Konferenz der Landesminister: Innenminister für mehr Überwachung
Sicherheitsbehörden sehen eine Radikalisierung in der linken Szene. Der Verfassungsschutz warnt vor autonomen Kleingruppen.
Den Innenministern ist die Sache ernst. Bundesweit seien „Radikalisierungstendenzen in der linksextremistischen Szene erkennbar“, heißt es in einer Beschlussvorlage. Es gebe „klandestin agierende Strukturen“ und eine „im Extremfall mögliche Entwicklung hin zum Terrorismus“. Deshalb brauche es eine genaue Beobachtung.
Die Beschlussvorlage soll auf der halbjährlichen Innenministerkonferenz verabschiedet werden, die am Mittwochabend in Rust (Baden-Württemberg) begonnen hat. Das Thema Linksextremismus ist dort einer der Schwerpunkte. Und die Barrikaden, die am selben Tag vor dem autonomen Berliner Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 brannten, dürften die Minister bestärken.
Schon tags zuvor hatten Bundesinnenminister Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts vor einer Radikalisierung der linken Szene gewarnt. Diese agiere „zunehmend aggressiv und enthemmt“, Kleingruppen würden sich abschotten und schwerste Übergriffe auf Neonazis und PolizistInnen begehen.
Eine Brandserie in rechten Szeneobjekten
Insgesamt zählt der Verfassungsschutz 34.300 Linksextreme im Land, 800 mehr als im Vorjahr, etwa durch den starken Zuwachs der „Roten Hilfe“. 9.600 hält er für gewaltorientiert. Die Zahl der als links eingestuften Straftaten stieg leicht auf 6.632 Delikte. Darunter waren 1.237 Gewalttaten, inklusive fünf versuchter Tötungsdelikte – hier ein deutlicher Anstieg von 34 Prozent zum Vorjahr.
Als Hotspots militanter Linke werden Berlin, Hamburg und Leipzig ausgemacht. Gerade letztere Stadt stand zuletzt im Fokus: Hier wurden Polizeiwachen attackiert, brannten Baufahrzeuge und Baukräne, wurde eine Immobilienmaklerin zu Hause aufgesucht und ins Gesicht geschlagen. Inzwischen ermittelt hier auch die Bundesanwaltschaft und ließ im Oktober 2020 die 26-jährige Leipzigerin Lina E. festnehmen. Ihr wird vorgeworfen, mit einer Antifa-Gruppe mehrere Rechtsextreme angegriffen zu haben, im Spätsommer soll der Prozess beginnen.
Zuletzt sorgten auch zwei Attacken auf Neonazis in Eisenach und Eilenburg für Aufsehen. Hier hatten sich Unbekannte als Polizisten ausgegeben und die Opfer zu Hause mit Hämmern überfallen. Haldenwang wies auch auf eine Brandserie an rechtsextremen Szeneobjekten in Thüringen und an militante Aktionen im Dannenröder Forst hin, wo ein Aktivist angeblich absichtlich Baumstämme auf zwei Polizisten zum Absturz brachte.
Kommt jetzt Welle der Repressionen?
Einige Verfassungsschützer sehen manche konspirative autonome Kleingruppen inzwischen auf einer Vorstufe zum Terrorismus: Bei ihren Aktionen würden sie Todesfälle in Kauf nehmen. Der Szenekonsens, keine schwere Gewalt gegen Personen zu verüben, auch weil dies nicht vermittelbar sei, erodiere. Die Angriffe würden „zunehmend gewalttätiger, persönlicher und professioneller“.
Die Innenminister wollen nun vor allem militante Rädelsführer in der linken Szene identifizieren. Dass der Verfassungsschutz zuletzt eine länderübergreifende Arbeitsgruppe unter Federführung Hamburgs einrichtet, um die Szene genauer auszuleuchten, wird dort begrüßt. Haldenwang appellierte: „Niemand darf linksextremistische Gewalt verklären.“ In der Szene sieht man dagegen bereits eine breite Überwachungs- und Repressionswelle anrollen.
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