz zerstritten haben werden, wird ein Janukowitsch o gar er selbst wieder zurückkehren und bald den freiwilligen Anschluss an die neue SU unterschreiben. Alles Quatsch? Wartet mal ab.

  • Gauweiler war schon immer ein kluger Kopf und er hat RÜCKGRAT.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Tupaq:

      Ist das nicht dieser Gauleiter... äh Gauweiler der HIV-Infizierte mit einem Brandzeichen stigmatisieren wollte? Oder wollte er diese HIV-Patienten nicht sogar gleich in ein Lager stecken...? Radikal schwulenfeindlich hat er sich auch schon gezeigt. Ja, wirklich, ein kluger Kopf und Putins Freund im Geiste...

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @DJ Boemerang:

      Das ist weithin bekannt, dass auf BEIDEN Seiten faschisten und rassisten ihr Unwesen treiben. Nur Putinfreunde ignorieren das geflissentlich, könnte ja am schön konstruierten Weltbild kratzen...

    • @DJ Boemerang:

      Es vollzogen sich ja ein paar Änderungen:

       

      http://www.jungewelt.de/2014/08-21/018.php

      • @Der_Peter:

        oh, dass ändert natürlich alles, die Ostukraine wird jetzt aus Transnistrien regiert (nebenbei: haben die Ostukrainer die gewählt?) ein weiterer Beweis, wie die jw meint, dass das ganze nicht von Moskau dirigiert wird. Und Transnistrien ist die ideale Mischung zw Kapitalismus u starkem Sozialstaat, das neue Skandinavien i Osteuropa. Wenn's nicht so traurig wär, wie sich einige vorgeblich selbstständig denkende Leute verschaukeln lassen, würd ich mich schütteln vor lachen.

  • Mit den neuen Konvois hören hoffentlich auch die Diskussionen auf, ob die neuen Sanktionen berechtigt sind oder nicht...

     

    Putin kann es einfach nicht lassen.

    • @Joe Montana:

      Och, das Diskutieren kann man niemandem verbieten. Der Widersinn der Sanktionen nach einer Woche Waffenstillstand bleibt dennoch.

      Aber da es das Kalkül der Kiewer Junta samt ihrer transatlantischer Hintermänner und sonstiger Apologeten ist, die renitente ostukrainische Bevölkerung in die Knie zu zwingen, und sei es durch Aushungern, ist so ein Hilfskonvoi natürlich ein Verbrechen.

      • @Der_Peter:

        Solange Russland die Krim besetzt hält, muss es weitere Sanktionen geben. Eine Politik des vergangenen Jahrhunderts darf sich 2014 nicht mehr auszahlen!

      • 9G
        9076 (Profil gelöscht)
        @Der_Peter:

        Respekt für die Energie die sie scheinbar haben, destruktiven Zeitgeistern wie VERSTEHICHNICH Paroli zu bieten.

        • @9076 (Profil gelöscht):

          Putin bringt Krieg u Zerstörung und diejenigen, die das kritisieren, sind angebl destruktiv. Das ist nichts anderes als Verwirrtheit.

          • 9G
            9076 (Profil gelöscht)
            @ingrid werner:

            Muss ich mir von einer Verwirrten sagen lassen.....

  • 6G
    6580 (Profil gelöscht)

    Die versprochenen Hilfslieferung der Ukraine für "seine" Bürger waren zwar versprochen hat es aber wohl nicht gegeben. So lange die Bevölkerung der Westukraine lieber fürs Militär als für die leidende Zivilbevölkerung spendet hat Russland mit den LKW leichtes Spiel im Kampf um die Herzen der Bevölkerung der Ostukraine.

    • @6580 (Profil gelöscht):

      Ich könnte mir vorstellen, daß der "Kampf um die Herzen der Bevölkerung der Ostukraine" bereits in dem Moment für Kiew verloren war, als im Frühjahr die ersten Schützenpanzerwagen Kiews durch Slawjansk und Mariupol rollten.

  • Nun? diese dpa Meldung sagts ja!

    Es sind offensichtlich die, NATO/USA/EU gestützten Ukrainischen Mächte Kiews, die da weiterhin den `Unsinnskrieg´ (oder den `Bruderkrieg´) - gegen die Autonomiebestrebungen der Ostukraine proklamieren...

    Das schlimme ist, das die BRD Regierung Merkels, so sehr aktiv ist- mit dem Zirkus des Blödsinns überdrehter Sanktionen gegen Russland- die inzwischen historische Friedens und Vertrauenslogik zwischen Russland und BRD/EU... die da zur deutschen Wiedervereinigung führte.. und zum Ende des Kalten Krieges führte...

    ..so etwas wie lächerlich macht..!

    Es erhebt sich die Frage:

    Ist die BRD dem Geist des Friedens verpflichtet? (dem Geist der die DDR/BRD Wiedervereinigung ermöglichte, dem Geist, der den Kalten Krieg beendete)

    Oder ist die BRD dem expansiv- militanten/neoliberalen Geist der USA und der NATO verpflichtet, mit dem Risiko der Erneuerung des Kalten Krieges?

