Konflikt um Papierlose in den USA: Keine Toleranz für „Null Toleranz“
In New York ist jetzt eine vierte Frau mit ihren Kindern im Kirchenasyl vor der Abschiebung bewahrt worden. Allerlei Prominenz solidarisiert sich.
Und in New York flüchtete erneut eine Guatemaltekin, die von Abschiebung bedroht ist, in eine Kirche. Die 32-jährige Debora Barrios-Vasquez will ihre beiden Kinder nicht verlassen. Sie ist die vierte Frau in der Stadt, die ins Kirchenasyl geht.
Unterdessen wissen Tausende von Eltern nichts von ihren Kindern, die ihnen in den letzten Wochen an der Südgrenze weggenommen worden sind. Bis Ende der Woche waren nur 500 Kinder und Eltern wieder vereinigt worden. Mindestens 2.000 Kinder waren weiterhin von ihren Eltern getrennt.
„Debora versteckt sich nicht. Sondern sie sagt mutig ihre Meinung“, sagte Pastor K. Karpen in der St.-Paul-&-St.-Andrew-Kirche. Die Methodistengemeinde an der Upper West Side hat sich kürzlich der „New Sanctuary Coalition“ angeschlossen, einer Gruppe verschiedener Religionsgemeinschaften, die EinwandererInnen bei drohenden Abschiebungen unterstützt.
Und so etwas in der großartigsten Stadt der Welt?
Am Donnerstag, als die papierlose Guatemaltekin zusammen mit ihrer zweijährigen Tochter und ihrem zehnjährigen Sohn, die beide US-Staatsangehörige sind, offiziell in die Kirche einzog, saßen hunderte Gemeindemitglieder auf den Bänken. Am Mikrofon dankte die Präsidentin des Stadtrats von Manhattan, die Demokratin Gale Brewer, der papierlosen Guatemaltekin für ihren Mut. Die Politikerin erklärte, es mache sie „krank“, dass das Weiße Haus Kinder von Eltern trenne, dass es bereits stattgefundene Einbürgerungen rückgängig mache und dass dies alles auch in der „großartigsten Stadt der Welt“ geschehe.
Eine andere Demokratin, die Schauspielerin Cynthia Nixon („Sex in the City“), die Gouverneurin des Bundesstaats New York werden will, nannte die Abschiebepolizei ICE eine „terroristische Vereinigung“ und verlangte die Auflösung der Einheit, die 2002 gegründet worden ist.
Barrios-Vasquez selbst erzählte in ihrer zweisprachigen Ansprache auf Englisch und Spanisch über ihre 13 Jahre in den USA, den Schulabschluss, den sie gemacht hat, und die zwei Jobs, mit denen sie die Familie ernährt.
Sie war der Polizei im Jahr 2011 bei einer Straßenverkehrskontrolle aufgefallen. „Sie haben mich angehalten, weil ich ausländisch aussehe“, ist die junge Frau überzeugt. Seither musste sie sich in regelmäßigen Abständen bei der Ausländerpolizei melden, aber durfte bleiben. Aber in diesem Frühling erhielt sie einen Abschiebungsbescheid.
Konflikt bis in die Kirchengemeinden hinein
Nach zahlreichen juristischen Versuchen, ihre Abschiebung nach Guatemala abzuwenden, war sie kurz davor, aufzugeben und die Koffer zu packen. Doch ihr zehnjähriger Sohn, der eines Tages ein Nasa-Ingenieur werden will und nie in Guatemala war, erklärte, dass er nicht mitkommen wolle und dass er seine Mutter in New York brauche.
Die prominenten RednerInnen sind eine Reaktion auf die Zero-Tolerance Politik der US-Regierung. Während Donald Trump mit Worten und Taten die Bereitschaft zu extremer Härte gegen EinwandererInnen und ihre Kinder zeigt, wächst auf der anderen Seite die Unterstützung für Papierlose und ist das Thema Einwanderungspolitik ins Zentrum des Wahlkampfs für die Kongresswahlen im November gerückt.
Die Kontroverse reicht bis tief hinein in die Kirchen, auch die Methodistengemeinde. Aus ihr kommen sowohl Justizminister Jeff Sessions, der die Kriminalisierung von EinwandererInnen mit der Bibel begründet, als auch hunderte Geistliche und Gemeindemitglieder, die dem Justizminister in einem internen Disziplinarverfahren die „Verletzung von Kirchenregeln“ vorwerfen, als auch Pastor Karpen, der jetzt jede Woche für Barrios-Vasquez zur Ausländerpolizei geht, um dort um ein Bleiberecht für sie zu bitten. Vor seinem Altar stehen Schilder mit Aufschriften wie: „Liebe kennt keine Grenzen“ und: „Einwanderer machen Amerika groß“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt