Kompetent versenkt: Vom Scheitern des Green Deal
Das ambitionierte Klima-Projekt der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wurde von der Realität eingeholt. Um nachzujustieren, fehlt das Geld.
Statt vom Klima spricht von der Leyen nun von Aufrüstung und Bürokratieabbau. Und die Europäische Volkspartei (EVP), für die die CDU-Politikerin bei dieser Wahl als Spitzenkandidatin antritt, rüttelt am „Verbrennerverbot“, das ab 2035 nur noch schadstofffreie Fahrzeuge zulässt. Scheitert der Green Deal? Wollen von der Leyen und ihre EVP das Rad der EU-Politik zurückdrehen? Dies ist eine der zentralen Fragen des Europa-Wahlkampfs. Vor allem die Grünen läuten die Alarmglocke.
Wenn sich von der Leyen nach der EU-Wahl tatsächlich mit rechten Parteien verbünden sollte, drohe eine klimapolitische Katastrophe, warnen grüne Politiker. Zugleich verweisen sie jedoch stolz auf die Erfolge des Green Deal. Die Zusammenarbeit mit von der Leyen sei nicht so schlecht gewesen.
Doch hat der schwarz-grüne Deal wirklich funktioniert? Müssen die ehrgeizigen Klimagesetze, die Brüssel in den vergangenen fünf Jahren auf den Weg gebracht hat, jetzt „nur noch“ ordentlich umgesetzt werden? Und was ist eigentlich aus dem Versprechen geworden, dass der Green Deal der EU und Deutschland zu neuem, grünem Wachstum verhelfen und Europa zum Weltmarktführer bei „Green Tech“ machen werde?
Schlechter Witz
Dieses Versprechen hat sich als falsch erwiesen. Das deutsche Wachstum ist ein schlechter Witz und die EU ist wirtschaftlich weit zurückgefallen. Bei „Green Tech“ hat Europa sogar den Anschluss verloren. Sonnenkollektoren und Windräder werden mittlerweile in China produziert, energieintensive Unternehmen sind in die USA abgewandert oder planen dies zu tun. Das Gespenst der „Deindustrialisierung“ geht um in Europa.
Nur Schwarzmalerei? Nein. Die Realität hat den Green Deal überholt. Er beruht auf einem marktwirtschaftlichen Ansatz, während China und die USA auf Subventionen und Protektionismus setzen. Von der Leyen will die Wirtschaft regulieren, US-Präsident Joe Biden lockt mit Steuervorteilen. Bidens „Inflation Reduction Act“ zeigt Wirkung, von der Leyens Deal nicht – oder nur unzureichend.
Klar, die CO2-Emissionen gehen runter, der Anteil erneuerbarer Energien steigt. Doch kein einziges EU-Land ist bei der grünen Transformation „on track“ (im Plan), wie ein grüner EU-Abgeordneter einräumt. Selbst Deutschland droht seine Klimaziele zu verfehlen. Erfolge bei der Senkung der Treibhausgase sind vor allem auf Corona und die Wirtschaftskrise zurückzuführen – und nicht auf eine gelungene Politik.
Besserung ist nicht in Sicht. Denn dafür müssten die Investitionen in den Klimaschutz massiv steigen. Nach Angaben der EU-Kommission wären allein bis 2030 zusätzliche 620 Milliarden Euro nötig – pro Jahr. Das entspricht 3,7 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU.
Klammheimlich zusammengestrichen
Zusätzlich müssten die Europäer in Klima-Resilienz oder „Anpassung“ investieren: Deiche, Dämme, Fluss-Renaturierungen, Regenrückhaltebecken – aber auch Wärmedämmung, Klimaanlagen, um die Folgen der Klimakrise abzufedern. Doch dafür hat Brüssel bisher noch nicht einmal ein Programm aufgelegt.
Dringend nötig wäre auch ein Klimageld, um die sozialen Folgen der Transformation abzufedern. Doch auch dafür ist kein Geld da. Der EU-Klimasozialfonds ist klammheimlich zusammengestrichen worden. Der soziale Teil des Green Deal wurde de facto aufgekündigt.
Dabei kommt das dicke Ende noch. Der europäische Emissionshandel – das wichtigste Markt-Instrument – sieht kräftig steigende Preise vor. Ab 2027 werden auch Gebäude und Verkehr in den Handel einbezogen. Dann dürfte es für die Verbraucher richtig eng werden.
Schon jetzt murren viele Bürger ob der steigenden Preise, rechtspopulistische Parteien nutzen die Unzufriedenheit für ihre Zwecke aus. Bei der Europawahl könnten die Rechten deutlich zulegen – auch wegen der verkorksten Klimapolitik.
Doch die EU hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Statt den Green Deal neu zu justieren und um ein Sozialprogramm zu ergänzen, will sie die Unternehmen entlasten. Nach der EU-Wahl sollen zudem Strafzölle auf günstige E-Autos made in China kommen. Der Umstieg auf schadstofffreie Fahrzeuge wird so verteuert und erschwert – und nicht erleichtert, wie versprochen. Der Green Deal war eine schöne Idee. Nun wird er wohl endgültig verkorkst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken