Konflikt um Bergkarabach: Kein Gas aus Aserbaidschan

Wann ist die Grenze überschritten beim Abwägen von günstig und unmoralisch. Eine Verurteilung der Offensive gegen Bergkarabach reicht keineswegs.

Demonstranten stoßen mit Sicherheitskräften in Eriwan zusammen

Protest vor dem Regierungsgebäude in Eriwan gegen Ministerpräsident Paschinjan Foto: Vahram Baghdasaryan/ap

Es gab eine Zeit, da kaufte die EU russisches Erdgas. Mit einem Lächeln auf den Lippen – so günstig, wie schön. Damals war die Krim bereits russisch besetzt, in der Ostukraine starben Zivilisten auf Minen und unter Bomben, aus dem Donbass wurde ein Schlachtfeld. Aber, bitte nicht vergessen: Das Gas war wirklich günstig.

Im Februar 2022 übertrieb es Russland dann doch, und man bekundete öffentlich, nun kein Erdgas mehr von diesem Diktator Wladimir Putin kaufen zu wollen. Aber es gibt ja noch ein anderes Land, irgendwo in derselben Region, und da gibt es auch günstiges Gas. Versorgungssicherheit ist schließlich wichtig: Wer möchte schon kalt duschen oder seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, weil der Strom zu teuer wird.

Bei Wolgograd nach Süden abgebogen, schon findet sich neues Gas, im Hinterhof eines schnauzbärtigen älteren Herren, Ilham Aliyev. Das mit dem Krieg gegen die Armenier im Jahr 2020, und den Repressionen gegen das armenisch besiedelte Bergkarabach? Nicht so wichtig. Und wie war das mit Pressefreiheit, Menschenrechten, und dem Unterdrücken der Opposition? Mit Moral allein duscht es sich leider recht kalt.

Also weitermachen wie bisher: Gas kaufen, Übergriffe auf Nachbarländer ignorieren, schließlich kann man sich nicht überall einmischen. Aber Moment, nun attackiert dieser Diktator Aliyev doch tatsächlich schon wieder Bergkarabach. Was nun? Den Gas-Deal so belassen wie er ist? Oder – wie bei Putin 2022 – doch endlich Konsequenzen ziehen? Ist das nun die rote Linie, so wie es der Angriff auf die gesamte Ukraine war?

Als EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen im Sommer 2022 eine Absichtserklärung über Gas-Lieferungen mit Aliyev unterschrieb, wurde sie gewarnt – von Menschenrechtsorganisationen, von Journalisten und Aktivisten: Aserbaidschan ist eine Diktatur, die brutal gegen Oppositionelle im eigenen Land und brutal gegen seine armenischen Nachbarn vorgeht.

Das ignorierte man geflissentlich – wie bei Russland auch, als sich spätestens nach 2014 auch auf dem europäischen Kontinent zeigte, wozu Moskau fähig ist. Immerhin verurteilen die Europäische Union, sowie Außenministerin Annalena Baerbock nun Aserbaidschans jüngste Eskalation. „Wir verurteilen…“ – das tat man auch 2014. Aus Worten folgten damals wenig Taten. Vielleicht braucht es diesmal ja weniger als acht Jahre und eine noch größere Eskalation, um zu handeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Redakteurin im Auslandsressort. Meistens Westeuropa, manchmal Westasien

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.