    Es erscheint als ob die gegenwärtige BRD Regierung Frau Dr. Merkels ( eine Ex-DDR Bürgerin!) dabei ist, die Logik ihrer eigenen Befreiung zu verraten.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @vergessene Liebe:

      Ein Schönheitsfehler hat ihre Ausführung: Es waren die Seperatisten die als ERSTE die Waffen erhoben haben um ihre Gebiete an Rußland ANZUSCHLIESSEN. Hätten diese nur Autonomie innerhalb der Ukraine verlangt, wäre das mit friedlicheren Mitteln besser zu ereichen gewesen. Wer aber eine komplette Abspalung will, der muss kämpfen. Für eine Autonomie zu kämpfen wäre unlogisch, wie soll nach all dem Leid und Unrecht auf beiden Seiten noch ein friedliches Zusammenleben innerhalb einer wie auch immer gestalteten Ukraine möglich sein? Diesen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen haben die Seperatisten mit klarem Kalkühl vollzogen.

      • @4845 (Profil gelöscht):

        Sie haben ja Recht, aber wir sind doch hier nicht unter Diplomaten, also müssen wir uns hier keinen Zwang antun und können Ross u Reiter beim Namen nennen: Es gab keine separatistische Bewegung, es ist eine Veranstaltung initiiert, geführt und unterhalten von Russland- ein paar ukrain Kriminelle u polit Verwirrte ändern daran nichts. Prinzipiell gebe ich ihnen aber Recht: wo sind übrigens die gewählten ostukrain Abgeordneten, die Autonomie o Separation einfordern? Entweder Sie müssen sich verstecken, sind geflohen- auf jeden Fall können ihre Körperschaften unter dem Druck der Waffen v angemaßten u von außen gekommenen "Volksvertretern" nicht zusammentreten.

  • Heute ist Wochenende, draußen scheint die Sonne, und ich will noch etwas im Garten arbeiten, deshalb nur ein paar kurze Bemerkungen.

    Wieder einmal stand der Hilfskonvoi tagelang an der Grenze herum, bevor er losfuhr. Dieses mal aber scheint das Interesse bei den Journalisten längst nicht so groß gewesen zu sein. Beim ersten Konvoi wehte an den Lastwagen die Fahne des Moskauer Gebietes, diesmal die russische.

    Der "Waffenstillstand" ist in der Tat sehr brüchig, immer wieder gibt es Feuergefechte und Artelleriebeschuß, letzteres vor allem von der ukrainischen Seite. So wurden z.B. zwei Bahnarbeiter eines Bautrupps verletzt, die Gleisanlagen reparieren wollten. Herr Lyssenko lobte die Feuerpause, denn sie würde der Ukraine die Möglichkeit geben, ihre von den Rebellen gefangen genommenen Soldaten zurückzubekommen und die eigene Armee neu zu gruppieren. Und in die Rebellen berichten, sie wären mit Hochdruck dabei, die in ihren Städten zerstörte Infrastruktur wieder instandzusetzen. Eine ganze Reihe von Flüchtlingen kehrt auch wieder zurück. Hoffentlich wird ihre Hoffnung auf eine etwas längere Waffenruhe nicht enttäuscht!

    Spannend finde ich, daß die Parteien von Jazenjuk und Poroschenko bei den Wahlen im Oktober gegeneinander antreten werden. Dabei war eine Weile sogar über eine Fusion beider Parteien spekuliert worden.

    • @Der_Peter:

      Danke für das Update darüber, was so auf Russia Today verbreitet wird...

  • 1G
    1338 (Profil gelöscht)

    Nach dem Versuch der Putschisten in Kiew, die Bevölkerung von Luhansk und

    Donezk durch Entzug von Wasser, Elektrizität, Medikamenten und Nahrungsmitteln

    auszuhungern und zu vertreiben , scheinen die Russen wohl die einzigen zu sein,

    denen das Schicksal der Bevölkerung in der Ost-Ukraine nicht gleichgültig ist. Kiew

    schickte seine Soldateska, unterstützt durch polnische und amerikanische

    Söldner, die zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Wasser- und Elektrizitätswerke

    zerstörte. Wie die "Stimme Russlands" mitteilt, sind inzwischen ca. 820. 000 Bürger

    der Ukraine nach Russland geflüchtet.

     

    Der verschärfte Handelskrieg gegen Russland wird auch negative Auswirkungen

    auf die Bevölkerung in den EU-Staaten haben:

    Handels-Krieg gegen Russland: Der große Verrat von Angela Merkel an ihrem Volk

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/12/handels-krieg-gegen-russland-der-grosse-verrat-von-angela-merkel-an-ihrem-volk/

     

    Zu den Hintergünden der Krise um die Ukraine siehe:

    Nato-Experte: USA wollen militärische Kontrolle der Ukraine

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/07/14/nato-experte-aus-sicht-der-usa-ist-deutschland-ein-besetztes-land/

     

    Atomkrieg light gegen Russland?

    https://www.freitag.de/autoren/soenke-paulsen/atomkrieg-light-gegen-russland