Kommunalwahlen in Russland: Nawalnys Sieg in Sibirien
Bei den Kommunalwahlen in Russland muss die Kremlpartei Einiges Russland Verluste einstecken. Nawalnys „kluge Abstimmung“ funktioniert.
Zwei von Nawalnys Mitarbeiter*innen in Tomsk schafften nach vorläufigen Angaben den Einzug in den Stadtrat, wie die Agentur Interfax am Montag meldete. Die Stadt liegt rund 2.900 Kilometer Luftlinie östlich von Moskau.
Die Kremlpartei Einiges Russland verlor in Tomsk die Mehrheit im städtischen Parlament mit seinen 37 Sitzen. Nach Auszählung aller Stimmzettel erzielte die in Russland dominierende Partei 24,47 Prozent. Das entsprach 11 Sitzen.
Nawalny hatte vor seiner Vergiftung in der Stadt für seine Strategie der „klugen Abstimmung“ geworben. Er rief dazu auf, eine*n beliebige*n Kandidat*in zu wählen – nur nicht diejenige der Kremlpartei. Ziel der Opposition ist es, so das Machtmonopol von Einiges Russland zu brechen. Der Plan ging im Fall von Tomsk dem vorläufigen Ergebnis zufolge auf. Nawalny hatte auch in Moskau bei den Stadtratswahlen im vergangenen Jahr damit Erfolg.
Klein und voller Differenzen
Einziehen in den Stadtrat von Tomsk werden demnach seine Mitarbeiter*innen Xenia Fadejewa und Andrei Fatejew. Einiges Russland war zwar immer noch die stärkste Fraktion, aber ohne Mehrheit. Auf Platz zwei landeten die Kommunisten mit 17,5 Prozent der Stimmen. Es folgte die erst in diesem Jahr zugelassene Partei Neue Leute (Nowyje Ljudi), die aus dem Stand 15,1 Prozent erzielte. Die neue politische Kraft, die sich auch für Selbstständige und ökologische Themen einsetzt, verzeichnete zudem in anderen Städten Erfolge.
Der Stadtrat von Tomsk gilt nun als ein kleines Parlament in Russland mit dem breitesten Spektrum an politischen Meinungen. Vertreten sind auch die Liberaldemokraten des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski, die Partei Gerechtes Russland und die liberale Oppositionskraft Jabloko sowie die Partei des Wachstums. Die Kremlpartei hatte zuvor 21 Mandate gehalten. Ein Mitglied der Tomsker Wahlkommission, Tatjana Doroschenko, sagte, sie könne sich nicht daran erinnern, dass Vereinigtes Russland in den 15 Jahren, in denen sie ihr Amt ausübe, jemals so schlecht abgeschnitten habe.
Der Kremlgegner Nawalny war auf einem Flug von Tomsk nach Moskau am 20. August zusammengebrochen. Das Flugzeug musste in Omsk zwischenlanden. Dort kam Nawalny in ein Krankenhaus und wurde am 22. August nach Berlin geflogen, wo er seither behandelt wird. Auf ihn soll mit einem als Chemiewaffenkampfstoff verbotenen Nervengift der Gruppe Nowitschok ein Mordanschlag verübt worden sein. Russland bestreitet, etwas mit dem Fall zu tun zu haben.
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