Konflikt in der Westsahara: Marokko setzt auf Eskalation
Ein Besuch des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon erzürnt die Regierung in Rabat. In den Flüchtlingslagern in Algerien wächst der Frust.
Ausgerechnet eine Friedensmission löste die Spannungen aus. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reiste Anfang März in die Region. Marokkos König Mohammed VI. empfing ihn weder in der Hauptstadt Rabat, noch durfte er in die besetzten Gebiete. Ban musste sich mit einem Besuch in den von der Polisario betriebenen sahrauischen Flüchtlingslagern in Algerien zufrieden geben. Dort wurde er von der Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara empfangen.
Ban benutze das Wort „Besatzung“ und versprach, alles zu tun, um doch noch ein Referendum über die Zukunft der Westsahara abzuhalten. Dies war 1991 – nach knapp 16 Jahren Krieg – bei einem von der UNO ausgehandelten Waffenstillstand zwischen Marokko und der Polisario vereinbart worden. Stattgefunden hat es bis heute nicht. Denn Rabat blockierte die Vorbereitungen erfolgreich.
Offiziell ist die Westsahara fester Bestandteil des marokkanischen Königreichs. „Südprovinzen“ werden die besetzte Gebiete genannt. Wenn überhaupt, ist Mohammed VI. bereit, der Region eine Autonomie zuzugestehen. Der Wüstenboden ist reich an Phosphat, die Atlantikküste reich an Fisch und der Meeresgrund verspricht größere Erdölvorkommen.
Gegenseitige Vorwürfe
„Die UNO hat die Neutralität aufgegeben“, beschwerte sich die Regierung in Rabat nach Bans Besuch, mobilisierte Hunderttausende zur Verteidigung der Einheit des Königreichs auf den Straßen und wies am 25. März alle 84 zivilen Mitarbeiter der UN-Friedensmission in der Westsahara, der Minurso, aus. Ein militärischer Stützpunkt der Blauhelme musste geschlossen werden. Die UN-Soldaten hätten sich mit Separatisten getroffen, heißt es zur Begründung.
Als „respektlos“ gegenüber ihm selbst und der UNO bezeichnet Ban die Politik Marokkos und verlangt die Rückkehr der Minurso-Mitarbeiter. Vergebens. „Die Entscheidung ist Ausdruck unserer Souveränität und unwiderruflich“, erklärt das Außenministerium seiner Majestät Mohammed VI.
„Es geht nicht um den Besuch des UN-Generalsekretärs“, ist sich der Minister für Beziehungen zu Lateinamerika und der Karibik in der sahrauischen Exilregierung, Mansur Omar, sicher. „Es ist vielmehr eine Strategie, um die Minurso auszuhöhlen und zu einem reinen Wächter der aktuellen Zustände zu machen.“ Marokko habe die jahrzehntelange Blockade des Referendums für die eigenen Ziele genutzt. Die Ansiedlung von mehr als 300.000 Marokkanern und die Flucht von mindestens der Hälfte der Sahrauis nach Algerien hat die Bevölkerungsstruktur radikal geändert.
Furcht vor Repression
Die Polisario in den Flüchtlingscamps und die Aktivisten in den besetzen Gebieten befürchten nach der Ausweisung der Minurso-Mitarbeiter eine neue Repressionswelle. Mehr als 70 Sahrauis sitzen wegen friedlicher Proteste gegen die Besatzung in marokkanischen Gefängnissen. Sie wurden meist von Militärgerichten abgeurteilt. Folter ist laut Amnesty International in dem nordafrikanischen Königreich, das jetzt von der Bundesregierung zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt werden soll, nicht nur gegen Sahrauis an der Tagesordnung.
In den Camps in Algerien werden vor allem unter den jungen Sahrauis, die nie etwas anderes als ein Dasein als Flüchtling kennengelernt haben, die Stimmen für eine Rückkehr an die Waffen lauter. Die Polisario hat ihre Truppen in Alarmbereitschaft versetzt. Anfang April werden sie mit schwerem Geschütz und Panzern das bisher größte Manöver seit dem Waffenstillstand von 1991 abhalten. „Eine mögliche Rückkehr zu den Feindseligkeiten wird nicht zeitlich und räumlich begrenzt sein. Dieses Mal wird der Krieg erst mit der völligen Befreiung unserer besetzten Heimat enden“, warnt Minister Mansur Omar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen