Konflikt zwischen Hamas und Israel: Waffenruhe ist gescheitert
Kurz nach Beginn der Feuerpause wird im Gazastreifen wieder geschossen. Viele Palästinenser werden getötet, ein Israeli soll entführt worden sein.
GAZA-STADT/TEL AVIV ap/dpa/rtr | Nur wenige Stunden nach Beginn einer 72-stündigen Waffenruhe im Gaza-Krieg wurden bei israelischen Angriffen 50 Palästinenser getötet und weitere 220 Menschen verletzt, teilt das Gaza-Gesundheitsministerium mit. Die israelische Regierung warf ihrerseits der Hamas und ihren Verbündeten einen „flagranten Bruch“ der Waffenruhe vor und erklärte die Feuerpause für gescheitert.
Israel habe den UN-Vermittler Robert Serry davon in Kenntnis gesetzt, berichteten israelische Medien am Freitagmittag. Zuvor waren im südlichen Gazastreifen heftige Kämpfe zwischen israelischen Truppen und militanten Palästinensern aufgeflammt.
Im Gazastreifen wurde mutmaßlich ein israelischer Soldat verschleppt. Es handele sich um den 23-jährigen Leutnant Hadar Goldin. Ein ranghohes Hamas-Mitglied sagte der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, der Soldat sei vor Inkrafttreten der Waffenruhe um 07.00 Uhr (MESZ) gefangen genommen worden. Daher habe Israel nicht das Recht, die Waffenruhe zu brechen, so Mussa Abu Marsuk weiter.
Israel bestreitet das. Nach Angaben des Militärs ist Goldin erst um 08.30 Uhr (MESZ) verschleppt worden. „Terroristen griffen israelische Streitkräfte an, die an einem Tunnel im Einsatz waren“, teilte der israelische Militärsprecher Peter Lerner am Freitag mit. Israel erklärte die in der Nacht zuvor vereinbarte Waffenruhe im Anschluss an die Verschleppung für gescheitert. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, die Feuerpause gebrochen zu haben.
Auch der israelische Rundfunk berichtete von heftigen Feuergefechten zwischen israelischen Soldaten und der Hamas in Rafah. Die israelische Artillerie feuere Granaten in das Gebiet. Auch die israelische Luftwaffe sei im Einsatz. Östlich der Stadt seien zudem 15 weitere verletzt worden, sagten der Sprecher der Gesundheitsbehörden in Gaza, Aschraf al-Kidra, und der örtliche Polizeisprecher Ajman Batnidschi. Der Warenübergang Kerem Schalom sei angesichts schwerer Kämpfe geschlossen worden.
Die von USA und Vereinten Nationen angekündigte Feuerpause trat um 07.00 Uhr MESZ in Kraft. US-Außenminister John Kerry warnte, es gebe „keine Garantien“, dass der Waffenstillstand ein Ende des seit mehr als drei Wochen andauernden Gazakriegs einleiten werde. Die Konfliktparteien haben angekündigt, sich an die Vereinbarung zu halten, auf Angriffe jedoch zu reagieren.
Nur wenige Stunden vor dem Inkrafttreten der Feuerpause kamen bei israelischen Angriffen 17 Palästinenser ums Leben. Unter den Opfern waren zehn Mitglieder einer Familie, die bei einem Luftangriff auf ihr Haus in Chan Junis im Süden des Gazastreifens ums Leben kamen, wie der Sprecher der Gesundheitsbehörden in Gaza, Aschraf al-Kidra, sagte. Das israelische Militär teilte mit, fünf Soldaten seien am Donnerstagabend entlang der Grenze zum Gazastreifen getötet worden, als sie unter Beschuss gerieten.
Schwerer Panzerbeschuss
Die Polizei in Gaza meldete zudem schweren Panzerbeschuss im Norden und Osten der Region. In Gaza-Stadt waren laute Feuerwechsel zwischen israelischen Truppen und Millitanten zu hören. Panzergranaten schlugen in Häuser ein und steckten Wohngebäude und Geschäfte in Brand.
Polizeiangaben zufolge nahmen Hamas-Kämpfer einen israelischen Panzer mit einer Panzerabwehrrakete unter Beschuss. Anschließend hätten sie israelische Soldaten angegriffen, die die Panzerbesatzung evakuieren wollten. Die Gefechte hätten bis zum frühen Morgen angedauert. Das israelische Militär teilte mit, die Angelegenheit zu untersuchen.
Seit Beginn des Gazakonflikts am 8. Juli wurden mindestens vier kurze humanitäre Feuerpause angekündigt. Doch jede wurde binnen weniger Stunden nach Beginn gebrochen. Nach palästinensischen Angaben wurden bislang mehr als 1.450 Palästinenser getötet, auf israelischer Seite kamen 61 Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.
Waffenruhe ohne Vorbedingungen
Vertreter von USA und Vereinten Nationen hatten am Donnerstag in einer gemeinsamen Mitteilung erklärt, dass Israel und die Hamas überraschend in eine 72-stündige Waffenruhe ohne Vorbedingungen eingewilligt hätten. Zudem erklärten sie sich den Angaben zufolge bereit, Verhandlungen über einen längerfristigen Waffenstillstand aufzunehmen.
Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bestätigte die Einigung. Später erklärte auch Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri, seine Gruppe habe angesichts der Situation des palästinensischen Volkes zugestimmt. Lange gehalten hat die Feuerpause nicht.
Während der angekündigten Waffenruhe solle Israel weiter mit der Zerstörung der Tunnel der Hamas fortfahren dürfen, sagte Kerry. Damit wurde der Forderung von Netanjahu Rechnung getragen. Dieser hatte am Donnerstag erklärt, er werde keinem Waffenstillstand zustimmen, bevor Israel die Zerstörung der Tunnel abgeschlossen habe. Über die Tunnel können militante Palästinenser nach Israel gelangen.
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